E-Fuels: Nachhaltige Kraftstoffe
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Die Mobilitätspolitik der EU am Scheideweg
Der Green Deal der Europäischen Union sieht vor, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu reduzieren. Ein ehrgeiziges Ziel, zu dem auch der Verkehrssektor seinen Beitrag leisten muss – das steht auch für den ÖAMTC außer Frage. Allerdings sind die Pläne der österreichischen Bundesregierung in diesem Zusammenhang, alleine auf Elektromobilität zu setzen und für Autos mit Verbrennungsmotoren massiv Steuern zu erhöhen, weder zielführend noch sozial gerecht.
Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung
"Die E-Mobilität ist zwar ein zentraler Faktor für die Erreichung der Ziele – allerdings kann es sich allein mit dieser Technologie nicht ausgehen. Anstatt darüber hinaus ausschließlich über Steuererhöhungen für jene, die sich den Umstieg auf ein E-Auto nicht leisten können oder wollen, zu diskutieren, wäre es deutlich zielführender, die bestehende Flotte klimafreundlicher zu machen.
Das kann mit E-Fuels gelingen. Denn diese nachhaltigen Kraftstoffe ermöglichen den deutlich CO₂-ärmeren oder sogar CO₂-neutralen Betrieb eines Verbrennungsmotors. Um dieses Potenzial nutzen zu können, darf es allerdings nicht – wie von einzelnen Umweltministern vorgeschlagen – zum generellen Verbot von Verbrennungsmotoren kommen."
In einem vom ÖAMTC veranstalteten Symposium haben internationale Experten das Thema E-Fuels beleuchtet. Im Anschluss diskutierten Vertreter der Politik, welche Rahmenbedingungen es auf EU-Ebene braucht, um diese vielversprechende Möglichkeit zur CO₂-Reduktion auf den Weg zu bringen.
Was uns bewegt
Mit Georg Brasseur (Spezialist für Elektrotechnik und nachhaltige Mobilität, em. Professor an der TU Graz).
Wenn die Erderwärmung unter zwei Grad gehalten werden soll, müssen überall auf der Welt die CO2-Emissionen reduziert werden. Auch beim Verkehr. Wind- und Sonnenenergie bieten sich an, um den ständig wachsenden Strombedarf nachhaltiger zu erzeugen. Doch schaffen die allein die Energiewende? Nein, sagt Professor Brasseur, zumindest nicht in Europa. Denn Europa war nie energieautark und wird es auch in Zukunft nicht sein. Er plädiert stattdessen, grünen Strom dort zu erzeugen, wo das effizienter erfolgen kann und ihn gleich an Ort und Stelle mittels Elektrolyse in grünen Wasserstoff umzuwandeln. Aus diesem können synthetische gasförmige oder flüssige Kraftstoffe wie Methan, Ammoniak, Methanol oder E-Fuels erzeugt werden, die sich mit der vorhandenen Infrastruktur leicht transportieren, speichern und verwenden ließe. Als nachhaltig erzeugter Kraftstoff auch für Autos.
Videos der Vortragenden
Das sagen die Experten
Vorstand Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik (IVT), TU Graz
Helmut Eichlseder betonte, dass es für die Erreichung der Klimaziele notwendig ist, die Mobilität auf die Basis erneuerbarer Energien zu stellen. Allerdings, so Eichlseder, unterliegen Sonnen-, Wind- und Wasserenergie, die für nachhaltige und CO₂-neutrale Stromerzeugung notwendig sind, saisonalen und sogar tagesabhängigen Schwankungen. Auch wird der großflächige Bedarf an "sauberer" Elektrizität in Europa nicht zu decken sein, sodass es nicht ausreicht, nur auf eine einzige Technologie zu setzen. E-Fuels hätten gegenüber dem batterieelektrischen Antrieb allerdings große Vorteile: Einerseits kann die bestehende Tankstelleninfrastruktur genutzt werden, andererseits sind E-Fuels "rückwärtskompatibel", können also in der bestehenden Flotte genutzt werden.
