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Tempolimits

ÖAMTC zur Diskussion rund um Tempo 100 auf der Autobahn.

Tempo 100 vs. 130

Angesichts der aktuellen Klimaschutz-Debatte werden in Politik und Öffentlichkeit zahlreiche Maßnahmen diskutiert, unter anderem eine Senkung des allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen und Schnellstraßen von 130 auf 100 km/h. In diesem Zusammenhang kursieren unterschiedliche Zahlen: Dabei wird meist nicht zwischen dem individuellen Spritverbrauch jeder:s Einzelnen und dem allgemeinen Gesamtverbrauch in Österreich unterschieden. Um diese Diskussion zu versachlichen, erklären wir in diesem Beitrag, wie die Werte zustande kommen – und wieso im Wesentlichen keine der Zahlen tatsächlich falsch ist.

Kurz zusammengefasst:

  • 40% der heimischen Gesamtfahrleistung wird auf Autobahnen und Schnellstraßen erbracht.
  • Auf rund 37% des ASFINAG-Netzes gelten bereits 80/100 km/h – dort werden jedoch mehr als die Hälfte der Gesamtfahrleistung erbracht.
  • Ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und Schnellstraßen bringt somit höchstens 1 bis 3 % Spritersparnis – gerechnet am Gesamtspritverbrauch des Verkehrssektors in Österreich.
  • Laut Umweltbundesamt können dadurch 180 Mio. Liter Kraftstoff eingespart werden – das entspricht 2,5% und deckt sich mit unseren Berechnungen.
  • Der ÖAMTC ist daher der festen Meinung, dass hier Überzeugungsarbeit mehr bringt als verordnete Tempolimits.

Aus der Praxis ist bekannt, dass sich bei einer konstanten Einzelfahrt auf der Autobahn durch eine Temporeduktion von 130 auf 100 km/h bis zu 25 Prozent Sprit einsparen lassen. Das deckt sich mit Aussagen des Umweltbundesamtes (UBA), das die durchschnittlichen Einsparungen mit 23 Prozent beziffert. Daher empfiehlt der ÖAMTC bereits seit Jahren – und angesichts hoher Kraftstoff-Preise ganz besonders – vorausschauend und spritsparend, d. h. teilweise auch langsamer, zu fahren. Das kann jede:r sofort tun – dafür braucht es keine neuen Gesetze oder behördlichen Anordnungen.

Es ist allerdings ein Trugschluss, zu glauben, mit einer Reduktion des allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen auf 100 km/h ließe sich insgesamt ein ähnlich hoher Wert am Gesamtspritverbrauch in Österreich einsparen. Das Einsparpotenzial liegt insgesamt bei höchstens 1-3 Prozent der in Österreich verbrauchten Spritmenge.

Das ergibt folgende Kalkulation:

Laut ASFINAG werden rund 40% der Gesamtfahrleistung, also die dort von allen Fahrzeugen zurückgelegten Kilometer, auf dem Autobahn- und Schnellstraßen-Netz (A+S-Netz) erbracht. 14% davon sind Schwerverkehr, für diesen gilt Tempo 80. Betrachtet man nur den Pkw, finden ergo rund 34% der Gesamtfahrleistung am A+S-Netz statt.

Auf rund 37% des A+S-Netzes (zumeist in Stadtnähe) gelten Tempo 80/100-Beschränkungen – dort werden jedoch rund 52% der Verkehrsleistung abgewickelt. Also würde sich eine Temporeduktion auf der Autobahn/Schnellstraße insgesamt lediglich auf 17% der Gesamtverkehrsleistung in Österreich auswirken. Auf weiteren rund 4% des A+S-Netzes gelten situative Geschwindigkeitsbeschränkungen, die zumeist automatisch über sogenannte Verkehrs-Beeinflussungs-Anlagen angezeigt werden. Der Einfachheit halber lassen wir diese in unserer Kalkulation außer Acht.

Es ist jedoch ein Irrtum, anzunehmen, dass im restlichen A+S-Netz, auf dem Tempo 130 erlaubt ist, die gefahrene Geschwindigkeit immer frei wählbar wäre und tatsächlich auch jedes Auto 130 km/h fährt. Vielmehr bestimmen das generelle Verkehrsaufkommen, etwa Überholvorgänge von Lkw oder eine freiwillige Absenkung der gefahrenen Geschwindigkeit das durchschnittliche Tempo.

Daher ist für eine Bewertung der Auswirkung einer Absenkung des allgemeinen Tempolimits die tatsächlich gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit relevant. Diese liegt laut Messungen von Prof. Pucher von der TU-Wien (2020) bei drei Fahrstreifen – auf denen 11% der Verkehrsleistung abgewickelt werden – im Durchschnitt nur bei etwa 120 km/h. Bei Strecken mit zwei Fahrstreifen werden laut Prof. Pucher im Durchschnitt gar nur rund 105 km/h gefahren.

