Gleich in der ersten Woche meines neuen Nebenjobs, der sich – zum Leidwesen meines Studiums – in kürzester Zeit zu einer so nicht geplanten Vollbeschäftigung entwickeln sollte, habe ich Esther kennengelernt.
Sie war schon ein paar Wochen länger bei der Mietwagenfirma, gleich alt wie ich, hatte kurz zuvor die Schule abgebrochen und deshalb ebenso Bedarf an schnell verdientem Geld.
Bis heute fasziniert mich, wie wir so schnell richtig dicke Freunde werden konnten. Immerhin waren wir zwei komplett konträre Typen Mensch: Sie hörte die mir damals so verhasste Rave-Musik, ich stand auf Beatles und Britpop. Ich kam aus dem oberösterreichischen Hügelland, sie war ein Kind der Tiroler Berge.
Aber: Sie hatte das, was ich seit jeher an Menschen über alles schätze – eine ruhige Art samt der Angewohnheit, zuerst zu denken und dann zu reden. Plus diesen seltenen trockenen Humor, den nicht viele verstehen. Sprich: alle Zutaten, die es braucht, um über Jahre hinweg jeden Tag stundenlang gemeinsam in einem Auto zu sitzen, ohne den anderen während der Fahrt am liebsten rausschmeißen zu wollen.
Und genau das – täglich stundenlang Auto zu fahren – taten Esther und ich. Wenn ein bestelltes Fahrzeug etwa zu einem Kunden nach Bregenz geliefert werden musste, schnappten wir uns ein zweites, sogenanntes "Shuttle-Auto" vom Parkplatz der Flughafen-Filiale (meistens eines mit ordentlich Kraft) und fuhren los.
Die Zustellungen waren dabei stets von Zeitnot geprägt, folglich waren wir durchgehend, nun ja, eher flott unterwegs. Bis heute bin ich der Ansicht, dass ich es meinen Jahren in Tirol zu verdanken habe, dass aus mir später ein guter Autofahrer und professioneller Test-Redakteur wurde.
Und Esther? Sie war und ist die Königin des kontrolliert flotten Fahrens. Bis auf meine Kollegen in der auto touring-Redaktion kenne ich niemanden sonst, der so "rund", konzentriert, fehlerlos und mit soviel Überblick hinter dem Lenkrad agiert wie sie. In all den Jahren des forcierten Unterwegsseins damals kann ich mich im Nachhinein an keine einzige brenzlige Situation in ihrer Obhut erinnern.
Die zurückgegebenen Mietwagen mussten natürlich auch geputzt werden – im Fachjargon als "aufbereitet" bezeichnet. Bis zu zehn Autos musste jeder von uns täglich tanken, waschen und saugen – da entwickelt man nach einiger Zeit ein irre schnelles Procedere. Im Falle starker Verschmutzungen (ich erinnere mich an einen schimmeligen Cheeseburger unter dem Beifahrersitz, der nach einer Langzeit-Miete schon mit der Bodentapezierung verwachsen war) durften wir dem Mieter in Eigenregie sogar Strafzahlungen aufbrummen.
Erledigt haben wir die ungeliebte Reinigungsarbeit immer an der selben Tankstelle am Innsbrucker Fürstenweg, nur etwa drei Minuten Fahrzeit von unserer Flughafen-Basis entfernt.
In meinem Papierfoto-Archiv habe ich leider nur ein einziges Bild aus diesen Tagen gefunden. Foto-Handys gab es schließlich noch nicht, und Zeit zum heutigen Instagram-Posieren hatten wir im Arbeitsstress auch nicht.
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