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© Heinz Henninger
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Juli 2018

Horch, Audi!

Audis Wiege steht – in Sachsen! Im Zwickauer August-Horch-Museum erfährt man die Bedeutung der vier Ringe, warum der Markenname aus einer Not heraus entstand und was der Trabi mit all dem zu tun hat. 

Audi – diese Marke kennt heute jeder. Und fast jeder verbindet sie mit dem oberbayrischen Ingolstadt. Dabei haben die Autos mit den markanten vier Ringen am Kühler ihre Wurzeln anderswo, nämlich im sächsischen Zwickau. Obwohl der Mann, der hinter der Gründung des Unternehmens stand, seine erste Autofabrik ganz woanders gründete.

Dass er zeitlebens nie einen Führerschein besaß, macht die Geschichte, auf deren Spurensuche wir uns im August-Horch-Museum begeben, zur spannenden Story. Aber blenden wir doch kurz einmal 150 Jahre zurück.

Am 12. Oktober 1868 wird August Horch im rheinland-pfälzischen Winningen geboren. Er erlernt das Schmiedehandwerk, studiert danach Maschinenbau, gründet 1899 sein erstes Unternehmen in Köln, erfindet den "stoßfreien Motor", baut 1900 sein erstes Auto, drei Jahre später das erste deutsche mit Vierzylindermotor, findet einen Großinvestor, gibt sich mit einer kleinen Kapitalbeteiligung zufrieden, übersiedelt nach Sachsen und baut schnelle Sechszylinder.

Als die Rennerfolge ausbleiben, verlässt er nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Aufsichtsrat das von ihm gegründete Unternehmen Horch & Cie. Die Folge: Er gründet 1909 mit einem befreundeten Investor ein neues Unternehmen in Sichtweite des alten. In den noch erhaltenen Gebäuden befindet sich seit 2004 das August-Horch-Museum. 

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1 1906: August Horch lehnt rechts an seinem Fahrzeug – Führerschein besaß er ja keinen. © Audi AG

2 Horchs Zwickauer Villa als Audi-Direktor, erbaut 1912. © Heinz Henninger

3 Reste des Zwickauer-Audi-Werks, heute Museum. © Heinz Henninger

Die Freude am neuen Unternehmen währt nur kurz: Es kommt zu einem Rechtsstreit um den Markennamen mit der "alten" Firma Horch, den er verliert. August Horch muss Werk und Autos umbenennen. Aber wie?

Die Lösung findet ein Gymnasiast, der Sohn seines Investor-Freundes Franz Finkentscher. Seine Idee: Weil "Horch" ja so etwas wie der Imperativ des Zeitworts "hören" ist, übersetzt er ihn ins Lateinische: "audi".

Es ist quasi die Geburtsstunde der Marke. Wir schreiben den 25. April 1910, als die "Audi Automobilwerke mbH" ins Firmenregister eingetragen werden.

Audi also. Für seine neue Marke setzte August Horch auf drei Dinge, die den Verkauf ankurbeln sollten: Popularität durch Erfolge im Motorsport, eine straff geführte Verkaufsorganisation und rationellere Fertigung.

Die ersten großen Sporterfolge gab es in den Jahren 1911, 1912 und 1913 mit dem Audi C 14/35 PS beim damals härtesten Bewerb, der Internationalen Österreichischen Alpenfahrt. Der offene Tourenwagen (der gelbe im zweiten Foto oben), der deswegen mit dem Beinamen "Alpensieger" verkauft wurde, leistete in seiner Sportausführung 40 PS und war über Jahre das meistverkaufte Audi-Modell. Heute ist es einer der großen Stars des Museums, dessen Exponate anders inszeniert sind als in den meisten Automuseen der Welt.

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Nach dem Ersten Weltkrieg setzen sich die Audis stärker von jenen Autos ab, die den Namen Horch tragen. August Horch ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr operativ an Bord, er tritt 1920 aus dem Vorstand aus, wechselt in den Aufsichtsrat und verlässt Zwickau.

1921 bringt Audi das erste Auto mit Linkslenkung auf den Markt  – noch zwei Jahre später hatten drei Viertel aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw (trotz Rechtsverkehrs seit 1910!) das Lenkrad auf der rechten Seite.

