— Welche Empfehlungen kann man generell Autoherstellern für neue Bedienkonzepte geben?
MANFRED TSCHELIGI: Weniger ist oft mehr, was die Bedienung betrifft: Nicht jedes neu verbaute innovative System muss in neuer oder zusätzlicher Bedienung resultieren. Im Gegenteil: Man kann die Einstiegskurve einfacher gestalten, indem man auf bekannte Bedienelemente und -schritte zurückgreift, um Neuartiges zu steuern. Ein Zuviel an Bedienungsschritten führt schnell zu Ablenkung. Hinsichtlich Corporate Identity kann man viel mit Namen, Farbgebung und natürlich Funktionalität erreichen, da braucht es nicht zwingend neue Regler, zusätzliche Displays oder Übermenüs. Natürlich gilt immer: neue Bedienkonzepte, möglichst unter Echtbedingungen, empirisch überprüfen.
— Ist es sinnvoll, sich in erster Linie auf Touchscreen-Menüs zu konzentrieren oder sollen gewisse Funktionen weiterhin mit klassischen Schaltern/Drehreglern bedient werden können?
MANFRED TSCHELIGI: Eine Touchscreen-Steuerung ist für Infotainment, nicht-zeitkritische Diagnostik oder ähnliches bestens geeignet und verringert auch den Platzbedarf durch zusätzliche physikalische Schaltelemente.
Aber klassische, physikalische Regler bieten ein unmittelbares Feedback (Stichwort "habe ich nun erfolgreich gedrückt oder nicht") und sind durch ihre fixe Positionierung im Bedarfsfall eindeutig und nicht verwechselbar. Das bedeutet: Je zeit- und sicherheitskritischer, desto weniger Touch und desto eher klassisch.
— Gerade bei den Menüs auf den Touchscreens gibt es unzählige verschiedene Herangehensweisen. Was wäre hier bei der Gestaltung zu beachten?
MANFRED TSCHELIGI: Unbedingt die Menütiefe gering halten. Ab einer Tiefe von zwei aufwärts steigt die Unübersichtlichkeit und die Gefahr, dass sich Nutzer:innen nicht mehr zurechtfinden bzw. die Schritte als zu mühsam erachten. Auch hier gilt: Die Ablenkungsgefahr durch viele Schritte bis zum Ziel wird erhöht.
— Inwieweit wäre es sinnvoll, dass sich alle Hersteller auf gewisse Standards einigen bzw. gewisse Standards vorgeschrieben werden? Als Beispiel das Symbol für das Home-Menü, um schnell und eindeutig erkennbar wieder auf den Home-Bildschirm zu kommen.
MANFRED TSCHELIGI: Das ist nicht ganz so einfach mit ja oder nein zu beantworten, denn man muss den Herstellern Möglichkeiten lassen, die eigene Corporate Identity, das eigene Design unterzubringen, aber natürlich macht partielle Standardisierung Sinn.
So könnten die wesentlichen, auch sicherheitskritischen, Elemente mit den gleichen Symbolen oder der gleichen Positionierung umgesetzt werden. Das erhöht den Lerntransfer von einem Modell zum anderen Modell.
Dies ergibt also zwei Designebenen: Standards für die wichtigsten Elemente (auch wenn unterschiedlich grafisch aufgelöst) und Kreativität im Sinne des Herstellers für spezifische Funktionen.
— Wir hatten bei unseren Tests den Eindruck, dass in erster Linie für jüngere Autofahrer:innen entwickelt wird, ältere Menschen mit der Bedienung moderner Autos zunehmend schwerer zurechtkommen. Wird bei der Entwicklung zu wenig auf ältere Menschen Rücksicht genommen? Aber gerade das ist die Konsumentengruppe, die sich neue, moderne und zumeist teure Fahrzeuge leisten können…
MANFRED TSCHELIGI: Das ist richtig, aber vermutlich weniger ein Symptom eines Fokus spezifisch auf jüngere Menschen, sondern der generell Feature-getriebenen Entwicklung. Um sich abzugrenzen, muss das Fahrzeug mehr und bessere Features als die Konkurrenz, die eigenen Vorgängermodelle oder die eigenen Niedrigpreismodelle aufweisen. Je mehr Features, desto mehr Komplexität und um so höher das Risiko, dass man jene, die in einer anderen technischen Generation herangewachsen sind, verliert, da ihre Schwierigkeiten dann meist auf zwei Ebenen ablaufen: Das generelle Technologielevel (diese Barriere hat man in den "jüngeren" Generationen meist nicht) und dann noch die spezifischen neu hinzugekommenen Funktionen.
Es wäre aber auch eine Möglichkeit, Bedienkonzepte für unterschiedliche Benutzergruppen, etwa für die ältere Generation, auszurichten (z.B grössere Bedienelemente für ältere Personen, um die Überladung zu reduzieren. Also Stile nicht nur nach dem Design, sondern auch nach Benutzungsgruppen zur Auswahl anbieten.
— Wird die Sprachbedienung durch Künstliche Intelligenz (KI) zuverlässiger und stellt sie somit in Zukunft eine wichtige neue Bedienkomponente dar?
MANFRED TSCHELIGI: Im Kontext Auto wurden hier in den letzten Jahren sehr viele Fortschritte erzählt. Durch KI wird dies noch weiter optimiert. Es werden immer mehr personalisierte und adaptive Konzepte entstehen, die auf einzelne Bedürfnisse und Charakteristiken gut eingehen können. Gut gemachte Sprachbedienung kann jedenfalls Beiträge zu weniger Ablenkung leisten. Wichtig ist hier, keine andere Interaktionsmodalitäten (z.B. Zusatzeingaben am Bildschirm) zu benötigen, um die Komplexität nicht wieder unnötig groß werden zu lassen.
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