Ende August gewinnt sie souverän ihren dritten Downhill-WM-Titel in Folge (nach Les Gets in Frankreich und Fort William in Schottland nun in Vallnord in Andorra), danach geht es schon weiter zum nächsten Rennen im nächsten Land und dazwischen heißt es: trainieren, trainieren, trainieren. Ob Freizeit oder beim Training, Vali Höll ist stets im Einsatz für ihren Sport. Die derzeitige Nummer eins im Downhill ist bescheiden und demütig, wenn es um ihren Ruhm geht, fühlt sich nicht als Role Model und arbeitet stets daran, den Downhill-Sport bekannter zu machen. Warum die 22-Jährige so höllisch schnell ist, wie sie trainiert und was sie sonst noch interessiert, verrät die Weltmeisterin im Interview.
Großes Risiko, großer Respekt
Mit drei Jahren fährt sie Berge herunter, mit 13 nimmt sie an Wettkämpfen teil, mit 22 hat sie praktisch jeden Wettkampf im Downhill-Mountainbiken gewonnen. Profibikerin Vali Höll ist absolute Weltspitze. Wie das gelingt, erzählt sie uns.
Die Bike-Leidenschaft begann bei dir sehr früh. Wie hast du sie entdeckt?
Vali Höll: Meine Eltern sind immer Biker gewesen, mein Dad war früher sogar Mountainbike-Guide. 2004 sind sie nach Kanada geflogen, wo die ganze Freeride-Szene begonnen hat und es bereits Bikeparks gab. Mein Vater war so geflasht, dass er bei uns daheim im Glemmtal in Salzburg selbst Trails gebaut hat. Im Almgasthof meiner Eltern, der passenderweise Spielberghaus heißt, war bald darauf die ganze Szene auf Urlaub. So habe ich den Sport und viele Athlet:innen kennengelernt, und es hat mir einfach getaugt!
Was macht die Faszination beim Biken aus?
Früher bin ich auch Skirennen gefahren, aber die Bike-Szene ist generell viel entspannter. Natürlich sind wir im Weltcup alle Profis, es geht um etwas, jeder ist sehr ehrgeizig. Aber es ist eine Sportart, die man miteinander teilen kann. Es gibt viele Möglichkeiten, mit Freunden unterwegs zu sein. Dabei haben wir eine gute Zeit, viel Spaß und pushen uns gegenseitig.
Ist das dann ein klassisches Training?
Nein, wir fahren zum Beispiel Enduro, treten also irgendwo hoch und fahren wieder runter. Da sind wir zwei Stunden unterwegs und powern uns aus. Ich fahre auch gerne Rennrad, da ist meine Mum mein Buddy. Biken muss also nicht immer am Trail passieren und bergab gehen. Ich mag alles, was zwei Radeln hat.
Wirklich alles?
Fast, nur Tandem nicht, das wäre nicht meins. Wenn, dann müsste ich vorne sitzen.
Mutig müsste ich sein, wenn ich nicht hundertprozentig sicher wäre.
Hartes Training
Wie oft trainierst du pro Woche?
Sechs Mal.
Und einen Tag machst du gar nichts?
Ich probiere es (lacht).
Wie schaut dein Training aus?
In unserer Sportart kann das Training sehr variierend sein. Wir gehen natürlich ins Fitnessstudio und müssen auch Grundlagentraining machen. Das heißt, Rennrad fahren oder treten, Intervalltraining auf dem Bike oder dem Rennrad machen. Und natürlich Downhill oder Motocross fahren. Alles, was mit Speed zu tun hat, ist sehr hilfreich.
Nachdem du schon so früh im Profisport angefangen hast, wie haben deine Mitschüler:innen reagiert?
Früher habe ich dauernd gehört: "Jetzt fliegst du schon wieder auf Urlaub." Ich habe immer geantwortet: "Nein, ich fliege ins Trainingslager, ich mache ja was!" Während andere in den Sommerferien gearbeitet haben, um Geld zu verdienen, habe ich trainiert, aber schon mehr verdient als die meisten. Ich glaube nicht, dass andere im Alter von 16 oder 17 schon die eigene Buchhaltung machen mussten. Ich habe das gemacht und musste bereits sehr früh darauf achten, was ich verdiene, um zu sehen: "O. k., es kann funktionieren." Und glücklicherweise hat sich das auch jedes Jahr finanziell verbessert.