1923 entstehen Motorblöcke aus gegossenem Leichtmetall und Sechszylindermotoren mit abnehmbaren Zylinderköpfen, in den Jahren darauf oben liegende Nockenwellen und die erste mechanische Vierradbremse mit hydraulischem Bremsausgleich. Trotz alldem reicht der technische Vorsprung nicht aus, um den kommerziellen Erfolg abzusichern – dazu ist die Kapitalausstattung einfach zu gering. 1928 übernimmt Jørgen Skafte Rasmussen, der Gründer von DKW (stand ursprünglich für Dampfkraftwagen) das angeschlagene Unternehmen. 

Horch spezialisiert sich nach dem Ersten Weltkrieg auf eine frühe Form der Fließbandfertigung, die es erlaubt, pro Tag bis zu zehn Autos zu produzieren, und auf großvolumige Motoren. Macht 1926 mit dem ersten in Serie gefertigten Achtzylinder Furore und positioniert sich damit eindeutig als Nobelmarke. Zwei Vertreter dieser Spezies, ein brauner Horch 375 (3,5 Liter Hubraum, 80 PS) und ein ein schwarzer 500 (5 Liter, 100 PS) aus den Jahren 1929 bzw. 1930, sind im August-Horch-Museum an einer nachgebauten Tankstelle zu sehen.

Horch – die Premium-Marke

Die High Society (in den 1920ern sagt man im deutschsprachigen Raum noch Haute volée) liebt die Autos von Horch, sieht sie als Statussymbol. Man zeigt sich in und mit ihnen. Ein Horch braucht nicht auf Erfolge im Motorsport oder technische Avantgarde zu verweisen, zum Luxus, den er bietet, gehört auch die leise Geschmeidigkeit der großvolumigen Motoren. So ein Horch passt perfekt vors Grand Hotel – und nicht auf Alpenstraßen oder gar Rennstrecken. 

Frühzeitig erkennt man bei Horch aber auch, dass Premium-Qualität auch mehr Qualität bei der Fertigung aller Teile voraussetzt. Die Produktionsplanung setzt auf Materialprüfungen aller zugelieferten Teile beim Eintreffen im Werk, ein beinhartes Qualitätsmanagement mit Tausendstel-Millimeter-Toleranzen und einstündige Probeläufe aller Motoren unter allen Belastungszuständen vor ihrem Einbau ins Auto.

Wie es zu den vier Ringen kam

Die weltweit einsetzende Massenproduktion von Automobilen, die Konzentration durch Fusionen (etwa Daimler und Benz 1926) und Übernahmen (z.B. General Motors und Opel 1929) von Autoherstellern sowie die beginnende Weltwirtschaftskrise fordert ihren Tribut: Nur noch große Konzerne haben die Chance zum wirtschaftlichen Überleben, weil nur sie die notwendige Rationalisierung der Fertigung stemmen können – aus den Gewinnen lässt sich das nicht mehr machen. Die Sächsische Staatsbank, Haupt-Kreditgeber für die Motorrad- und Kleinwagenwerke Rasmussen (DKW) und ihre kürzlich erworbene Tochter Audi sowie für die in finanzielle Schieflage geratenen Horch-Werke, befürchtet, um ihr Geld umzufallen. Da haben Rasmussen und Richard Bruhn, der Vertrauensmann der Bank im DKW-Vorstand, einen Plan: Die drei Hersteller sollen verschmolzen werden, und das Automobilwerk von Wanderer in Chemnitz gleich mit dazu.

Der Plan geht auf. Mit einer Staatsbank-Beteiligung von zuerst 75 (und später bis zu 90) Prozent entsteht ein Autokonzern namens "Auto Union", der zweitgrößte nach Opel/GM in Deutschland, eigentlich ein Staatskonzern. Die Auto Union bietet vier Marken an, die durch vier ineinander verschlungene Ringe symbolisiert werden: Audi, DKW, Horch und Wanderer.