Dort werden 37% der Gesamtfahrleistung des A+S-Netzes erbracht. Würde man nun das Tempolimit von 130 km/h auf 100 km/h absenken, ergibt sich daraus rechnerisch ein Reduktions-Potenzial für den Gesamt-Spritverbrauch von etwas über 1%.

Einsparungspotential bei 1 bis 3 Prozent

Daraus resultiert die Aussage des ÖAMTC, dass die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen eine Spritersparnis von höchstens 1 bis 3% bringt.

Diese Erkenntnisse decken sich mit den Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA), die im Sachstandsbericht Mobilität im Jahr 2019, erstellt für das BMK, dargelegt werden (Dort wird ein Potenzial von 460.000 Tonnen CO2 Einsparungen errechnet, das entspricht 180 Mio. Liter Sprit. Anteilig am heimischen Spritverbrauch des Verkehrssektors von 7,3 Mrd. Litern ergibt dies einen Anteil von 2,5%.Rechnet man die schweren Nutzfahrzeuge sowie landwirtschaftliche Fahrzeuge mit ein, sind es nur 1,9%).

Auch der renommierten Salzburger Fahrzeug- und Verkehrstechniker sowie Unfallforscher Gerhard Kronreif kommt in einem Interview in den Salzburger Nachrichten vom 2.8.2022 (Bezahlschranke) zu einem ähnlichen Schluss. Die Quintessenz: UBA, Kronreif und ÖAMTC kommen auf sehr ähnliche Ergebnisse – nur die Darstellungsart ist unterschiedlich.

Standpunkt des ÖAMTC

Aus Sicht des ÖAMTC rechtfertigt dieses geringe Einsparungspotenzial von 1-3 Prozent des österreichischen Gesamtspritverbrauches keine generelle Absenkung des Tempolimits, wiewohl es für jede:n Einzelne:n immer Sinn macht, das Fahrzeug vorausschauend und mit angepasster Geschwindigkeit zu bewegen. Wir sind der festen Meinung, dass hier Überzeugungsarbeit mehr bringt als verordnete Tempolimits.

ÖAMTC schlägt Volksbefragung zu Tempolimits vor

Vor dem Hintergrund der andauernden Debatte über eine mögliche Herabsetzung der Tempolimits auf Autobahnen, Freilandstraßen und im Ortsgebiet auf 100, 80 beziehungsweise 30 km/h lässt der ÖAMTC mit dem Vorschlag einer Volksbefragung aufhorchen.

Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC Interessenvertretung:

„Wir können uns gut vorstellen, die Österreicherinnen und Österreicher zu befragen, ob sie eine weitere Einschränkung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit befürworten oder nicht. Denn nur wenn niedrigere Tempolimits von der Mehrheit mitgetragen werden, machen sie Sinn. Schließlich können nicht hunderttausende Kilometer Straße permanent von der Polizei überwacht werden."

Mobilitätsclub fordert CO2-Reduktion ohne weitere Verbote für mobile Menschen

Beim Mobilitätsclub kann man nicht nachvollziehen, warum zur Reduktion des CO2-Ausstoßes im Verkehr einzig und allein über weitere Tempo-Restriktionen diskutiert wird, wenn es eine Vielzahl von wirksamen Maßnahmen gibt, die niemanden einschränken und viel effizienter dem Klimaschutz dienen.

Die wesentlichen Punkte hierbei wären z.B.:

  • Der verstärkte Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen auf biogener Basis. Damit könnte, einer Studie der Österreichischen Energie-Agentur zufolge, dreimal so viel CO2 eingespart werden, wie mit Tempo 100, da auch Benzin- und Diesel-Pkw klimafreundlicher unterwegs wären.
  • Eine „Grüne Welle“ bei Ampelschaltungen im Stadtverkehr wäre eine effiziente Möglichkeit, CO2 einzusparen.
  • Zudem ließe sich auch eine Förderung des Mitfahrens – insbesondere im Berufsverkehr – und der Ausbau von Home-Office-Tagen rasch umsetzen.
  • Darüber hinaus würde eine flächendeckende Versorgung Österreichs mit sogenanntem Mikro-ÖV, also mit Rufbussen, im ländlichen Raum eine sinnvolle Alternative zum Individualverkehr schaffen und helfen, die Klimaziele im Verkehr zu erreichen.

Der ÖAMTC sieht die Politik am Zug. Die Menschen wollen und müssen weiterhin mobil bleiben, sie müssen sich die Mobilität leisten können und ambitionierte Klimaziele müssen erreicht werden. Alle drei Ziele sind gleichzeitig zu verfolgen.

Video: Tempo 100 Autobahn

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Tempo 130 in der EU keine Ausnahme, sondern die Regel

Nur in Niederlanden gilt Tempo 100 auf Autobahnen, klare Mehrheit der EU-Mitglieder erlaubt 130 km/h.

In der aktuellen Diskussion rund um eine mögliche Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen auf 100 km/h wird oft der Eindruck erweckt, Österreich hinke dem europäischen Trend hinterher.