Fährst du eigentlich auch Motorrad?
Ja (grinst). Ich bin am Berg aufgewachsen und das war ein riesengroßer Spielplatz für mich. Mit drei Jahren habe ich schon mein erstes Moped bekommen. Nachdem ich das einzige Mädel in der Klasse war, waren alle meine Freunde Jungs. Ich wollte das Gleiche wie sie machen. Das bedeutete: viel Trail und Motocross zu fahren. Wenn du in einer Umgebung aufwächst, wo nur Jungs sind, dann musst du mitziehen, sonst hast du keine Freunde (lacht).
Das ganze Jahr auf Achse
In Australien bist du im Enduro-Weltcup mitgefahren. Warum hast du dich in dieser Kategorie versucht?
Das war nur ein Vorbereitungsrennen, da daheim die Downhill-Saison später angefangen hat. Es war megacool, zudem ist Enduro für uns Downhill-Biker:innen ein sehr gutes Trainings-Tool. Du hast die technischen Bergab-Passagen dabei, aber du musst selbst rauftreten, und es ist ein riesiger Push für die Fitness. Ich fahre nämlich auch wirklich gerne bergauf.
Wie oft bist du eigentlich im Jahr unterwegs?
Sehr oft. Dabei spielen die Rennen eher eine kleinere Rolle, die meiste Zeit bin ich fürs Training unterwegs. Wir sind den ganzen Winter über in Ländern, in denen kein Schnee liegt. Deswegen sind wir auch schon von Dezember an weg. Ich glaube, die einzige Zeit, in der ich wirklich daheim bin, ist der November. Denn wir fahren bis Oktober noch Rennen. Und dann geht es schon wieder los, dass wir irgendwelche Trips planen. Wir sind eigentlich überall: in Neuseeland, Australien, USA und natürlich auch Europa.
Bist du zu Weihnachten zu Hause?
(lacht) Ja, darauf besteht meine Mama.
Das viele Unterwegssein ist aber sicher extrem anstrengend?
Ja, aber ich bin jung und kann das machen. Ich habe noch die Motivation. Aber auch ich merke schon, dass es teilweise ein bisschen zu hart war.
Reist du überhaupt noch privat?
Ich versuche, so oft es geht eher daheimzubleiben. Ich bin vor anderthalb Jahren nach Innsbruck gezogen und fast nie in meiner Wohnung. Aber trotzdem ist es mir einfach wichtig, meinen eigenen Spot zu haben. Auch wenn es nur eine Nacht ist und zum Wäschewaschen, aber es ist einfach meins. Und deswegen versuche ich, zwischen Rennpausen auch viel Zeit in Österreich zu verbringen. Aber nach der Saison plane ich schon einen Urlaub woanders. Heuer fahre ich nach Mexiko.
Nimmst du in den Urlaub auch ein Rad mit?
Nein, nach Mexiko geht es direkt nach Kanada, dorthin kann mein Team alles mitnehmen. In den Urlaub nehme nichts mit.
Außer vielleicht ein Buch?
Ja, ich glaube nicht einmal das (lacht). Einfach nur am Strand liegen und Cocktails trinken. Aber trotzdem um 10 Uhr im Bett sein, das ist ja meine Routine.
Also keine Partys, sondern früh aufstehen?
Ja, schon. Ich weiß nicht, ich bin nicht so die normale 22-Jährige. Irgendwie habe ich meine Partyzeit nicht wirklich gehabt. Es gab nur ein Jahr oder so, in dem ich partyaffin war, aber sonst nicht.
Bist du dafür zu diszipliniert?
Ja, man braucht schon eine gewisse Disziplin für den Sport.
Zurück zum jetzt: Du bist viel unterwegs, auch mit dem eigenen Auto?
Ja, ich werde von Mini unterstützt und fahre einen John Cooper Works.
Was unterscheidet dein Profi-Downhill-Bike von einem normalen Downhill-Bike?
Das fängt beim Top-Material an und geht bis zur perfekten Anpassung an mich. Ich denke, der größte Unterschied ist, dass wir im Profi-Sport zum Beispiel fast jeden Tag Reifen wechseln. Während Hobbybiker:innen im Sommer vielleicht ein Mal Reifen wechseln müssen.