Die 1930er-Jahre sind für die Auto Union geprägt von einer Rationalisierung in der Produktion der Fahrzeuge, von noch heute zeitgemäß wirkenden Vertriebs-Maßnahmen wie professionellen Schauräumen (neben hunderten Händlerbetrieben auch sieben selbst betriebene Filialen, in denen alle Konzernmarken zu haben sind), nach Zielgruppen ausgerichteten Produktstrategien und dem Beginn der Motorisierung größerer Bevölkerungsschichten.

Zudem widmete man sich stark dem Schaffen einer eigenen Firmenidentität: Die vier Marken sollten einerseits ein eigenes, unverwechselbares Markenprofil zeigen, andererseits sollte aber doch jedes Fahrzeug als Produkt der Auto Union erkennbar sein. Technisch debütiert der Frontantrieb – in einem DKW. All dem wird auch im August-Horch-Museum Rechnung getragen. Viele Exponate sind dabei in einer realistisch nachgebauten Straße ausgestellt.

Einschub: Das Auto wird zum Propaganda-Vehikel

Heute ist längst erwiesen, dass der Autobahnbau in Deutschland keine Erfindung des Nazi-Regimes war, obwohl er von den 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten stets so verkauft wurde. Die neuen Machthaber hatten sich Massen-Motorisierung für alle auf ihre Fahnen geschrieben, und auf den "Straßen des Führers", deren Bau zuerst einmal Arbeitsplätze für frühere Arbeitslose suggerieren sollte, sollten eines Tages Volksgenossen in ihren Volkswagen unterwegs sein.

Auch für die Auto Union war das Projekt von Interesse. Man erwog, den Stromer, ein Produkt des DKW-eigenen Zulieferers Framo (Foto in der Bildergalerie oben) anzubieten, der als einziges Produkt des Konzerns die vom Regime geforderte 1.000-Mark-Grenze unterbieten konnte, weil er konsequent auf Materialeinsparung getrimmt war. Vorne ein mit 200 cm3 und 6 PS minimal motorisierter Frontantriebs-DKW, hinten ein einziges Rad, sogar den Auspuff ersparte man sich, weil die Abgase durch den Leiterrahmen abgeleitet wurden. Zu fahren wäre das steuerfreie 320-kg-Gefährt sogar, wie anfangs von Reichskanzler Hitler gefordert, ohne Führerschein gewesen. Doch die Reichsführung wollte ein "richtiges" Auto – das keiner der etablierten Produzenten zum geforderten Preis liefern konnte – und so nahm die Konstruktion eines eigenen Volkswagens (unter Federführung von Ferdinand Porsche) ihren Weg.

Zur kollektiven Auto-Begeisterung der Zeit passte natürlich auch der Motorsport. Der war ein großes Thema für die Auto Union. Sie erwarb 1933 einen Entwurf von Ferdinand Porsche für die neue 750-kg-Formel (ohne Fahrer, Öl und Wasser an Bord durfte das Fahrzeug nicht schwerer sein), also die Grand-Prix-Rennwagen der Dreißiger. Eigentliches Ziel für den sächsischen Autokonzern war es aber, die Dachmarke populär zu machen und die technische Kompetenz der Auto-Union-Marken zu demonstrieren. 1934 war der Rennwagen, Silberpfeil genannt, fertig. Bis 1937 hatte er an 63 Rennen teilgenommen, 31 davon gewann er, 18 Weltrekorde waren ihm zu verdanken. Viele Fahrer sind heute noch Legenden: Hans Stuck (sen.), Tazio Nuvolari, vor allem aber Bernd Rosemeyer.

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Renntransporter der Auto Union.
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Silberpfeile der Auto Union im Horch-Museum.
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Stromlinien-Renner von Wanderer für die Fernfahrt Lüttich–Rom–Lüttich.

Götterdämmerung

Nazi-Deutschland plant den Krieg schon lange vor 1938. Kriegswichtige Materialien werden rationiert und verschwinden aus dem Autobau – zum Beispiel Chrom. Ab Mitte der 1930er-Jahre beginnen bei Horch Entwicklung und Produktion geländegängiger Spezialfahrzeuge für die Wehrmacht. Leichte Lastwagen mit Kettenantrieb und lenkbaren Vorderrädern, Panzerspähwagen und Kommandanten-Fahrzeuge. Drei Jahre bevor diese Fahrzeuge von Feldmarschall Rommels Truppen im Wüstenkrieg eingesetzt werden, stirbt der wegen seiner Rennerfolge zum SS-Hauptsturmführer beförderte Bernd Rosemeyer am 28. Jänner 1938 bei einem Weltrekordversuch mit einem Auto-Union-Boliden auf der Autobahn A5. Kurz bevor eine Windböe das Auto erfasste, hatte er noch knapp 430 km/h erreicht. Zu wenig für einen neuen Weltrekord.

