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DruckenStädtische Verkehrsmittel im Vergleich
Routenplanerabfragen und Praxisfahrten zeigen Vor- und Nachteile von Pkw, Fahrrad und Öffentlichen Verkehrsmittel (OV).
Jedes städtische Verkehrsmittel hat seine spezifischen Vor- und Nachteile. Aber mit welchem kann man die meiste Zeit und das meiste Geld einsparen? Mit welchem ist man am flexibelsten und komfortabelsten unterwegs? Egal ob im innerstädtischen Verkehr oder in der überregionalen Mobilität – es gibt selten das eine Verkehrsmittel, das ausschließlich Vorteile bringt. Der ÖAMTC hat sich diesem Thema angenommen und aus Nutzersicht bewertet.
Im Zuge der durchgeführten Untersuchung wurden die drei städtischen Hauptverkehrsmittel Pkw, Fahrrad und ÖV hinsichtlich verschiedener Kriterien bewertet. Ein wesentliches Kriterium war die Reisezeit. Hierzu wurden 80 Routen im Wiener Stadtgebiet definiert und drei Mal pro Werktag eine Woche lang für jedes Verkehrsmittel mittels Routenplanerabfragen eruiert – in Summe also 3.600 Abfragen. Zusätzlich wurden Praxisfahrten durchgeführt, um die Ergebnisse der Abfragen zu verifizieren. Die Routenauswahl erfolgte zufällig und bildet häufige Alltagswege ab.
Je kürzer die Strecke, desto schneller das Fahrrad?
Der Pkw ist, wenn es um die reine Nettofahrzeit geht, am häufigsten das schnellste Verkehrsmittel im städtischen Verkehr. Die Auswertung des Wochendurchschnitts aller 240 Routen- und Tageszeit-Kombinationen je Verkehrsmittel ergab, dass der Pkw bei 125 Fahrten, das Fahrrad 104-mal und der ÖV elf Mal am schnellsten war. Aber gerade beim Pkw gibt es erhebliche Schwankungen der Fahrtdauer auf Grund des Verkehrsaufkommens zum Zeitpunkt der Abfrage: So war das Fahrrad am Morgen bei 39 Routen das schnellste Verkehrsmittel, der Pkw nur bei 35 Fahrten.
Bei Betrachtung der Fahrzeiten bzw. der Rangfolge in Abhängigkeit der Entfernung zeigt sich, dass bis fünf Kilometer Streckenlänge das Fahrrad auf 42 von 66 Routen das schnellste Verkehrsmittel war. Im Bereich von 5-10 km war der Pkw in 55 von 99 Fällen am schnellsten. Mit dem Fahrrad war man in dieser Entfernungsklasse fast gleich schnell. Bei längeren Strecken über zehn Kilometer konnte der Pkw seine Stärken ausspielen: In 52 von 75 Fällen war man damit am schnellsten am Zielort.
Der ÖV war zwar der klare Verlierer anhand der Google Maps Abfragen, was jedoch dadurch relativiert wird, dass es sich hier bei den ermittelten Zeiten anders als beim Individualverkehr um Bruttozeiten handelt – Fußwege von der Haltestelle zum Ziel sind inkludiert.
Pkw, Fahrrad und Öffis bei Praxisfahrten nahezu gleich schnell
Die Vergleichsfahrten erfolgten vom selben Startort zum vereinbarten Ziel unter Einhaltung aller gültigen Verkehrsregeln.
Auch die Praxisfahrten zeigten, dass der Pkw das schnellste Verkehrsmittel in der Stadt ist – aber nur sehr knapp. Mit dem Pkw war man in drei von sieben Fällen am schnellsten am Ziel. Betrachtet man die Zeitdifferenz, so war der Pkw im Durchschnitt nur um 1,43 Minuten schneller als das Fahrrad, und 1,71 Minuten schneller als der ÖV, mit denen man jeweils in zwei von sieben Fällen den Zielpunkt am schnellsten erreichen konnte.
