Es war doch immer so: Du bist in einen Golf eingestiegen und hast dich sofort ausgekannt. Nur wenige andere Autos brachten es zustande, dass man sich auf Anhieb so gut zurechtgefunden hat – die Sitzposition hat gepasst, die wichtigsten Bedienelemente waren mit verbundenen Augen zu finden. Ein Golf halt.
Bitte einsteigen: der neue Golf
Erste Fahreindrücke von der 8. Generation des VW Golf.
Zu Hause fühlt man sich im Golf nach wie vor. Die Ergonomie stimmt: Sitzposition einrichten, Lenkrad höher oder tiefer stellen, näher heran oder tiefer hinein, Kopfstütze auf die richtige Höhe, passt.
Das mit dem Blind-Erwischen der wichtigsten Bedienelemente ist aber vorbei. Erst muss man sich ein wenig mit den Möglichkeiten beschäftigen, die die 8. Generation des Golf so bietet. Und das sind viele. Doch überspringen wir das vorerst und starten gleich zur ersten Runde…
Video: Fahrvorstellung des neuen VW Golf
Volldigitales Cockpit
Adieu, Schalter, Tasten und Zeiger. Im neuen Golf ist nun alles digitalisiert. Statt herkömmlicher Anzeigen erhält man alle optischen Informationen von zwei großflächigen Displays. Statt Drehschaltern oder mechanischer Tasten wird jede Funktion durch ein berührungsempfindliches Feld, über den Touchscreen oder so genannte "Touchslider" angesteuert. Das sind längliche Elemente, auf die man seinen Finger legt und an ihnen entlang streicht. So stellt man zum Beispiel das Radio lauter oder die Temperatur der Klimaanlage höher ein.
Es geht aber auch verbal. Man braucht nur "Hallo, Volkswagen" zu sagen – nicht zu leise –, und der Golf meldet zurück: "Ja, bitte?" Bei vielen Sprachsteuerungen, die derzeit auf dem Markt verfügbar sind, müsste nun einer von mehreren vordefinierten Befehlen wörtlich ausgesprochen werden – nicht so im neuen VW Golf. Ob du nun sagst "Mir ist kalt" oder "Bitte wärmer stellen" oder "Höhere Temperatur bitte", das Auto versteht (meistens) den Sinn des Gesagten – und dreht die Heizung höher.
Kommunizieren für die Sicherheit
Darüber hinaus bietet der VW Golf erstmals serienmäßig so genannte "Car2X-Kommunikation". Was das heißt?
"Car2X" – zu lesen als "Car-to-X" – bedeutet "Auto zu irgendwas", also etwa "Car-to-Car" oder "Car-to-Infrastructure". Der Golf kann also mit anderen Gölfen oder mit der Straßeninfrastruktur, beispielsweise mit steuerbaren Warnschildern an der Autobahn, kommunizieren.
In der Praxis heißt das, sobald der Fahrer eines neuen Golf am Pannenstreifen ausrollt und die Warnblinkanlage einschaltet, bekommen alle Fahrer eines neuen Golf im Umkreis von 800 Metern in der Sekunde einen Warnhinweis. Ebenso, wenn ein Golf einen Unfall hat und ein Airbag auslöst. GPS-Daten sorgen dafür, dass die Nachricht alle erhalten, die sich der Gefahrenstelle nähern.
Aber auch eine Verkehrsbeeinflussungsanlage – das sind die Überkopfanzeigen auf Autobahnen –, auf deren Display zum Beispiel vor Nebel in 3 Kilometern gewarnt wird, kann ihre Botschaft an den neuen Golf senden, sie wird dann in den Instrumenten direkt im Blickfeld des Fahrers angezeigt.
Noch ist Car2X-Kommunikation nicht weit verbreitet, aber der VW Golf mit seinen hohen Verkaufszahlen ist ein ausgezeichnetes Vehikel, um für schnelle Durchdringung der Technologie im Verkehr zu sorgen. Und die österreichische ASFINAG ist in Europa führend bei ihrer Umsetzung – hierzulande werden also Besitzer des neuen Golf als erste von "Car-to-Infrastructure"- (C2I-) Kommunikation profitieren.