Schraubst du auch selbst herum und wechselst Reifen?
Ich kann natürlich die Basics, aber ich habe meinen eigenen Mechaniker, der das macht. Sonst wäre ihm ja langweilig (lacht).
Mentale Vorbereitung
Wie bereitest du dich auf ein Rennen vor?
Früher hatte ich viele Routinen und Glücksbringer, aber ich versuche, mich davon zu lösen, da ich nicht davon abhängig sein möchte. Aber ich habe noch eine Warm-up-Routine, die mir hilft, mich mental vorzubereiten und zu fokussieren.
Wie sieht diese Routine aus?
Es ist meistens so, dass ich 35 Minuten vor meinem Start damit anfange. So komme ich dann in die Zone, also ich werde konzentriert. Dazu habe ich meine Kopfhörer auf und höre Musik. Damit gelingt es mir, mich gut zu pushen. Ich falle in diese Bubble rein, die notwendig ist, um fokussiert zu sein. Dieses Warm-up sollte zeitnahe zum Start stattfinden, denn es gelingt nicht schon drei Stunden davor fokussiert und nervös zu sein, solange hält die Spannung einfach nicht.
Wie wichtig ist die mentale Vorbereitung?
In jeder Sportart ist der mentale Teil riesengroß. Alle sind da, um zu gewinnen. Alle haben die Skills, sind top trainiert und wissen, was sie wollen. Ohne mentale Vorbereitung kann man nicht siegen. Man muss auch rasch lernen, wie man mit Rückschlägen klarkommt.
Wie gehst du mit Stürzen um?
Unterschiedlich, denn jeder Sturz ist anders. In unserer Sportart gehören Stürze dazu. Manchmal trifft es einen körperlich mehr, manchmal mental. Es ist spannend, wie man darauf reagiert. Wie man sich selbst wieder rausholen kann, wenn man ein mentales Tief hat. Es hilft natürlich auch sehr, dass ich mit unserer Sportpsychologin über alles sprechen kann.
Angst habe ich nicht, sonst hätte ich auch keinen Spaß.
Verspürst du manchmal auch Angst?
Es ist keine Angst, es ist eher Respekt. Dieser Respekt ist allerdings wichtig, um 100 Prozent fokussiert zu sein. Bist du nicht ganz bei der Sache, kann es schnell zu Verletzungen und Fehlern kommen. Dafür ist das Risiko bei unserer Sportart einfach zu groß. Also nein, Angst habe ich nicht, sonst hätte ich auch keinen Spaß.
Würdest du dich als mutig bezeichnen?
Nein, ich bin nicht mutig. Mutig müsste ich sein, wenn ich nicht hundertprozentig sicher wäre. Aber alles, was ich mache, ist gut überlegt.
Was machst du, wenn du nicht am Bike sitzt?
Ich studiere Business Administration. Ich finde es sehr interessant, wirtschaftliche Basics zu lernen, zudem ermöglicht es mir Entscheidungen und Handlungsweisen von Sponsoren leichter zu verstehen. Denn es ist klar, dass ich nicht mein ganzes Leben lang professionell Biken kann.
Wie einträglich ist der Downhill-Sport?
Ich hatte schon früh das Glück, mit YT Industries ein Team zu finden und finanziell unterstützt zu werden. Im Downhill funktioniert es so: Die Athlet:innen fahren für unabhängige Teams von Sponsoren wie Fahrrad- oder Komponentenhersteller, die sich um Material, Verpflegung etc. kümmern. Jedes große Team hat einen Truck, in dem alle Bikes drinnen sind, es gibt eine Werkstatt, einen Meeting- und Rückzugsraum, eine Küche und vieles mehr. Zum Team gehören eine Köchin, ein Teammanager, Social-Media-Berater, Filmer, Fotografen und Physiotherapeuten. Da sind wir super aufgestellt. Mittlerweile kann ich vom Biken gut leben, nur mit Preisgeldern wäre das bei sieben Rennen pro Jahr nicht möglich. Nach drei Jahren im Rockshox-Trek-Team bin ich wieder zurück im YT Mob. Das zeigt, wie cool die Szene ist.
Wie hoch sind die Preisgelder?