Die Fakten sprechen eine andere Sprache: In zwölf (1) EU-Mitgliedstaaten mit Autobahnen gilt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h, während sieben (2) EU-Länder ein Tempolimit von 120 km/h haben. In einem (3) EU-Land liegt die maximal erlaubte Geschwindigkeit bei 110 km/h. Lediglich in einem von 24 EU-Mitgliedstaaten (4) mit nennenswertem Autobahnnetz, den Niederlanden, gilt ein Tempolimit von 100 km/h – allerdings auch nur tagsüber.

Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung

"In den Niederlanden leben auf weniger als der Hälfte der Fläche Österreichs mit 17,3 Millionen Menschen beinahe doppelt so viele Einwohner. Im holländischen Autobahn-Netz werden über 50 Milliarden Kfz-Kilometer abgewickelt – das ist um die Hälfte mehr als in Österreich. Und das, obwohl das Netz um nicht einmal ein Viertel länger ist. Der Verkehr in den Niederlanden ist also deutlich dichter, daher ist Tempo 100 dort absolut nachvollziehbar. Mit Österreich ist diese Situation allerdings nicht vergleichbar."

In drei EU-Staaten ist es im Übrigen erlaubt, schneller als 130 km/h zu fahren: In Bulgarien und Polen gilt ein Geschwindigkeitslimit von 140 km/h, in Deutschland gibt es gar kein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen.

Der Mobilitätsclub hat bereits mehrfach betont, dass es selbstverständlich für jede:n Einzelne:n immer Sinn macht, vorausschauend und mit angepasster Geschwindigkeit – d. h. in vielen Fällen auch unter dem erlaubten Höchsttempo – unterwegs zu sein: mit positivem Effekt für die Umwelt und die eigene Geldbörse. Überzeugungsarbeit bringe aber mehr als gesetzlich verordnete Tempolimits.

Bernhard Wiesinger abschließend: "Würde man aus den Tempolimits auf EU-Autobahnen einen Durchschnitt errechnen, läge dieser bei rund 127 km/h. Auch das zeigt, dass Tempo 130 auf Autobahnen in der EU nicht die Ausnahme ist, sondern die Regel."

(1) Dänemark, Frankreich, Italien, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn
(2) Belgien, Finnland, Griechenland, Irland, Portugal, Schweden, Spanien
(3) Zypern
(4) Estland, Lettland und Malta wurden aufgrund eines fehlenden relevanten Autobahnnetzes nicht bewertet

System der Temporegulierung auf Autobahnen funktioniert

Ein Drittel der Strecken mit mehr als der Hälfte des Verkehrs bereits unter 130 km/h temporeguliert.

In der Diskussion um eine mögliche Herabsetzung des allgemeinen Tempolimits entsteht der Eindruck, dass auf österreichischen Autobahnen fast überall 130 km/h erlaubt sind. Das ist nicht der Fall: Auf 32 Prozent oder 720 Kilometer des Autobahn-und Schnellstraßen-Netzes ist die Geschwindigkeit dauerhaft auf 100 oder 80 km/h herabgesetzt. Auf weiteren neun Prozent (200 Kilometer) des Netzes kann das Tempolimit temporär bzw. situativ – aufgrund erhöhten Verkehrsaufkommens oder zur Einhaltung des Immissionsschutz-Gesetzes-Luft (IG-L) – reduziert werden. In diesen bereits heute temporegulierten Bereichen findet mehr als die Hälfte der Gesamtverkehrsleistung auf Autobahnen und Schnellstraßen statt.

David Nosé, Verkehrstechniker beim ÖAMTC

"Es ist jahrelang gelebte Praxis, dass in Stadtnähe, bei hohem Verkehrsaufkommen, auf kurvenreicheren Streckenabschnitten, in den letzten, derzeit noch vorhandenen Gegenverkehrsbereichen oder in Tunnelanlagen langsamer als 130 km/h gefahren werden muss. Genau das macht das Autobahn- und Schnellstraßen-Netz so sicher, wie man in der Unfallstatistik sieht. Dazu kommen die flexiblen Beschränkungen aus Lärm- oder Luftschutz-Gründen (IG-L).

Gerade, weil im derzeitigen System Tempo-Regulierungen unter 130 km/h Sinn machen, sind sie breit akzeptiert. Das sehen wir immer wieder in repräsentativen Befragungen: Dort finden regelmäßig zwei Drittel der Befragten 130 km/h auf Autobahnen angemessen. Bis zu einem Viertel würde gerne schneller fahren, zwischen zehn und 15 Prozent sprechen sich für ein niedrigeres Tempolimit aus. Daraus lässt sich klar ableiten: Das System der Tempo-Regulierung auf österreichischen Autobahnen funktioniert und es besteht kein Grund davon abzugehen. Aus Sicht des Mobilitätsclubs sollten die Menschen daher weiterhin dafür sensibilisiert werden, aus Überzeugung mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs zu sein."

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