Die Pkw-Produktion läuft noch auf Sparflamme bis 1943 weiter, die jüdischen Mitarbeiter sind längst weg, bei der Auto Union sind Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge am Werk, die in einem von Stacheldraht umzäunten Lager untergebracht wird, das dem heutigen August-Horch-Museum gegenüber lag. Wie schnell alles geht: Vom dem die Massen faszinierenden Glamour bis zum Untergang in wenigen Jahren...

Neubeginn im geteilten Deutschland

Das Horch-Werk in Zwickau ist kaum zerstört, alle Fertigungsanlagen müssen in die UdSSR verbracht werden. Bald entstehen in den Hallen Kochtöpfe, Gasherde der Marke Horch und die ersten Autos – Tretautos! 1946 werden auf Auftrag der sowjetischen Besatzungsmacht aus Teile-Restbeständen drei Modelle des für einen Produktionsstart 1940 geplanten Stromlinien-Topmodells Horch 930 S (besonderes Kennzeichen: ein herausklappbares Waschbecken mit Hähnen für Kalt- und Warmwasser) für Repräsentationszwecke gebaut. 1948 wird die Auto Union AG aus dem Handelsregister gelöscht (und in West-Deutschland 1949 als Auto Union GmbH mit Sitz in Ingolstadt von ehemaligen Top-Managern des Unternehmens neu gegründet).

Auch in Ingolstadt entsteht ein noch ein Horch 930 – als Einzelstück in Handarbeit für Richard Bruhn, den Geschäftsführer der dortigen Auto Union. Bruhn war seit 1932 Vorstandsvorsitzender der "alten" Auto Union in Zwickau und ging, als es klar wurde, dass das Land Sachsen zur sowjetischen Besatzungszone kommen wird, mit vielen Kollegen in den Westen. Der letzte Horch 930 unterscheidet sich durch seine völlig veränderte Front, die eindeutig dem damaligen Zeitgeist angepasst war. Als Bruhn endgültig abtritt, wird das Auto an einen US-Soldaten verkauft, der es mit nach Hause nimmt. Heute ist es, längst verschollen geglaubt aber durch Zufall wiederentdeckt, im Audi-Werksmuseum Ingolstadt ausgestellt. Nach der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Auto Union distanzierte sich die Audi AG von Bruhn, und auch die nach ihm benannte Straße in Ingolstadt wurde vor einigen Jahren umbenannt.

In Zwickau entstehen inzwischen in einem verstaatlichten "volkseigenen Betrieb" kleine Lastautos und IFA-Pionier-Traktoren. Aber auch ein Traum gedeiht: der Bau von Luxusautos. Zwar entsteht ein Prototyp, aber die Umsetzung in eine Serienproduktion scheitert aus Geldmangel. Stattdessen läuft die Produktion des IFA F9 an, eines Zweitakters, der ab 1936 vom Zentralen Konstruktionsbüro der Auto Union als DKW entwickelt, aber wegen des Krieges (so wie der große Stromlinien-Horch) nie produziert wurde. Und auch der bereits antiquierte F8 wird bis 1956 weitergebaut.

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Waschbecken am Horch 930 S, der 1946 aus Restbeständen für den sowjetischen Major Seworjanz gebaut wurde.
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Neuanfang in Zwickau 1949 mit dem IFA-DKW F9.
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Den F9 war auch als schickes Cabrio zu haben – für die Nomenklatura der jungen DDR.

Während in Zwickau der F9 in geringen Stückzahlen produziert wird, entsteht in Ingolstadt der DKW F89 – nach den gleichen Plänen, die die dorthin übersiedelten Manager mitgebracht hatten. Und pikanterweise anfangs sogar mit aus Zwickau angelieferten Fahrgestellen.

