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ÖAMTC-Blickuntersuchung zeigt Unsicherheiten und Gefahren am Schulweg

Fast 500 verletzte Kinder an Schulwegen im Vorjahr – Mobilitätsclub fordert Adaptierung von Infrastruktur und besondere Vorsicht zu Schulbeginn.

Untersuchung mit Eyetracking-Brillen

Im Jahr 2023 passierten in Österreich 450 Unfälle mit Personenschaden an Schulwegen. Dabei wurden 494 Kinder verletzt, zwei getötet. Eine Untersuchung mit Eyetracking-Brillen der Firma Viewpointsystem im Auftrag des ÖAMTC zeigt nun große Unterschiede zwischen jüngeren (6-7 Jahre) und älteren Kindern (11-12 Jahre). "Die Kleineren sind generell unsicher und hängen sich beim Queren oft an Größere. Ältere Kinder verhalten sich ähnlich wie Erwachsene. Bei ampelgeregelten Kreuzungen starren aber alle nur aufs grüne Licht und machen keine Kontrollblicke", fasst ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger zusammen.

Als problematisch erwiesen sich zudem Hindernisse im Sichtbereich sowie Zebrastreifen, die einen Radweg queren. Entsprechend fordert die Expertin des Mobilitätsclubs Adaptierungen im Infrastrukturbereich und appelliert an alle Verkehrsteilnehmer:innen zu besonderer Vorsicht zum Schulbeginn. "Und für die Tafelklassler:innen gilt: üben, üben, üben, mit hilfreichen Beispielen", so Seidenberger.

6-7-Jährige – zu großer Abstand zur Gehsteigkante, irrelevante Blickführung

Blickuntersuchung am Schulweg ÖAMTC

Blickuntersuchung am Schulweg

2405X_HST0143_CMS.jpg ÖAMTC/APA-Fotoservice/Tesarek

Blickuntersuchung am Schulweg

Kind_6_02 Kopie_CMS.jpg Viewpointsystem

Blickuntersuchung am Schulweg

2405X_HST0150_CMS.jpg ÖAMTC/APA-Fotoservice/Tesarek

Blickuntersuchung am Schulweg

2405X_HST9901_CMS.jpg ÖAMTC/APA-Fotoservice/Tesarek

Blickuntersuchung am Schulweg

2405X_HST0283_CMS.jpg ÖAMTC/APA-Fotoservice/Tesarek

Blickuntersuchung am Schulweg

ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger

"Jüngere Kinder im Alter von sechs bis sieben Jahren schweifen mit ihren Augen weit ab oder schauen mit einer Art Scheibenwischerblicks sehr schnell hin und her. Insgesamt nehmen sie Unwichtiges und zu viel wahr – dieser Informations-Overload verstärkt die Unsicherheit. Dadurch können sie Entfernungen und Tempo nicht abschätzen und tun sich schwer, Entscheidungen zu treffen. Daher orientieren sie sich oft an Erwachsenen."

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Auch Fehlentscheidungen sind möglich – so gehen Kinder manchmal einfach spontan los. Problematisch ist zudem, dass sich kleinere Kinder zu weit weg von der Gehsteigkante aufstellen. Dadurch können sie nicht in den Kreuzungsbereich schauen und werden auch von anderen oft erst sehr spät wahrgenommen.

Mistkübel, Verkehrszeichen, Büsche – Schlechte Sicht durch Hindernisse

Hindernisse wie Mistkübel, Verkehrszeichen oder Büsche im Kreuzungsbereich verschärfen das Problem. Sie führen dazu, dass sogar höher Sitzende (z. B. Rad- und Lkw-Fahrende) nicht sehen, ob sich im Aufstellungsbereich von Kreuzungen Personen befinden. Als wichtige Komponente erwies sich dabei die unterschiedliche Augenhöhe von durchschnittlich 115cm (6-7-Jährige), 117cm (Pkw-Lenker:in), 141 cm (11-12-Jährige), 171 cm (Radfahrer:in) bis zu 181 cm (Klein-Lkw-Fahrer:in).

Gefahrenstellen Garagenausfahrten und Zebrastreifen über Radweg

Zu gefährlichen Situationen kann es auch bei Garagenausfahrten über den Gehsteig kommen. "Die Blickuntersuchung hat gezeigt, dass kleinere Kinder ab und zu, die größeren gar nicht geschaut haben", erklärt die Psychologin des Mobilitätsclubs.

Für Unsicherheit sorgen zudem Zebrastreifen, die über Radwege gehen. "Kinder sind an solchen Stellen oft überfordert. Sogar Größere sind unsicher", so Seidenberger. Radfahrende hingegen haben bei der Blick-Untersuchung kaum auf die Aufstellfläche vor Kreuzungen geschaut. Dabei ist die Situation rechtlich eindeutig: Wer am Zebrastreifen geht, hat Vorrang – das gilt auch bei Radwegen.

Ihrer Unsicherheiten sind sich die Kinder nicht bewusst. "Wir haben die Kinder nach dem Testgang gefragt, wie sie sich einschätzen. Die meisten waren überzeugt, dass sie den Weg sehr gut absolviert haben", erläutert die ÖAMTC-Expertin.

ÖAMTC-Forderungen und -Hinweise für einen sicheren Schulweg

Um Schulwege sicherer zu gestalten, sollte es an Aufstellflächen keine Sichtabschattungen und -barrieren geben. "An Schulwegen muss der Fußgänger:innen-Aufstellbereich bei Kreuzungen frei und einsehbar sein – also z. B. kein Hängemistkübel an einer Verkehrszeichenstange, keine nahplatzierten Wartehäuschen/Werbetafeln, Radständer etc.", so Seidenberger. Angezeigt wird ein Schulweg übrigens u. a. durch einen rot umrandeten Zebrastreifen – das signalisiert, dass dort ganz besondere Vorsicht gilt.

"Für die Kinder ist ganz wichtig: keine Angst machen lassen, viel üben und viel Geduld. Dabei brauchen sie konkrete Handlungsanweisungen, z. B. wo genau sie stehen sollen und wohin genau sie schauen sollen", so Seidenberger. An alle anderen Verkehrsteilnehmer:innen appelliert die Expertin, sich gerade jetzt zu Schulbeginn noch einmal mehr der Vorbildwirkung bewusst zu sein und sich an Vorschriften und Regeln zu halten.

Blickuntersuchung von Viewpointsystem im Auftrag des ÖAMTC

Die Blickuntersuchung wurde im Frühjahr 2024 von der Firma Viewpointsystem im Auftrag des ÖAMTC und mit Unterstützung des ADAC durchgeführt. Dafür wurden Kinder (6-7 Jahre bzw. 11-12 Jahre) sowie Klein-Lkw-, Pkw- und Rad-Fahrende mit speziellen Eyetracking-Brillen ausgestattet, mit denen sowohl die Augenbewegungen als auch die anvisierten Ziele aufgezeichnet wurden. Die Kinder absolvierten einen vorab definierten, acht- bis neunminütigen Weg mit unterschiedlichen Kreuzungssituationen.

Statistik Schulweg-Unfälle 2023 in Österreich
Bundesland Unfälle mit Personenschaden Verletzte Kinder Getötete Kinder
Burgenland 10 14 0
Kärnten 35 38 0
Niederösterreich 65 71 0
Oberösterreich 74 76 2
Salzburg 37 35 0
Steiermark 61 72 0
Tirol 41 47 0
Vorarlberg 41 43 0
Wien 86 98 0
Österreich 450 494 2