Head of Global Fuel Cell Team, AVL List GmbH
Jürgen Rechberger erklärte, wie Verbrennungsmotoren CO₂-neutral zu betreiben sind – und dass nicht die Motoren das Problem sind, sondern die Verbrennung fossiler Kraftstoffe in ihrem Inneren: Verbrennt man Diesel oder Benzin, entsteht unter anderem CO₂, das vorher nicht in der Atmosphäre vorhanden war. Und genau hier setzen erneuerbare, synthetisch hergestellte E-Fuels an, die im Labor aus Wasser (H20) und Kohlendioxid (CO₂), das zum Beispiel der Umgebungsluft entnommen wird, hergestellt werden. Bei der Verbrennung im Motor wird zwar ebenfalls CO₂ freigesetzt, allerdings nicht zusätzlich, sondern nur in der Menge, die vorher für die Erzeugung eingesetzt wurde. Andere Schadstoffe werden durch moderne Filteranlagen praktisch vollkommen neutralisiert.
Der Knackpunkt: Die Herstellung der E-Fuels benötigt hohe Energiemengen – diese müssen aus erneuerbaren Quellen kommen. Wenn E-Fuels in Europa hergestellt werden, rechnet Rechberger mit Produktionskosten von rund 2 Euro pro Liter. Werden sie aus begünstigten Regionen importiert, rechnet er mit rund einem Euro pro Liter, weil dort die Erzeugung von erneuerbarem Strom günstiger ist. Damit, so Rechberger, liegen die Kosten ungefähr im Bereich jener, die für die Produktion fossiler Kraftstoffe anfallen. Wie viel synthetische Kraftstoffe an der Zapfsäule kosten werden, wird hingegen großteils von der Besteuerung abhängen – etwa ob für sie auch Mineralölsteuer zu entrichten ist
JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH
Gerfried Jungmeier forderte das Ganze zu betrachten: Fundierte Aussagen zu Umweltauswirkungen verschiedener Technologien können nur im Rahmen einer Lebenszyklus-Analyse (LCA, Life Cycle Assessment) getroffen werden. Das bedeutet, dass Herstellung, Betrieb und Verwertung bzw. Entsorgung berücksichtigt werden müssen. Aktuell, so Jungmeier, verursache die Pkw-Flotte in Österreich in einer ganzheitlichen Betrachtung jährlich Treibhausgas-Emissionen von rund 17 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent. Die Ergebnisse der LCA-basierten Szenarien zeigen, dass mit E-Fuels und batterieelektrischen Fahrzeugen Klimaneutralität bis 2040 möglich ist. Die größte Herausforderung: der schnelle Aufbau von E-Fuel-Erzeugungsanlagen.
Karl Dums von Porsche stellte das Pilotprojekt Haru-Oni ("starker Wind") vor: In Chile soll die weltweit erste integrierte kommerzielle Anlage zur Herstellung klimaneutralen Kraftstoffs entstehen. Chile wurde als Standort gewählt, weil Länder wie Österreich oder Deutschland auf absehbare Zeit nicht ohne Strom-Importe auskommen werden – während in Chile erneuerbare Energie im Überfluss vorhanden ist, was die Herstellung von E-Fuels zu deutlich besseren Konditionen ermöglicht. In Betrieb wird die Anlage voraussichtlich 2022 gehen. Dums hielt außerdem fest, dass es eine lange Zeit brauchen wird, bis sich der Bestand an batterieelektrischen Autos signifikant erhöht. Es mache allerdings wenig Sinn für den Klimaschutz, den Kfz-Bestand komplett auszutauschen – dieser müsse Teil der Lösung sein und seinen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Wichtig, so Dums, seien jedenfalls Rechtssicherheit und Planbarkeit, ansonsten würde sich kaum jemand auf die kostenintensive Produktion von E-Fuels einlassen.