Plant man seine Routen mit dem Routenplaner, so muss man beim Pkw die größte Pufferzeit einplanen: Die reale Durchschnittsfahrzeit inkl. Parkplatzsuche vom Start- zum Zielpunkt war rd. fünf Minuten länger als von Google Maps im Wochendurchschnitt berechnet. Beim Fahrrad sind die von Google ausgegebenen Zeiten ebenfalls kaum zu schaffen: Hier betrug der zeitliche Mehraufwand im Durchschnitt 3,6 Minuten pro Strecke. Beim ÖV wird jedoch eher konservativ berechnet und längere Neben- bzw. Umsteigezeiten miteingeplant: Hier war der Öffi-Nutzer um durchschnittlich 3,5 Minuten früher am Ziel.
Verkehrsmittel |
Gesamtergebnis |
|||
⌀Platz |
Anzahl erste Plätze |
⌀ Fahrzeit |
Δ Routenplaner |
|
Pkw |
2 |
3 |
27,00 |
+5,2 |
Fahrrad |
2 |
2 |
28,43 |
+3,6 |
ÖV |
2 |
2 |
28,71 |
-3,5 |
Gesamtergebnis der Praxisfahrten
Brutto-/ Netto-Reisezeiten mit tlw. erheblichen Diskrepanzen
Die Nettozeit beinhaltet beim Pkw und Fahrrad die reine Fahrzeit bis zum Abstellort, aber keine Nebenzeiten wie Einpark- oder Absperrvorgang oder den Fußweg zum vereinbarten Treffpunkt. Beim ÖV umfasst die Nettozeit die reine Fahrzeit im Verkehrsmittel, nicht jedoch die Fußwege zur bzw. von der Haltestelle. Die Bruttozeit umfasst die gesamte Zeit vom Start- bis zum Zielpunkt.
Die Unterschiede in den Ergebnissen der Routenplanerabfragen und der Praxisfahrten sind u.a. auf die unterschiedlichen Betrachtungsweisen zurückzuführen. Routenplanerergebnisse sind immer reine Tür zu Tür Ergebnisse. Die Zeitdauer für die Parkplatzsuche und den Fußweg vom Stellplatz zum Zielort wird nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt auch für den Radverkehr. Einzig bei den öffentlichen Verkehrsmitteln entspricht die berechnete Zeit der Bruttozeit, da hier etwaige Fußwege von der Haltestelle zum Fahrziel miteinberechnet werden.
Im Praxistest lag die Differenz zwischen der Brutto- (Reisezeit) und Nettozeit (Zeit im Verkehrsmittel) beim Pkw bei rund fünf Minuten, beim Fahrrad bei einer Minute. Legt man diese Nebenzeiten auf die Routenplanerabfragen drauf, ergibt sich eine Verschiebung: Das Fahrrad wäre in 154 von 240 Fällen das schnellste Verkehrsmittel. Der Pkw fällt zurück auf 63 erste Plätze, mit dem ÖV wäre man 23-mal als erster am Ziel.
Verkehrsmittel |
Gesamtergebnis |
||||
Bruttokorrektur [min] |
⌀ Platz |
Anzahl erste Plätze |
⌀ Fahrzeit [min] |
Max. Spannweite (Tageszeit) |
|
Pkw |
+5 |
1,93 |
63 |
27,4 |
24,1% |
Fahrrad |
+1 |
1,45 |
154 |
25,5 |
0,1% |
ÖV |
+0 |
2,62 |
23 |
32,0 |
9,1% |
Gesamtergebnis der Routenplanerabfragen bei Korrektur der Bruttozeiten
Fahrrad und ÖV bei Fahrtkosten unschlagbar
Bei den Kosten einer Fahrt gibt es zwischen den verglichenen Verkehrsmitteln erhebliche Unterschiede. Betrachtet wurden sowohl die rein variablen Kosten als auch die Gesamtkosten pro Kilometer Die Berechnung der gesamten Kosten eines Pkw erfolgt mit den Daten der ÖAMTC Auto-Info. Angenommen wurde eine jährliche Fahrleistung von 15.000 km und eine Behaltedauer von sechs Jahren. Für den Pkw fallen letztlich Kosten von 44 Cent pro Kilometer, beim ÖV bei Jahreskartenbesitz 10 Cent pro Kilometer und beim Fahrrad 9 Cent pro Kilometer an.
