— Muss man auf E-Autos eigentlich länger warten?
wolfgang wurm:Ja, aber auch wegen der hohen Nachfrage, die aktuell deutlich größer ist als die zur Verfügung stehenden Produktionskapazitäten. Zudem werden viel mehr Chips und Kabel benötigt – beides Mangelware in der aktuellen Situation.
Es wird sich auch vieles weiter verbessern, wenn unsere Produktionsstätten besser auf die E-Mobilität ausgerichtet sind und die geplanten Batteriefabriken in Europa mit der Produktion beginnen.
Und natürlich versucht man ja auch als Learning aus den aktuellen Krisen, Produktionen und Zulieferer zurück nach Europa und damit näher ans Werk zu bringen und sich vielleicht einen zweiten oder dritten Lieferanten zu sichern.
— Wenn man jetzt hört, dass wieder mehr Zulieferer aus Europa eingesetzt werden sollen: Ist das bis jetzt nur ein Vorsatz?
wolfgang wurm:Es ist schon vieles im Laufen, denn wie schon gesagt sind stehende Bänder das schlechteste Szenario überhaupt. Man verliert nicht nur Kunden, auch Arbeitsplätze gehen verloren.
Die Globalisierung ist ja gut gemeint, wurde aber zu einseitig interpretiert. Es ist nicht so, dass wir ganz darauf verzichten können, aber auf zwei Beinen steht sich's besser als auf einem. Das so genannte Single Sourcing, also das Setzen auf einen einzigen Lieferanten, ist vorbei.
Ebenfalls vorbei ist das beinharte Verhandeln um Lieferverträge mit kurzer Laufzeit und ganz niedrigem Preis. Heute ist die Planungssicherheit wieder wichtiger geworden, die Industrie setzt auf längerfristige Verträge. Speziell bei den Halbleitern war das ein Nachteil, weil viele Produzenten ihre Halbleiter an Branchen lieferten, die nicht so preissensibel agierten, etwa für Videokonsolen und Smartphones.
— Muss der potenzielle Kunde jetzt nehmen, was kommt, oder lässt sich das Wunschauto noch frei konfigurieren?
WOLFGANG WURM:Eine freie Konfiguration ist weiterhin möglich, allerdings gibt es aktuell einzelne Mehrausstattungen und Restriktionen, die die Lieferzeit verlängern. Wir hatten etwa Probleme mit dem Blind Spot Sensor, ein Fahrassistent, der Fahrzeuge außerhalb des Sichtfeldes erkennt und davor warnt. In diesem Fall liegt es am Händler, dem Kunden transparent mitzuteilen, dass es länger dauern wird, wenn er dieses Feature ordert, aber auch gleichzeitig darauf hinweist, dass ein nachträglicher Einbau aufgrund der komplexen Verkabelung nicht möglich ist.
Die meisten Kunden fragen dann, wie lange man warten müsste – und diese Frage ist schon wieder die nächste Herausforderung für den Händler. Natürlich ist es schwierig zu kommunizieren, wenn sich die Situation plötzlich ändert, etwa weil Kabelbäume aus China zugekauft wurden. Und sie sich wieder ändert, weil die nun fertigen Kabelbäume Lockdown-bedingt im Hafen von Shanghai liegen. Man muss als Autohändler heute sehr transparent mit seinen Kunden kommunizieren und gut im Krisenmanagement sein.
— Wieviel Prozent der geplanten Produktion sind Sie im Rückstand?
WOLFGANG WURM:Etwa 10 bis 15 Prozent bei Seat. Wir hoffen, dass wir einen Teil bis Jahresende wieder aufholen können.
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