Pierre Olivier Calendini ist Leiter des Aramco-Forschungszentrums in Paris. Die größte Erdöl- und Erdgasfördergesellschaft der Welt investiere, so Calendini, seit 2010 weltweit in Forschungszentren mit verschiedenen Schwerpunkten. Derzeit baue Aramco zwei Industrieanlagen, die vor allem zur Optimierung der Produktionskosten dienen. Ob die E-Fuel-Herstellung in industriellem Maßstab aufgenommen wird, hänge, so auch Calendini, stark von den Rahmenbedingungen ab: Mindestens 20 Jahre müsse der Markt stabil sein, damit eine solche Milliardeninvestition getätigt werden kann. Entsprechend wichtig ist aus seiner Sicht eine Gesetzgebung, die anerkennt, dass E-Fuels, die mit erneuerbaren Energien hergestellt werden, den CO₂-neutralen Betrieb von Kfz ermöglichen. Von einem Verbrenner-Verbot hält Calendini indes wenig: Er fordert eine Rückkehr zur Rationalität und die Anerkennung, dass es Technologien gibt, die einen Betrieb mit geringen CO₂-Emissionen ermöglichen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn, bis 2016 Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München, ist überzeugt, dass sich e-Fuels etablieren werden. E-Autos hätten im städtischen Bereich durchaus Vorzüge im Fahrbetrieb. Sinn kritisierte aber, dass die EU die Entscheidung über die Antriebstechnologie nicht dem Markt überlasse. Dies führe zu Wohlstandsverlusten für die Menschen. Auch werde der Umwelt damit keineswegs geholfen, weil das Erdöl, das Europa nicht mehr verbrauche, ja nicht in der Erde bleibe, sondern anderswo verbraucht werde.
Sinn plädierte stattdessen für einen weltweit gültigen, einheitlichen CO₂-Preis, der nicht nur einzelne Sektoren wie den Verkehr trifft, sondern beispielsweise auch für die Heizung von Gebäuden oder die chemische Industrie gelten soll. Ein Alleingang Europas bei einer CO₂-Steuer sei völlig wirkungslos. Als Unding bezeichnete Sinn darüber hinaus den Wunsch einiger EU-Umweltminister, dass die EU ein Enddatum für Verbrennungsmotoren vorgeben solle, weil es an den nationalen Regierungen und Parlamenten vorbei gehe. Im Übrigen müsse man den Autoherstellern bei den Flottenzielen den Einsatz alternativer Kraftstoffe anrechnen – genauso wie das für die nationalen Treibhausgasbilanzen der Mitgliedstatten üblich sei. Steuerliche Anreize zur Förderung von E-Fuels wären laut Sinn auf jeden Fall besser als Ge- und Verbote, weil sie die Spielräume nicht so stark einengen.
Einigkeit über Maßnahmenbündel zur Erreichung der CO2-Ziele
Im Anschluss an das Symposium fand eine Podiumsdiskussion mit Magnus Brunner (ÖVP), Hermann Weratschnig (Die Grünen), Alois Stöger (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) statt. Die Diskutanten waren sich im Wesentlichen einig, dass Einzelmaßnahmen nicht reichen werden, um die vorgegebenen CO2-Ziele zu erreichen. Übereinstimmung herrschte weitgehend auch in punkto Ausbau des öffentlichen Verkehrs inklusive entsprechendem Ticketsystem. Ebenso war die Verlagerung eines Teils des Güterverkehrs ein Punkt, über den Konsens herrschte
Weniger Einigkeit gab es hingegen beim motorisierten Individualverkehr. Hier wurde deutlich, dass alle Parteien mit Ausnahme der Grünen gegen ein generelles Verbot von Verbrennungsmotoren auftreten. Mehrfach wurde betont, dass nur ein Zusammenwirken der Technologien – genannt wurden E-Mobilität, Wasserstoff und Verbrennungsmotor, betrieben mit nachhaltigen Kraftstoffen – eine schnelle und sozial verträgliche Erreichung der CO₂-Ziele beim Individualverkehr ermögliche.
Denn, so der Tenor: Die Elektromobilität ist wichtig, allerdings nur CO₂-neutral, wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommt. Wasserstoff braucht, ebenso wie die E-Mobilität, eine saubere Herstellung sowie die passende Infrastruktur. E-Fuels würden hingegen sofort und vor allem auch in der bereits bestehenden Flotte wirken, genauso wie ein schneller Umstieg von E5 auf E10 und die Erhöhung des biogenen Anteils im Diesel.
Verbrennungsmotoren CO2-neutral betreiben – wie geht das?
Ganz einfach: Indem der Kraftstoff, mit dem sie laufen, so erzeugt wird, dass seine Herstellung genauso viel CO₂ bindet wie seine spätere Verbrennung freisetzt.