Pkw punktet bei Komfortmerkmalen – Fahrrad bei Flexibilität
Beim subjektiv gefühlten Grundkomfort liegt klar der Pkw an erster Stelle. Neben dem besten Sitzkomfort können Parameter wie Klimatisierung, Beschallung etc. durch den Lenker festgelegt werden. Im ÖV muss der Fahrgastraum vor allem in der Stoßzeit mit vielen anderen Fahrgästen geteilt werden. Das Fahrrad bietet den geringsten Komfort. Die größte Wetterabhängigkeit liegt beim Fahrrad vor: Hier ist der Lenker widrigen Umständen schutzlos ausgeliefert, was sich auch an den Zahlen der Wiener Radverkehrszählstellen bemerkbar macht, welche im Winter um zwei Drittel geringer sind als im Sommer.
Die größte Flexibilität bieten Pkw und Fahrrad: Hier sind keinerlei fixe Abfahrtszeiten zu beachten. Bei der Störungsanfälligkeit kann das Fahrrad punkten: Staus durch Unfälle, Baustellen oder bei Verkehrsüberlastung im Berufsverkehr beeinträchtigen das Radwegenetz kaum bzw. besteht als Radfahrender die Möglichkeit, sich an den stehenden Kfz vorbeizuschlängeln. Beim ÖV kann es zu Unregelmäßigkeiten durch verparkte Fahrwege oder Störungen an den Fahrzeugen kommen. Bei der Erreichbarkeit von Zielen liegt ebenfalls das Fahrrad vorne: Eine Zufahrt ist zu fast allen Zielen auf kurzem und direkten Weg möglich und erlaubt. Außerdem sind in den meisten Stadtvierteln viele Abstellmöglichkeiten in kurzer Entfernung zum Fahrtziel vorhanden.
Wahl des richtigen Verkehrsmittels von vielen Faktoren abhängig
Die gegenständliche Untersuchung hat vor allem eines gezeigt: Das ideale Verkehrsmittel für den innerstädtischen Verkehr hängt abseits der persönlichen Vorlieben auch von der Länge der Fahrstrecke und dem konkreten Zweck der Fahrt ab. Hier spielt es eine große Rolle, ob der tägliche Weg zum Arbeitsplatz oder ein Großeinkauf im Baumarkt absolviert werden soll oder generell mehrere Zwischenstopps eingelegt werden müssen. Auch das Wetter und die eigene körperliche Fitness sind nicht außer Acht zu lassen. Ob die Fahrt allein oder mit mehreren Mitfahrern durchgeführt werden soll, kann den Ausschlag für oder gegen ein Verkehrsmittel geben. Des Weiteren wird das Kostenkapitel von verschiedenen Nutzergruppen äußerst unterschiedlich gewichtet. Die Auffassung, das Fahrrad sei bis fünf Kilometer „unschlagbar“, kann nicht pauschal gesagt werden und trifft nur unter entsprechenden Voraussetzungen zu. Viel hängt von der Tageszeit (Verkehrsaufkommen), der Strecke sowie der Erreichbarkeit von Start- und Zielort ab.
In nachstehender Gesamtübersicht werden die Ergebnisse der einzelnen Kategorien gegenübergestellt. Aufgrund der für verschiedene Nutzergruppen individuell unterschiedlichen Gewichtung der jeweiligen Faktoren wird auf die Berechnung eines Gesamtergebnisses mit einem Gesamtranking verzichtet. Das Fahrrad überzeugt v.a. bei den hard facts (schnell und günstig). Der Pkw sammelt seine Pluspunkte v.a. bei soft facts (Komfort). Der ÖV ist in beiden Kategorien solide.
Merkmal |
Pkw |
Fahrrad |
ÖV |
Fahrzeit Routenplaner |
+ |
~ |
- |
Differenz Brutto - Netto – Zeit |
- |
~ |
+ |
Fahrzeit Praxistest |
+ |
~ |
~ |
Fahrtkosten |
- |
+ |
~ |
Abstellkosten |
- |
+ |
+ |
Fahrzeugkomfort |
+ |
- |
~ |
Wetterabhängigkeit |
+ |
- |
+ |
Transportkapazität |
+ |
- |
~ |
Flexibilität |
+ |
+ |
~ |
Störungsanfälligkeit |
- |
+ |
~ |
Erreichbarkeit |
~ |
+ |
~ |
Barrierefreiheit |
+ |
- |
~ |
Rechtliche Anforderungen |
- |
~ |
+ |
Bewertung der Verkehrsmittel nach wesentlichen Kriterien