— Wie hast du "Das Haydn-Pentagramm" geschrieben? Mit der strengen Disziplin eines Thomas Brezina? Mit der auflockernden Glaserl-Wein-Methode eines Sven Regener?
anria reicher: Zu Beginn hat mich richtig die Schreibwut gepackt, ich habe alles niedergeschrieben, was mir eingefallen ist. Irgendwann hatte ich zwar viele tolle Szenen, die aber nicht wirklich ineinandergriffen. Erst ab diesem Zeitpunkt setzte ich mich intensiv mit dem Aufbau auseinander.
Als dann das Manuskript aus meiner Sicht fertig war, habe ich es an Testleser ausgesendet, die mir nichts schuldig waren. Also Leute, die ich kaum oder nicht kannte und die mir wirklich ehrliches Feedback geben konnten. Dann habe ich das Manuskript überarbeitet und es noch einmal ausgeschickt. An andere Testleser. Und so ging das mehrmals hin und her. Ich habe ewig lange daran geschliffen. Ein Satz, der sich sehr leicht liest, wurde manchmal ganz oft herumgeschlichtet, umgeschachtelt, bis er in meinen Augen perfekt war.
In Summe habe ich jedenfalls fast vier Jahre lang geschrieben, immer wieder Pausen gemacht, es ruhen lassen, neu angegriffen. Wenn ich schreibe, dann bin ich in meiner eigenen Welt. Da kann es schon passieren, dass ich beim Essen aufspringe, sage, ich muss nur kurz etwas notieren, und anschließend stundenlang verschollen bin.
— Die größte Herausforderung beim Schreiben des Romans war…?
anria reicher: … die Schilderung der Protagonistin, diese Gratwanderung, sie einerseits als hochbegabte Frau, als Musikerin von Weltklasse zu beschreiben, die andererseits aber eine zutiefst unsichere Persönlichkeit ist, die mit ihren eigenen Dämonen, ihren Ticks und ihrer eigenen Vergangenheit zu kämpfen hat.
— Dein Thriller hat mehrere Schauplätze. Wien und Eisenstadt liegen ja quasi vor der Haustüre, aber wie hast du dir die anderen Orte erarbeitet, z.B. Mexico City?
anria reicher: (lacht) Also in Mexiko und London war ich ehrlich gesagt noch nie, da hat mir das Internet, da hat mir Google viel geholfen. Mein diesbezüglicher Browser-Suchverlauf ist sicherlich sehr interessant. Die anderen Orte habe ich tatsächlich aufgesucht, um das eine oder andere Detail noch wahrheitsgemäß einfließen zu lassen.
— Du arbeitest mit vielen kurzen Sätzen, verlierst dich selten in Details bzw. nur dort, wo sie notwendig sind…
anria reicher: Ja, mein deklariertes Ziel war es, einen "Pageturner" zu schreiben. In meiner Vorstellung setzt man sich in der Früh in U-Bahn, Bus, Bahn oder Bim, nimmt das Buch heraus, beginnt zu lesen, denkt sich "oh nein", weil die Zielstation schneller als erwartet erreicht wurde, und freut sich ab da auf jenen Moment, ab dem man wieder weiterlesen kann. Und am Abend kuschelt man sich daheim vielleicht auch noch ins Bett und liest dort bis vier in der Früh weiter.
— In deinem Buch kommen häufig Symbole vor, ebenso die Freimaurer und Illuminati, es geht um Verschwörungen – woher kommt das Faible für Mystik und Mythologie?
anria reicher: Ich glaube, Menschen interessieren sich grundsätzlich einfach sehr für Verschwörungen, immer schon. Und derzeit natürlich ganz besonders. Verschwörungen bergen Geheimnisse und man kann unkontrolliert selbst so viel hineininterpretieren – dieser Mix und dieser Gestaltungsspielraum sind gewissermaßen Quintessenz und Triebfeder von Verschwörungen.
Ich habe das bei der Recherche ja selbst erlebt. In Haydns Leben gibt es einige ungeklärte Begebenheiten, einige lose Puzzleteile. Die Crux daran ist: Wenn man sich die Erklärungen selbst zurechtlegen kann, was warum so und so ist, lassen sich auch die Teile plötzlich zusammenfügen. Und das macht Spaß. Manches davon hat plötzlich so gut gepasst, und es waren so viele Teile, dass ich irgendwann gar nicht mehr aufhören konnte sie zusammenzusetzen.
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