1953 entscheidet der DDR-Ministerrat, dass wieder an die große Horch-Tradition angeschlossen werden soll. 1954 werden dem SED-Generalsekretär Walter Ulbricht die ersten Prototypen des Horch P240 gezeigt – sie tragen auf der Motorhaube und den Radkappen noch das Horch-Emblem, das große H. Als das Auto zwei Jahre später in Serie geht, ist es wieder verschwunden. Stattdessen heißt das gefällig designte 80 PS starke 2,4-Liter-Auto nun Sachsenring P240. Zwei Jahre lang wird es in geringen Stückzahlen gebaut, 1.342 Exemplare, darunter sechs Kombis für das Staatsfernsehen und zwei Cabrios. Dann werden die Produktionskapazitäten für ein Kleinwagen-Projekt benötigt – das eine viel längere Karriere haben sollte, die zeitgleich mit der DDR zu Ende geht.

Go Trabi Go!

1954 trifft wieder ein Ministerrats-Beschluss in Zwickau ein: Ein Kleinwagen soll die DDR-Bevölkerung zu Autobesitzern machen. Vier Sitze (offiziell: "2 Hauptsitze vorne, 2 Nebensitze hinten") 500-Kubikzentimeter-Motor, 600 kg Maximalgewicht und ein Verbrauch von 5,5 l/100 km – das alles zum Preis von 4.000 Mark. Die ersten Prototypen heißen P50 und werden rasch wieder verworfen. Aus ihnen wird der P70 entwickelt, der erste Kleinwagen der Welt mit Kunststoff-Karosserie. Der Kunststoff besteht aus Phenolharz, das mit Baumwollfasern (Abfällen aus der Textilindustrie) verstärkt und in beheizten Formschalen zu Karosserieteilen herausgebacken wird. Experten sind sich einig: Der P70 ist genau auf der Höhe seiner Zeit, bis 1959 entstehen 36.000 Exemplare. Aber eines ist der P70 nicht: der DDR-Volkswagen.

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P50: der Prototyp für den späteren Trabant.
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P70: Auf dem Fahrwerk des Vorkriegs-F8 entsteht u.a. dieses zeitgeistige Coupé mit Duroplast-Karosserie.
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Das Ziel ist der Trabant. Der Name steht für den ersten künstlichen Erdtrabanten Sputnik, den die Sowjets ins All schießen.

Der P50 wird parallel zur P70-Produktion weiterentwickelt. Der Radstand wird verlängert, das soll Platz für die Rücksitz-Passagiere schaffen. Eine selbsttragende Karosserie und Einzelradaufhängung sollen den Kleinwagen zukunftssicher machen. Der Name soll weniger technokratisch und mehr zeitgeistig klingen, ein Mitarbeiter-Wettbewerb bringt rasch das Ergebnis: Trabant. Es ist die Zeit, in der der Weltraum erobert werden will, und die DDR-Schutzmacht Sowjetunion ist dabei zu Anfang erfolgreicher als ihr Gegenspieler USA.

Der Trabant feiert 1958 auf der Leipziger Messe seine Premiere. Sein 494-cm3-Zweitakter liefert 18 PS, das Auto besitzt ein vollsynchronisiertes Viergang-Getriebe (Lenkradschaltung), wiegt 620 kg und schafft 90 km/h. Nach 131.000 Exemplaren bekommt das Auto 1963 einen (hubraum-)stärkeren Motor (595 cm3, 23 PS), bis 1964 nach weiteren 196.000 Trabants ein auch optisch erneuerter Nachfolger präsentiert wird, der Trabant 601.

Der 601 wurde zum Bestseller – weil er das günstigste Auto in der DDR war und es kaum Konkurrenz gab, weil der Markt abgeschottet war und die Bevölkerung (bis auf Menschen mit West-Verwandten) keinen Zugang zu Devisen hatte, die für einen Kauf im Ausland nötig gewesen wären. Wer einen Trabant zugeteilt bekam, konnte sich glücklich schätzen, ohne Beziehungen musste man bis zu 15 Jahren auf eine Zuteilung warten. Deshalb etablierte sich auch bald ein Schwarzmarkt, auf dem gebrauchte Trabis (und ihre Ersatzteile!) um ein Vielfaches des Neupreises zu haben waren.