Das Problem mit den Kraftstoffen ist: Sie zu verbrennen, erzeugt Kohlendioxid (CO₂). Um die in ihnen steckende Energie in mechanische Energie, sprich, in Vortrieb umzusetzen, muss man sie aber verbrennen. In einem Motor. Und dadurch werden derzeit chemische Elemente, die Millionen von Jahren in der Erde gebunden waren, als klimawirksames Treibhausgas in die Atmosphäre geblasen.
Nicht der Verbrennungsmotor oder sein Arbeitsprinzip ist hier das Problem, sondern der fossile Kraftstoff, der zum Antrieb des Motors verwendet wird. Denn dieser besteht aus Erdöl, das aus Tausenden Metern Tiefe aus dem Boden gepumpt, dann raffiniert, als Benzin oder Diesel zu Tankstellen rund um den Globus transportiert, in Fahrzeugtanks gefüllt und in Motoren verbrannt wird. Neben Schadstoffen entsteht dabei aus den Kohlenwasserstoffverbindungen des Kraftstoffs auch CO₂ (Kohlendioxid), das zuvor in der Atmosphäre nicht vorhanden war.
E-Fuels sind CO2-neutral
Synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, erzeugen im Moment ihrer Verbrennung zwar auch CO₂, doch kein neues. Denn diese Kraftstoffe stammen nicht aus den Tiefen der Erdkruste, sondern aus dem Labor. Sie werden chemisch hergestellt: aus CO₂, das der Umgebungsluft entnommen wird, und Wasser (H2O).
Mit elektrischer Energie werden die Moleküle bei der sogenannten Elektrolyse aufgebrochen. Danach wird, vereinfacht gesagt, Kohlenstoff (C) mit Wasserstoff (H) neu zu Kohlenwasserstoffketten „zusammengesetzt“, während der Sauerstoff (O) der Atmosphäre zurückgegeben wird. Das CO₂, das bei der Verbrennung von E-Fuels entsteht, wurde also vorher, bei der Produktion dieser synthetischen Kraftstoffe, der Luft oder derzeit auch Industrieabgasen entnommen. Zusätzliches CO₂ entsteht dabei nicht.
Genau das macht den Unterschied zu herkömmlichem Benzin oder Diesel aus (oder auch Kerosin, mit dem Flugzeugtriebwerke befeuert werden). Schadstoffe, die auch bei Nutzung von E-Fuels entstehen, werden durch moderne Abgasreinigungsanlagen praktisch vollständig neutralisiert.
Globale Betrachtung
Wie können synthetische Kraftstoffe sinnvoll hergestellt werden:
Bei einer Umstellung vom Verbrennungsmotor auf Elektromobilität müssen wir in Zukunft statt Öl Strom importieren – denn bereits jetzt wird in Österreich zu wenig Strom produziert. Dabei ist ein Teil des im Land hergestellten, wie auch des importierten Stroms nicht grün, sondern kommt aus Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerken. Auch zukünftig wird der Strombedarf nicht vollständig mit Ökostrom gedeckt werden können. Daher darf die Produktion von Antriebsenergie nicht nur regional, sondern muss global betrachtet werden.
Synthetische Kraftstoffe können an jedem geeignetem Ort der Welt hergestellt werden – also dort, wo z.B. viel Wind bläst oder Sonne scheint. Dort können E-Fuels-Produktionsanlagen effizient betrieben und die so gespeicherte Energie Weltweit genutzt werden. Die benötigte Infrastruktur für Verarbeitung, Transport und Nutzung dieser Treibstoffe ist bereits vorhanden.
Wie im Schaubild dargestellt, den entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und damit auf die Effizienz der gesamten Kette hat dabei die Wahl des Standortes zur Energieerzeugung. Die Erzeugung grünen Stroms in Österreich liefert deutlich weniger Energie, als die gleichen Anlagen zur Energieerzeugung an einem anderen Ort liefern würden. Zum Beispiel, eine Windkraftanlage liefert in Island (hier bläst mehr Wind) rund 66% ihrer möglichen Leistung, während erneuerbare Energiequellen in Österreich lediglich 18% bringen. Das bedeutet, ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, welches mit in Island erzeugten E-Fuel betrieben wird, fährt bei annähernd gleicher CO₂ Bilanz energieeffizienter als ein Elektroauto mit grünem Strom aus Österreich.
