Am 28. Jänner 2023 fällt der damals dreijährige Emil um 11.15 Uhr in den Pool. Es ist kalt an diesem Samstagvormittag und es liegt etwas Schnee – für diese Jahreszeit nichts Außergewöhnliches. Der Garten, ein Paradies für Kinder. Emil spielt mit seinen Geschwistern und Nachbarskindern im Freien: Sie toben im Garten herum, bewerfen einander mit Schneebällen und versuchen, einen Schneemann zu bauen. Doch der liegen gebliebene Schnee ist noch zu fein. Die Kinder werden hungrig und gehen zum Mittagessen ins Haus. "Emil ist noch kurz draußen geblieben, das war nichts Ungewöhnliches", erzählt sein Vater Hannes. "Da er aber nicht nachgekommen ist, sind wir rausgelaufen und haben ihn gesucht." Die allerschlimmste Befürchtung wird wahr: "Wir haben ihn im Pool treibend vorgefunden."
Wunder geschehen
Eine Kinderschar spielt im Garten. Doch ein Kind kommt nicht zurück – Emil treibt regungslos im fast ausgelassenen Pool. Eine Lebensrettung mit Hindernissen nimmt ihren Lauf.
Emil lag im nicht ganz ausgelassenen Pool
Der Pool ist bereits abgelassen, bis auf ein paar Zentimeter Wasser, genug, damit sich die Winterkleidung vollsaugt. Der Bub treibt regungslos im Becken. "Emil hätte ohne Probleme in dem seichten Wasser stehen können, aber er ist durch die mit Wasser vollgesaugten Winterstiefel und die Daunenjacke immer wieder aufgetrieben, wie eine Luftmatratze", schildert der Vater, der von Beruf Kinderarzt ist, den schrecklichen Vorfall. Sofort beginnt er mit der Wiederbelebung.
Zeitgleich verständigt seine Frau die Rettung. Wenige Minuten später ist diese da und der Notarzt Dr. Albert Reiter vom Roten Kreuz Ybbs übernimmt die Reanimation, intubiert den Dreijährigen. Auch Christophorus 15 der ÖAMTC Flugrettung ist unterwegs.
"Ich habe mit dem Hannes gemeinsam im Krankenhaus gearbeitet und ich kenne die Eltern auch privat. Daher war es emotional belastend für mich, aus dem Hubschrauber auszusteigen", berichtet Max Schmidt, C15-Notarzt. "Ich habe gesehen, wie der Vater das Kind reanimiert, und ihn gefragt, ob es seines ist. Er hat nur genickt." Die beiden Notärzte sprechen sich ab, beginnen mit der medizinischen Übergabe: Was wurde bereits gemacht? Wann wurde das Kind zum letzten Mal lebendig gesehen? Was ist als Nächstes zu tun? Max Schmidt macht einen Herz-Ultraschall. Das Herz schlägt. "Zwar sehr langsam, aber es schlägt", erinnert sich Schmidt. Pilot Oliver Stastny bekommt die Anweisung, einen Kinderschockraum mit ECMO-Bereitschaft zu reservieren – entweder in Wien oder im Kepler Universitätsklinikum Linz.
"Mein Sohn war total unterkühlt. Seine Körpertemperatur betrug nur noch 25 Grad. Das war gut, denn so benötigte er weniger Sauerstoff", erklärt der Vater. Die Zusage für den ECMO-Schockraum im Kepler Universitätsklinikum Linz ist da. Es kann losgehen. "Der Familienvater hat mich gefragt, ob er mitfliegen kann", erinnert sich Max Schmidt. "Ich habe Oliver gefragt, ob es okay wäre, da der Bub ja noch sehr klein und außerdem der Vater ja Arzt sei." Oliver ist einverstanden und der Vater kann mitfliegen. Zwischenzeitlich hat sich das Wetter zusehends verschlechtert. Es hat Minusgrade und schneit.
Die Körpertemperatur des Jungen betrug nur 25 Grad. Das hat ihm das Leben gerettet.
Max Schmidt, Christophorus-Notarzt
Was bedeutet ECMO?
Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), auch Extrakorporale Lungenunterstützung (ECLA), ist ein Verfahren, durch das die Herz- und die Lungenfunktion bei Kindern und Erwachsenen unterstützt bzw. übernommen werden können.
Lebensrettung mit Hindernissen
Der Notarzthubschrauber hebt ab und nimmt Kurs auf Linz. Während des Fluges kontrolliert Max Schmidt ständig, ob die Beatmung des Jungen noch stimmt. Auch die Herzfrequenz und die Sauerstoffsättigung werden überwacht. Plötzlich erscheinen die Werte nur noch unregelmäßig. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. "Wir haben ein medizinisches Problem und müssen landen", ruft der Notarzt dem Piloten zu. Am Boden kann er die Sensoren erneuern und hat schnell wieder alle Werte. Doch das Wetter mach einen Weiterflug unmöglich. "Wir hatten wahnsinniges Pech. Eigentlich sollte es nur eine Zwischenlandung sein", beschreibt Schmidt die Situation. "Die Rotorblätter sind mittlerweile vereist, ein neuerlicher Start wäre zu gefährlich." Oliver Stastny fordert daher einen Rettungstransportwagen (RTW) mit Notfallsanitäter vom Roten Kreuz St. Valentin an: "Wir haben uns entschieden, dass wir einen RTW rufen, der ist schneller verfügbar." Es sind ohnehin zusätzlich zwei Ärzte mit: der Christophorus-Notarzt und Emils Vater. Unter laufender Reanimation wird der Transport ins Kepler Universitätsklinikum Linz fortgesetzt. Dort wird der Bub bereits von einem 20-köpfigen Kinder-Intensivmediziner:innen-Team erwartet.
Emil, ein Kämpfer
Papa Hannes erinnert sich zurück: "Die ersten drei Tage nach dem Unfall waren die schlimmsten. Wir wussten nicht, ob Emil überleben wird." Der Dreijährige ist im Tiefschlaf. Am dritten Tag wird eine Magnetresonanztomographie (MRT) gemacht. Erstes positives Ergebnis: Das Gehirn hat keine Schäden. "Ab diesem Zeitpunkt konnten wir zumindest hoffen, dass alles in Ordnung ist", erzählt Hannes.
Von Tag zu Tag geht es dem Jungen besser. Es geht bergauf. "Zweieinhalb Wochen nach dem Unfall war nichts mehr zu merken! Auch kraftmäßig ging es Emil wieder gut", so der Vater. Keine Schäden. Nichts. Emil ist komplett gesund. "Drei Wochen nach dem Unfall war er wieder ganz der Alte", strahlt Hannes. "Es ist ein Wunder für uns. Nach wie vor sind wir jeden Tag dankbar, dass es so ausgegangen ist." Familie S. hat ihren Emil wieder.
Wir wussten nicht, ob unser Sohn überleben wird. Heute ist Emil komplett gesund. Dafür sind wir jeden Tag dankbar.
Hannes S., Vater von Emil
Kommentare