Serienmäßig: LED-Licht
Schon in Basisausstattung hat der Golf sowohl LED-Scheinwerfer als auch LED-Rücklichter serienmäßig. Allerdings gibt es eine Topversion für die Rücklichter, bei der ein besonderer optischer Effekt beim Aufleuchten der Bremslichter für mehr Aufmerksamkeit sorgt und die Blinker nicht einfach blinken, sondern ihr orangefarbenes Licht in einer Wischbewegung quasi nach außen schleudern.
Das gibt's auch vorn und VW meint: "Die wischende Blinkfunktion wirkt sich durch ihre markante Optik positiv auf die aktive Sicherheit aus." So haben wir's bisher gar nicht gesehen.
Die beste LED-Scheinwerfertechnologie (vorne) ist der höchsten Ausstattungsstufe vorbehalten: das "IQ-Light". Dabei handelt es sich um LED-Matrixscheinwerfer mit 22 LEDs je Modul. Hat man früher einfach das Licht eingeschaltet, wird heute der "Dynamic Light Assist" aktiviert, der sodann bis zu zehn unterschiedliche, zum Teil interaktive "Lichtfunktionen" auf das Dunkel projiziert, das nächtens vor dem Fahrzeug liegt. Zum normalen "Landstraßenlicht" kommt bei höherer Fahrgeschwindigkeit automatisch das Fernlicht hinzu und bei Lenkeinschlag das Abbiegelicht, weitere Funktionen heißen Schlechtwetter-, Autobahn-, Stadt- und Teilfernlicht. Gesteuert werden die meisten von ihnen durch die Fahrgeschwindigkeit und GPS-Daten – also durch den Umstand, dass der Golf "weiß", wo er sich gerade befindet, auf einer Autobahn oder in dicht verbautem Gebiet.
Eine Frontkamera erkennt zudem Straßenschilder und leuchtet sie gezielt an, um sie besser sichtbar zu machen, oder aber nimmt die Leuchtstärke zurück, um einen Blendeffekt zu vermeiden. Ebenso werden entgegenkommende Fahrzeuge erkannt und bei aktiviertem Fernlicht aus dem Lichtkegel ausgespart. So hat man trotz Gegenverkehr gute Fernsicht an den Entgegenkommenden vorbei, die dadurch nicht geblendet werden.
Kurz zurück zur Genealogie des Golf 8. Die vierte Generation (1997 bis 2003) hat den klassenlosen Charakter des VW Golf am besten auf den Punkt gebracht – noch heute sieht man viele gut erhaltene Exemplare im Straßenbild, und sie schauen alles andere als alt aus. Dann kam der Golf V, dessen wichtigstes technisches Merkmal die aufwändig konstruierte Mehrlenker-Hinterachse war – die er haben musste, weil der kurz zuvor erschienene Ford Focus eine hatte und fahrdynamisch einen neuen Standard in der Kompaktklasse festschrieb. Das war dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch so zuwider, dass er nicht nur dem Golf V eine solche Hinterradaufhängung verordnete, sondern auch den zuständigen Fahrwerksentwickler Ulrich Eichhorn von Ford abwarb.
Der Golf VI war eine Weiterentwicklung der 5. Generation, erst die siebente war wieder völlig eigenständig und auf der neuen MQB-Architektur konstruiert. (MQB steht für Modularer Querbaukasten.) Und so wie der Golf VI aus dem Golf V entstand, war der Golf VII die technische Basis für den neuen Golf 8.
Die Außen- und Innenabmessungen sind fast gleich geblieben. Feinschliff an der Karosserie erlaubte es, den Luftwiderstandsbeiwert (cW-Wert) von ohnehin recht guten 0,3 auf 0,275 zu senken. Der Luftwiderstand eines Objekts errechnet sich durch Multiplikation dieses Beiwerts mit der Stirnfläche (cW x A), die beim Golf 2,21 Quadratmeter groß ist. Relativ unverändert auch das Volumen des Kofferraums: 380 Liter, bei Umlegen der Rücksitzbank 1.237 Liter.