Mit „grüner“ Energie
Die elektrische Energie für die Elektrolyse stammt im Idealfall aus erneuerbaren Quellen. Denn auch die Erzeugung von Strom in kalorischen Kraftwerken verursacht CO₂. Nützt man aber Windenergie, Wasserkraft oder Fotovoltaik für die Stromgewinnung, entsteht durch den hohen Energiebedarf für die Elektrolyse kein CO₂. Voilà: So können Verbrennungsmotoren CO₂-neutral betrieben werden – dank E-Fuels.
Klima- bzw. CO₂ neutral bedeutet: Das, was unsere Fahrzeuge an Emissionen ausstoßen, soll die Atmosphäre nicht zusätzlich belasten.
Der solcherart „konstruierte“ Kraftstoff kann gezielt mit denselben Eigenschaften wie fossiles Benzin oder Diesel ausgestattet werden. Der Vorteil: Dadurch wären keinerlei Anpassungen der herkömmlichen Verbrennungsmotoren an diese Kraftstoffe erforderlich. Einfach tanken und fahren.
Das österreichische Unternehmen AVL entwickelt Technologien, um die Erzeugung von E-Fuels effizienter zu machen. „Indem wir Wasserstoff effizienter erzeugen“, erläutert Jürgen Rechberger, Leiter des Brennstoffzellen-Kompetenzteams. „Wir arbeiten an einem Verfahren, mit dem man Wasserstoff etwa 20 % effizienter herstellen kann: die Hochtemperatur-Elektrolyse. Da der Syntheseprozess Wärme abgibt und die Elektrolyse Wärme benötigt, können wir einen Wärmeaustausch herstellen und sehen darin das Potenzial, E-Fuels um 30 % effizienter zu produzieren.“ In einer Demo-Anlage soll das Verfahren Ende 2022 in Betrieb gehen.
Auch der Sportwagenhersteller Porsche engagiert sich in der Erzeugung von E-Fuels. Gemeinsam mit Siemens und anderen Partnern realisiert Porsche ein Pilotprojekt in Chile, aus dem die weltweit erste integrierte kommerzielle Anlage zur Herstellung klimaneutralen Kraftstoffs werden soll. Warum Chile? „Länder mit hohem Energiebedarf wie Deutschland oder Österreich werden auch in Zukunft auf Energieimporte angewiesen sein“, erklärt Karl Dums, Leiter Aggregatestrategie und Antriebsvorentwicklung bei Porsche. „Das bedeutet für uns, dass der Kraftstoff in Regionen erzeugt werden muss, in denen erneuerbare Energie im Überfluss vorhanden ist. Während in Europa die Kosten für erneuerbare Energie aufgrund ihrer begrenzten Verfügbarkeit vergleichsweise hoch sind, können die Kraftstoffe beispielsweise im Süden Chiles zu erheblich besseren Konditionen hergestellt werden.“
Mit dem Projekt Haru-Oni, auf Deutsch: „starker Wind“, sollen in der Pilotphase die Annahmen für eine großindustrielle Skalierung bestätigt werden. „Die Inbetriebnahme der Anlage wird voraussichtlich 2022 erfolgen“, so Dums. Die dort produzierten E-Fuels will Porsche zunächst im Motorsport einsetzen.
Auch bio ist alternativ
Neben E-Fuels gibt es auch andere alternative Kraftstoffe. Als alternativ werden alle Kraftstoffe bezeichnet, die nicht fossilen Ursprungs sind (also aus Erdöl gewonnen werden). Zum Beispiel Bio-Kraftstoffe, die aus organischen Stoffen hergestellt werden. Sie können in reiner Anwendung oder in Mischungen mit mineralischem Benzin oder Diesel in unterschiedlichen Verhältnissen verwendet werden.
