Was ÖAMTC-Mitglieder wie Passanten jedoch am meisten überrascht, ist die Vielseitigkeit der Pannenradler. Tatsächlich können der Rudi und seine Kollegen mit dem Werkzeug im Anhänger mehr als drei Viertel aller Pannen beheben. Bumm, mit diesem Wert rechnet keiner der Skeptiker. Schön zu sehen, wie das Erstaunen kurzzeitig ihre Gesichtszüge prägt. Dementsprechend kurz ist damit aber die Liste jener Pannen, bei denen sie nicht helfen können: Reifenwechsel steht da etwa drauf (mangels mitgeführtem Wagenheber), oder Batterietausch (ebenfalls nicht dabei). Und Abschleppen ist mit dem Pannen-Pedelec freilich auch nicht möglich.
Der Rudi erledigt noch die Formalitäten, als auf seinem Tablet schon der nächste Auftrag aufpoppt: 1. Bezirk, Nähe Staatsoper, ein VW Caddy mag sich partout nicht starten lassen. Wer die ÖAMTC-Notrufnummer 120 wählt, landet nie direkt bei einem der Pannenfahrer, sondern zunächst immer bei einem Mitarbeiter der Notrufzentrale im 22. Bezirk. Dort werden die Daten erfasst, selektiert und disponiert. Nun ist wieder der Rudi an der Reihe. Er wirft einen prüfenden Blick auf die übermittelten Kontaktdaten, die Zieladresse und den Grund des Notrufs. Scheinen ihm Problem und Destination lös- bzw. rasch erreichbar, bestätigt er den Einsatz, schwingt sich auf den Sattel und fährt los – wie eben jetzt. Sein Weg führt ihn die Favoritenstraße hinab, vorbei an trendigen Geschäftslokalen, den ewigen Außengebäuden der TU Wien, der hoch eingerüsteten Karlskirche und quer über den gleichnamigen Platz in Richtung Oper.
Mittlerweile hat er ja einen sechsten Sinn für notleidende Fahrzeuge und ihre Lenker entwickelt. Mit einem spähenden Blick scannt er das Zielgebiet, braucht meist nur einen kurzen Augenblick lang, um die Gestrandeten zu entdecken. Die kurze Wartezeit ergibt, dass dieses Mal die Begrüßung spürbar freundlicher, ja beinahe euphorisch ist. Schließlich liegen noch zwei Stunden Fahrt vor den Hilfesuchenden. Je eher man die Bundeshauptstadt hinter sich lassen kann, desto besser. Dass der Rudi radelnder Weise auftaucht, stört die beiden Damen nicht im geringsten. Im Gegenteil: „Cool“, finden sie seinen Auftritt, attestieren dem ganzen Konzept ein „schlau und platzsparend“. Endgültig alle Sympathien gewinnt der Rudi, als kurze Zeit später der Dieselmotor des kleinen Lieferwagens wieder laut nagelnd auf sich aufmerksam macht. Die Fehlerquelle? Die Batterie, wieder einmal.
Wenn anderen ÖAMTC-Pannenfahrern tagsüber nach Unterhaltung zumute ist, dann schalten sie in ihren Pannen-Autos einfach das Autoradio ein. Der Rudi kann das klarerweise nicht. Stattdessen spitzt er die Lippen und beginnt zu summen. Und es nicht nur er, der summt. Der Elektro-Mittelmotor seines Pannen-Pedelecs tut es ihm gleich, stimmt mechanisch sanft in die melodische Eigenbeschallung ein.
Die Batterie. Schon wieder? Rudi erreicht die Nachricht eines lahmenden Porsche Cabrio älterer Bauart. Haube hoch, Messgerät angeschlossen, Motor kurz zu starten versucht, der Verdacht erhärtet sich: Die Batterie. Ja, schon wieder!
Wer immer nur gibt, muss irgendwann aber auch nehmen. Und weil Rudis Gerätschaften allesamt keine Perpetuum Mobiles sind, sprich sich nicht selbst mit Energie versorgen können, steuert er gegen Mittag wieder seine Homebase, den ÖAMTC-Stützpunkt in der Pasettistraße, an.
Wenn andere ÖAMTC-Pannenfahrern in ihren Pannen-Autos Pause machen wollen, dann müssen sie sich bei der Einsatzzentrale abmelden.
Der Rudi macht das jetzt auch.
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