Die Motoren
Anfangs – die Auslieferung beginnt im Februar 2020 – wird es fünf Motoren zur Auswahl für den neuen Golf geben.
- Zwei Benzinmotoren (1,5 TSI) mit 96 und 110 kW (130 und 150 PS)
- Zwei Dieselmotoren (2,0 TDI) mit 85 und 110 kW (115 und 150 PS)
- Ein Mild-Hybrid-Antrieb (1,5 eTSI) mit 110 kW (150 PS)
Weitere eTSI-Mild-Hybrid-Motoren mit 48-Volt-Riemen-Startergenerator in den Leistungsstufen 81 und 96 kW (110 und 130 PS) werden folgen. Dazu zwei Versionen der zweiten Generation des Plug-in-Hybrid-Golf: eine effizient und eine eher sportlich ausgelegte, Leistung einerseits 150 kW (204 PS), andererseits 180 kW (245 PS). Das bisherige Kürzel GTE erhält nur die stärkere Variante. Auch einen Golf TGI mit Erdgas- (CNG-) Antrieb wird es ab November 2020 wieder geben.
Und natürlich werden später auch noch weitere Diesel und Benziner verfügbar sein; sie alle haben Direkteinspritzung und Turboaufladung. Stärkster Golf der 8. Generation wird ein 333 PS kräftiger Golf R.
Und? Wie fährt er?
Ziemlich Golf-artig. Und das heißt: der Kompaktklasse entwachsen. Der neue Golf rollt souverän wie eine Mittelklasse-Limousine ab, lenkt sich mustergültig leicht und präzise, das Geräuschniveau ist niedrig, das Vertrauen in Fahrwerk und Bremsen vom Start weg hoch. Die Hardware ist also absolut state-of-the-art, noch einen Schritt weiter das digitale Cockpit und der hohe Grad der Konnektivität des neuen Golf – gar nicht zu reden von der Software allgegenwärtiger Fahrerassistenzsysteme: Spurhalteassistent (Lane Assist), Parkassistent, Front Assist mit City-Notbremsfunktion und vorausschauendem Fußgängerschutzsystem, Multikollisionsbremse, Abbiegeassistent, Berganfahrassistent sowie Travel Assist, ein System, das Lane Assist und ACC (Tempomat mit automatischer Distanzkontrolle) zu "assistiertem Fahren" bis 210 km/h kombiniert.
Volkswagen hat mit dem Golf 8 ein wirklich gutes Auto auf die Räder gestellt, das in seiner Klasse schwer zu toppen sein wird. Am ehesten ist dieses Kunststück den Modellen zuzutrauen, die auf der gleichen Architektur aufbauen, und die werden 2020 eines nach dem anderen auf den Markt kommen: Škoda Octavia. Seat Leon. Audi A3 Sportback.
Österreich-Info
Von 1978 bis Mai 2019 – 41 Jahre lang – hielt der VW Golf Platz 1 der Zulassungsstatistik in der Klasse der Kompaktautos (in der Fachsprache A-Segment genannt) und war damit auch meistverkauftes Auto Österreichs. Insgesamt hat VW seit 1974, als der erste Golf herauskam, 35 Millionen Stück weltweit abgesetzt, 934.000 davon in Österreich.
Zu bestellen ist der neue Golf ab sofort ab 22.000 Euro (Startpreis für den 1,0 TSI mit 90 PS), seine Österreich-Premiere wird er auf der Vienna Autoshow im Jänner feiern. Im Februar/März beginnt die Auslieferung. Ab Mitte 2020 folgen der Golf GTE mit Plug-in-Hybridantrieb, GTI, GTD und Golf R; gegen Ende des Jahres 2020 ist der neue Golf Variant zu erwarten.
Importeur Porsche Austria erwartet einen Verkaufsanteil von 50 Prozent an Benzinern und 30 Prozent an Diesel-Golf. 16,5 Prozent sollen schätzungsweise die Hybrid-Modelle ausmachen und 3 Prozent der Erdgas-Golf TGI. Einen E-Golf wird es nicht mehr geben – dessen Rolle wird der neue VW ID.3 übernehmen.
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