VW ID4 Dauertest_er034_CMS.jpg Erich Reismann
© Erich Reismann
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November 2022

Licht und Schatten

Nach einem Jahr Dauertest wird Bilanz gezogen: Der vollelektrische VW ID.4 hat sich gut geschlagen, aber auch mit einigen Eigenheiten genervt.

Ein Jahr und 20.000 Kilometer mit dem vollelektrischen VW ID.4 haben Spuren in der Redaktion hinterlassen: So mancher hat die Skepsis vor einem E-Auto verloren – "geht ja eh!" Mit leerem Akku ausgerollt ist der ID.4 dank sorg­fältiger Planung auch längerer Fahrten kein einziges Mal. Die Reichweite ist zwar je nach Jahreszeit und Fahrtenprofil stark unterschiedlich und schwankt zwischen 300 und 500 km, ist aber für den Alltag vollkommen ausreichend.

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Besonders gelobt wurden immer wieder die großzügigen Platzverhältnisse – sowohl für Passagiere als auch im Kofferraum. In der zweiten Sitzreihe genießt man etwa eine Beinfreiheit, die man sonst nur von sehr großen Limousinen kennt, aber nicht von einem knapp 4,6 Meter langen SUV.

Auch für das Gepäck gibt es viel Platz, zusätzlich gefällt die niedrige Ladekante. Unter dem höhenverstellbaren Kofferraumboden lassen sich die Ladekabel verstauen, wiewohl sie bei viel Gepäck besser unter der vorderen Haube untergebracht wären. Dort ist aber dafür leider kein Platz vorgesehen.

Im Testtagebuch auch immer wieder positiv angemerkt: der gute Fahrkomfort. Generell ist der ID.4 nicht auf Sportwagen getrimmt. Die Beschleunigung ist gut, aber nicht wie bei vielen anderen E-Autos so heftig, dass man beim ersten Mal Durchtreten des Strompedals ein Aha-Erlebnis hätte. Dafür bügelt der VW Boden­unebenheiten jeglicher Art in bemerkenswert guter Weise weg.

Bedenken, dass der Heckantrieb auf Schneefahrbahn Nachteile bringen könnte, braucht man nicht zu haben. Zwar leuchtet bei steilen Passagen die Trak­tionskontrolle im Dauerfeuer und das Heck schwänzelt leicht hin und her, aber hängen geblieben sind wir nie.

Bei der Ladeleistung zeigte der ID.4 keine Schwächen. An der heimatlichen Wallbox mit Typ-2-Stecker und Wechselstrom konnte immer und konstant mit 11 Kilowatt Leistung geladen werden, egal wie kalt oder voll der Akku war. Beim Schnellladen CCS mit Gleichstrom startet das SUV – wenn es Temperaturen und Akkustand zulassen – mit knapp über 125 kW, um dann ab 30 Prozent Akkustand kontinuierlich die Leistung zurückzunehmen. Bei 80 Prozent verzeichneten wir noch eine Leistungsaufnahme von 67 ­Kilowatt.

Grosses Thema bei E-Autos ist auch immer: Wie lange hält der Akku?

Dazu haben wir nach einem Jahr den SOH-Wert ("State of Health") mittels des Aviloo-Batterietests genau analysiert. Der gibt Auskunft, wie viel Kapazität der Akku (und damit das Auto an Reichweite) im Vergleich zum Neuzustand noch hat. Beim ID.4 ist die Kapazität im Laufe des Jahres um zwei Prozent gefallen. Wenn man berücksichtigt, dass die Kapazitätsabnahme besonders am Anfang höher ist, braucht man sich diesbezüglich beim Dauertest-Auto keine Sorgen zu machen.

Den Aviloo-Batterietest können ÖAMTC-Mitglieder übrigens an vielen Stützpunkten in ganz Österreich durchführen. Hier gibt es alle Informationen dazu.

Einige Eigenheiten des VW ID.4 ­haben aber auch genervt. So sind etwa die berührungsensitiven Schieberegler unter dem Hauptbildschirm für Temperatur und Entertainment-Lautstärke nicht beleuchtet. Unter Schwierigkeiten findet man die richtige Einstellung auch nachts, aber es lenkt ab. Hier wurde an der falschen Stelle gespart.

Die vorderen Parksensoren meldeten sich immer wieder mit grundlosem "Phantom-Piepsen" – etwa an einer roten Ampel. Weit und breit kein Hindernis. Der Grund für den nervenden Fehlalarm war ein profaner: Die österreichische Kennzeichenhalterung war einfach zu dick und irritierte die knapp danebenliegenden Sensoren. Abmontiert, das Kennzeichen mit gutem Klettband befestigt – und Ruhe war.

Ärger bereitete auch die Software des ID.4: Immer wieder sorgten Fehlermeldungen und Ausfälle der verschiedenen Assistenzsysteme für Ärger, einige Male blieb der Hauptbildschirm sogar für längere Zeit schwarz. Das Update auf Version 3.0, das hier Abhilfe hätte schaffen können, erreichte uns vor Abschluss des Dauertests leider nicht mehr.

Manch unverständliche Dinge könnten über die Software behoben werden. So hat der VW – wie bei fast allen E-Autos – verschiedene Fahr-Modi: "Eco", "Komfort", "Sport". Um eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen, schaltet man auf "Eco" – so weit, so klar. Unterbricht man eine Fahrt oder startet man am nächsten Tag wieder, zeigt der ID.4 weiterhin den Modus "Eco" an – ist aber im Modus "Normal". Erst ein Umschalten auf einen anderen Fahrmodus und dann wieder auf "Eco" aktiviert den Reichweitenmodus wirklich.

Ebenfalls nicht nachvollziehbar: Der ID.4 hat einen "Lane Assist", der beim Verlassen der Spur eingreift. Und darüber hinaus einen "Travel Assist", der wirklich bis zu einem gewissen Kurvenradius lenkt. Aktiviert man den "Travel Assist" mit der entsprechenden Taste bei aktiviertem Tempomat und will diesen nach einer gewissen Zeit mit Druck auf die Taste wieder ausschalten (weil zum Beispiel die Kurvenradien zu eng werden), geht das nicht – man muss den Tempomat deaktivieren. Und wieder einschalten. Bitte, wieso das?

Unser Fazit nach einem Jahr und 20.000 Kilometer: Der VW ID.4 ist ein tolles Fahrzeug, bietet tollen Komfort und viel Platz. Gleichzeitig zeigt er, dass auch ein Welt-Konzern wie Volkswagen nicht so einfach auf E-Mobilität umschalten kann. Vor allem im Bereich der Software ist es schwierig, auf die Schnelle eine rundum funktionierendes System auf die Beine zu stellen. Gleichzeitig soll die Volkswagen-Gruppe zu einem "softwaregetriebenen Technologiekonzern" umgebaut werden, wie vergangenes Jahr der damalige Vorststandsvorsitzende Herbert Diess bekräftigte. Fürwahr eine Herausforderung, wie wir im Alltag mit dem ID.4 erfahren haben.

VW ID4 Dauertest_er015_CMS.jpg Erich Reismann
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