Die Rohstoffe dafür stammen aus eigens gezüchteten Energiepflanzen (z.B. schnell wachsenden Pappeln), Grünschnitt, Küchenabfällen oder aus minderwertigen landwirtschaftlichen Produkten, die für die Lebensmittel- oder Tierfutter-Produktion nicht geeignet sind. Da die Pflanzen beim Wachstum CO₂ aus der Atmosphäre binden, wird auch nur wieder dieses CO₂ bei der Verbrennung freigesetzt.
Infrastruktur bleibt nutzbar
Für alternative Kraftstoffe spricht vor allem, dass die bestehende Infrastruktur nur geringer Modifikation bedarf, um weiter genutzt werden zu können. Das reicht von den Raffinerien, in denen künftig E-Fuels hergestellt werden können, über Kraftstoff-Transportwege wie Tankwagen oder Pipelines bis zu den Tankstellen und Fahrzeugen selbst: Die meisten Autos, Motorräder, Busse und Lkw mit Verbrennungsmotoren können mit E-Fuels weiterbetrieben werden – und das klimaneutral. Menschen, die sich den Umstieg auf ein E-Fahrzeug nicht leisten können, bleiben weiterhin mobil. Alte Autos, die noch funktionstüchtig und verkehrssicher sind, müssen nicht verschrottet, sondern können weiterverwendet werden. Eine nicht zu unterschätzende Ressourcen-Ersparnis und CO₂-Vermeidung.
Zudem können E-Fuels künftig auch als Energie-Zwischenspeicher dienen. Sind die Stromspeicher voll, müssen z.B. in Norddeutschland oft Windkraftwerke abgeschaltet werden, damit sie keinen Strom mehr produzieren. Die Erzeugung von E-Fuels in solchen Zeiträumen ist eine willkommene zusätzliche Nutzungsmöglichkeit für die kostenlos verfügbare Windenergie.
Kraftstoff der Zukunft
Wie herkömmliche Verbrennungsmotoren mit E-Fuels CO₂-neutral betrieben werden können.
Sonderausgabe zum ÖAMTC-Symposium „E-Fuels oder Verbrenner-Verbot?“
Interview mit Prof. Hans-Werner Sinn
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Werner Sinn ist deutscher Wirtschaftswissenschaftler und war bis 2016 Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung in München.
auto touring sprach mit ihm anlässlich eines Symposiums des ÖAMTC am 28. April zum Thema "E-Fuels oder Verbrenner-Verbot?"
Das gesamte Interview mit Prof. Hans-Werner Sinn über CO₂-Besteuerung, Interventionen der EU, stabile Erdölförderungen und Absurditäten politscher Prozesse finden Sie hier.
FAQs
Die häufigsten Fragen zum Thema "E-Fuel":
Was versteht man unter E-Fuels?
E-Fuels ist ein anderer Ausdruck für synthetische Kraftstoffe. Sie werden chemisch aus CO₂, das beispielweise der Umgebungsluft entnommen wird, und Wasser hergestellt. Zunächst wird mit nachhaltig erzeugter elektrischer Energie in einem Elektrolyseverfahren Wasserstoff gewonnen, während der Sauerstoff (O) der Atmosphäre zurückgegeben wird. Danach wird, vereinfacht gesagt, Kohlenstoff (C) mit Wasserstoff (H) zu neuen Kohlenwasserstoffketten „zusammengesetzt“.
Was versteht man unter klima- bzw. CO₂-neutral?
Das, was unsere Fahrzeuge an Emissionen ausstoßen, soll die Atmosphäre nicht zusätzlich belasten. Das CO₂, das bei der Verbrennung von E-Fuels entsteht, wurde bereits bei der Produktion dieser synthetischen Kraftstoffe, der Luft oder derzeit auch Industrieabgasen entnommen. Zusätzliches CO₂ entsteht nicht. Dadurch gelte E-Fuels als klimaneutral.
Was sind alternative Kraftstoffe?
Alternative oder nachhaltige Kraftstoffe ist ein Oberbegriff. Als alternativ oder nachhaltig werden alle Kraftstoffe bezeichnet, die nicht fossilen Ursprungs sind (also aus Erdöl gewonnen werden). Neben E-Fuels gibt es auch Bio-Kraftstoffe, die aus organischen Stoffen hergestellt werden. Die Rohstoffe für biogene Kraftstoffe der ersten Generation stammen aus eigens gezüchteten Energiepflanzen (z.B. schnell wachsenden Pappeln), aus Grünschnitt oder minderwertigen landwirtschaftlichen Produkten. Als biogene Kraftstoffe der 2. Generation bezeichnet man Kraftstoffe, die aus Abfallstoffen hergestellt werden. Die 3. Generation biogener Kraftstoffe soll als Ausgangsprodukt Algen haben.