Wer spendable Verwandte in der Bundesrepublik besaß, war fein heraus: Diese konnten einen Trabant aus einem speziellen Katalog ("Genex") für ihre DDR-Angehörigen bestellen und in (westdeutschen) D-Mark bezahlen, das Auto wurde dann umgehend ausgeliefert. Die Staatssicherheit (Stasi) freute sich, kam sie doch bequem an die Daten von DDR-Bürgern mit Westkontakten oder sogar an mit Spionage-Angeboten erpressbare Bundesdeutsche heran.

Mitte der 1980er-Jahre schloss die DDR mit Volkswagen einen Vertrag, der die Verlagerung einer ausrangierten Motoren-Produktionslinie nach Sachsen zum Inhalt hatte. In einem eigens errichteten Werk im Zwickauer Ortsteil Mosel liefen. Zum Mauerfall Ende 1989 begann der Serienlauf eines Trabant 1.1 mit Viertaktmotor, neuem Fahrwerk, Scheibenbremsen – aber der alten Karosserie. "Ein großer Fehler war, kein wirklich neues Fahrzeug zu präsentieren, sondern das neue Herz in die alte Mumie zu transplantieren", sagt Thomas Müller, der damals mit dabei war und heute für das August-Horch-Museum arbeitet.

Kurz darauf wurde die Einfuhr von West-Autos erlaubt, und niemand wollte den DDR-Volkswagen mehr fahren. Er war einfach nicht mehr zeitgemäß – und trotz Subvention mit 20.000 DDR-Mark auch viel zu teuer. Nach der Währungsunion kam bald das endgültige Aus. Die Verantwortlichen in der Politik hatten es verabsäumt, den DDR-Volkswagen attraktiv zu halten – an den Konstrukteuren in Zwickau lag es definitiv nicht. Sie erprobten Diesel- und sogar Wankelmotoren für den Trabi, bauten Prototypen mit größerer Länge und vier Türen, Modelle mit Fließheck und mit Heckklappe, doch nichts von all dem wurde von der Planungsbehörde genehmigt. Vieles davon ist jedoch im August-Horch-Museum zu sehen.

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1 1961: Die erste Weiterentwicklung, der Trabant P100, größer und mit 50 PS fast doppelt so stark. © Heinz Henninger

2 1979: P610, ein 1100er-Modell mit 45 PS starkem Skoda-Motor, geplant als Nachfolger für den Trabant und den größeren Wartburg. © Heinz Henninger

3 1982: P601 WE II, als Trabant-Nachfolger geplant – aber wie alle Entwürfe nicht genehmigt. © Heinz Henninger

Das Ende des Trabant ist aber nicht das Ende des Automobilbaus in Zwickau. Parallel zur letzten Trabi-Baureihe lief bereits der VW Polo vom Band, VW zog in den Jahren danach zwei neue Werke im Norden der Stadt hoch und baut dort zur Zeit Golf, Golf Variant und Passat sowie Karosserien für Bentley Bentayga und Lamborghini Urus.

Was wohl die Größen der DDR-Volksarmee dazu gesagt hatten, die das Land ja mit militärischer Gewalt gegenüber dem Klassenfeind abschotteten? Auch mit Produkten aus dem Werk, das einst August Horch begründete? Wenn sie in Ost-Berlin ihre großen Paraden abhielten, fuhren sie ihren im Stechschritt marschierenden Soldaten stets im Schritttempo voraus – im letzten Horch, wahrscheinlich ohne dies zu wissen.

Dabei handelt es sich um eine Kleinserie von fünf viertürigen Cabriolets, die auf dem "letzten Horch", dem Sachsenring P240 (siehe weiter oben) basierten und in Dresden mit einer Spezialkarosserie versehen wurden. Auch ein spezielles Getriebe für ruckfreies Gleiten wurde eingebaut. Anlass für ihren Aufbau war die 20-Jahre-Jubiläumsfeier der DDR am 9. Oktober 1969 – 20 Jahre später wurde das Ende des Arbeiter- und Bauernstaates eingeläutet. 

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