Was sind die Vorteile von alternativen Kraftstoffen?
Zunächst einmal bedarf bei der Umstellung auf synthetische oder biogene Kraftstoffe die bestehende Infrastruktur nur einer geringen Modifikation und kann weiter genutzt werden. Das reicht von den Raffinerien, in denen künftig E-Fuels hergestellt werden können, über Kraftstoff-Transportwege wie Tankwagen oder Pipelines bis zu den Tankstellen. Wesentlich ist aber: Auch die meisten Autos, Motorräder, Busse und Lkw mit Verbrennungsmotoren können mit synthetischen oder biogenen Kraftstoffe weiterbetrieben werden – und das klimaneutral. Menschen, die sich den Umstieg auf ein E-Fahrzeug nicht leisten können, bleiben weiterhin mobil. Alte Autos, die noch funktionstüchtig und verkehrssicher sind, müssen nicht verschrottet, sondern können weiterverwendet werden. Eine nicht zu unterschätzende Ressourcen-Ersparnis und CO₂-Vermeidung.
Wie viel könnte ein Liter synthetischer Kraftstoff kosten?
Tatsächliche Spritkosten sind derzeit nur sehr schwer abschätzbar und auch abhängig von Faktoren wie der Besteuerung. Was allerdings die Produktionskosten anbelangt, so rechnet der weltweit größte Erdölkonzern für 2030 mit etwa doppelt so hohen Produktionskosten wie für herkömmlichen Benzin. Auf lange Sicht sollen die Kosten aber in etwa gleich hoch sein.
E-Fuel, Verbot von Verbrennungsmotoren - Warum redet der ÖAMTC bei einer industriepolitischen Frage mit?
Ein mögliches Verbot von traditionellen Motoren betrifft nicht nur die Industrie, sondern unmittelbar Millionen von Österreicher/-innen. Nicht nur wegen des absehbaren Wertverlustes in Milliardenhöhe für fünf Millionen hierzulande zugelassenen Benzin- und Diesel-Pkw. Für hundertausende Menschen steht die Möglichkeit, überhaupt automobil sein zu können, auf dem Spiel, weil sich die Klimaziele im Verkehr allein durch den Austausch von Benzin- und Diesel- durch Elektroautos nicht ausgehen kann.
Was bedeutet: Die Klimaziele gehen sich alleine mit Elektromobilität nicht aus?
Pro Jahr werden in Österreich rund 300.000 Pkw neu zugelassen. Hätten von den neu zugelassenen Autos im laufenden Jahrzehnt im Schnitt die Hälfte einen Elektroantrieb, was weit über den optimistischsten Prognosen liegt, könnte man in Österreich es bis 2030 schaffen, 1,5 Millionen Fahrzeuge auszutauschen. Um allein durch die Erneuerung der Flotte die Klimaziele für 2030 zu erreichen, müssten es aber fast 3 Millionen sein.
Welche Möglichkeiten gibt es, die Klimaziele im Verkehr dennoch zu schaffen, wenn es sich mit Elektromobilität allein nicht ausgeht?
Eine Antwort ist es, den Preis fürs Autofahren mit Diesel- oder Benzin-Autos über Steuererhöhungen so hoch anzuheben, bis endlich genug Menschen aufhören, automobil unterwegs zu sein. Stichwort: Automatische MÖSt-Erhöhung im Klimaschutzgesetz; Stichwort: CO₂ Steuer; Stichwort: Strafzahlungen auf Sprit im Energieeffizienzgesetz.
Der ÖAMTC ist gegen Steuererhöhungen und setzt sich dafür ein, die bestehende Flotte klimafreundlicher machen. Das funktioniert nur mit nachhaltigen Kraftstoffen, weil damit herkömmliche Verbrennungsmotoren CO₂-ärmer oder sogar CO₂-neutral betrieben werden können. Daher unser Interesse an E-Fuels.
Was hat das alles mit dem möglichen Verbot von Verbrennungsmotoren zu tun?
In der Mobilität brauchen wir jede Technologie, die uns hilft, signifikant CO₂ einzusparen. Ein Verbot von Verbrennungsmotoren würde von vorne herein verhindern, dass eine E-Fuels Wertschöpfungskette entsteht, weil für die notwendigen Milliardeninvestitionen die Sicherheit fehlt, dass ein Investor sein Geld auch wieder zurück verdienen kann. Im Übrigen sind Technologieverbote immer der falsche Weg. Nicht der Verbrennungsmotor ist das Problem, sondern fossile Kraftstoffe. Sonst müssten wir auch jede Holzheizung im Wohnbereich verbieten.
Welche Rahmenbedingungen muss man ändern, damit E-Fuels ein Erfolg werden können?
1. Alternativen Kraftstoffen dürfen nicht nur in der Klimarechnung der Mitgliedstaaten angerechnet werden, sondern müssen auch bei der Erreichung der Flottenzielen der Autohersteller berücksichtigt werden. Nur dadurch haben die Autobauer einen Anreiz, ihre Motoren auf synthetische oder biogene Kraftstoffe hin zu optimieren.
2. Steuerliche Anreize nicht nur für Elektromobilität, sondern auch für E-Fuels und Bio-Kraftstoffe. Anbieten würde sich, die Mineralölsteure auf diese Kraftstoffe zu erlassen, weil es sich ja um kein Mineralöl handelt.
3. Kein “Verbrennerverbot” durch die “Hintertür” der Abgasnorm Euro7. Die Bedingungen für die neuen Abgasvorschriften dürfen nicht so gesetzt werden, dass sie mit einem Verbrennungsmotor nicht mehr erreichbar sind.
4. Lebenszyklus: Eine ehrliche Berechnung des CO₂-Ausstoßes eines Fahrzeuges, bei dem der gesamte Lebenszyklus und nicht nur der Betrieb berücksichtigt wird
Ist nicht eMobilität viel Energie-effizienter als ein Verbrennungsmotor, egal ob er mit fossilen oder nachhaltigen Kraftstoffen betrieben wird?
Das ist keine Frage von Entweder-Oder. Für die Klimaneutralität brauchen wir beides. eMobilität ist effizienter, das stimmt, doch der Abstand verringert sich zusehends, je mehr geforscht und entwickelt wird. Für manche Nutzer hat eMobilität andere negative Eigenschaften (Reichweite, Ladedauer, Temperaturempfindlichkeit der Batterie), wodurch sie weiterhin lieber Verbrennungsmotoren fahren.
Sind nicht E-Fuels so wertvoll, dass wir sie nicht für Autos “verschwenden” können? Wir brauchen sie doch für Flugzeuge oder Güterverkehr.
Diese Frage soll der Markt klären – alles andere ist Planwirtschaft. Der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann aus Baden-Würtemberg argumentiert sogar, dass wir nur mit einer Inklusion des Straßenverkehrs auf Mengen kommen, die eine effiziente Produktion von E-Fuels überhaupt erlaubt. Österreich wird immer Energie-Importe brauchen – wenn wir ein Industrieland bleiben wollen.
Verlängern nicht E-Fuels unsere Abhängigkeit von den jetzigen Erdöl-Staaten, wenn sie in Staaten wie Saudi-Arabien erzeugt werden?
Österreich wird immer Energie-Importe brauchen – wenn wir ein Industrieland bleiben wollen. Wenn wir alleine auf eMobilität setzen, begeben wir uns in die Abhängigkeit von nur einem Land: China (China erzeugt die meisten Batteriezellen, China hat sich schon vor Jahren den Zugriff auf die Rohstoffe (Lithium, Kobalt, seltene Erden) gesichert. E-Fuels kann man in allen Ländern produzieren, die das Potenzial haben, erneuerbaren Strom im Überfluss zu erzeugen – z.B auch Australien oder Chile (siehe Porsche). Was also ist besser? Die Abhängigkeit von einem Land = China, oder das Risiko auf viele Staaten zu streuen?