Beim Downhill gibt's 5.000 Euro für den ersten Platz. Wir haben aber nur sieben Rennen pro Jahr. Das finde ich ein bisschen traurig. Zum Vergleich: Beim Skifahren gibt es fast 22 Rennen. Also je mehr Rennen, desto mehr Verdienstmöglichkeiten mit den Preisgeldern. Das gilt aber nur für die Top-Leute, denn in den unteren Rängen oder mittendrin schaut es leider nicht mehr so gut aus.
Bis zu welchem Platz gibt es ein Preisgeld?
Ich glaube, bei uns erhalten die ersten sieben oder acht etwas, aber am Schluss sind es ca. 150 Euro. Und dann denkst du dir: 'Das ist ein Mal Tanken.'
Wie schaut es künftig im Downhill aus, sind mehr Rennen geplant?
Ja, auf jeden Fall. Die Reise geht in die Richtung, dass bis zu 15, 20 Rennen im Sommer gefahren werden. Wobei ich das auch krass finde, denn es bedeutet, dass nur noch Athleten mitmachen können, die in großen Teams sind und sich das leisten können. Für kleinere Teams wird das sehr schwierig werden.
Gibt es einen Unterschied zwischen Männerstrecken und Frauenstrecken?
Nein, nein, wir fahren die gleichen Sprünge, die gleiche Strecke, aber wir starten eine Stunde früher als die Männer.
In Saalbach gibt es eine Gondel mit deinem Konterfei. Wie gehst du mit dem Ruhm um?
Es fällt mir teilweise noch immer schwer, es anzunehmen. Denn ich fühle mich nicht so, als wäre ich ein Role Model, ein Star oder die derzeitige Nummer eins im Downhill. Ich hätte gerne ein bisschen mehr Selbstvertrauen, damit ich es so richtig genießen und fühlen kann, aber ich glaube, ich bin nicht der Typ dazu. Aber zurück zur Gondel: Es ist auf jeden Fall ein großes Privileg und sehr schön, dass dadurch auch Biker:innen gezeigt werden. Es zeigt, dass wir in Österreich auch andere Sportarten als Skifahren haben.
Was sagst du zu Kids, die auch diesen Sport machen möchten?
Das es mega cool ist. Es freut mich, dass immer mehr Bike-Klubs entstehen und Leute sich wirklich darum kümmern, dass es im Radsport weitergeht und viele Kids einfach sagen: "Ich will im Sommer in die Bikeferien gehen."
Gibt es eigentlich Dinge, die du in deinem Sport gelernt hast, die du auf andere Lebenssituationen gut umlegen kannst?
Das ist schwierig zu sagen, denn ich erlebe nicht viele andere Lebenssituationen, da ich die ganze Zeit nur in dieser "Sportbubble" bin. Aber ich denke einfach generell, dass man nicht alles zu ernst nehmen soll und eh alles so kommt, wie es kommen will. Daher lasse ich mich nicht stressen. Ich kann nur die Sachen kontrollieren, die ich kontrollieren kann und bei allem anderen, das ich nicht beeinflussen kann, versuche ich mehr relaxt zu sein.
Warum bist du so oft schneller als andere?
Ein Teil ist Talent, doch das reicht irgendwann nicht mehr aus. Dazukommen harte Arbeit, Training und Hingabe. Ich liebe es Rennen zu fahren, und ich glaube, ich bin ein Renntyp (lacht).
Nachdem du schon alle wichtigen Stationen gewonnen hast, könntest du dir vorstellen, auf etwas anderes in der Radwelt umzusatteln?
Ja, es ist mega spannend. Rennrad ist ein bisschen weit entfernt von mir, aber BMX würde mich interessieren.
BMX ist auch olympisch. Wäre so etwas ein nächstes Ziel?
Auf alle Fälle wäre es interessant. Downhill wird wahrscheinlich nicht olympisch oder erst 2032. Da fahre ich fix nicht mehr mit, weil da bin ich Oma (lacht). Ich glaube, so lange möchte ich nicht warten. Auch wenn viele meiner Konkurrentinnen schon 34 Jahre alt sind. Respekt an sie alle, aber ich glaube, es wäre nichts für mich, denn ich sehe mich in zwölf Jahren nicht mehr im Downhill.
Warum nicht?
Ich weiß nicht, wie lange es mir gelingt, die Motivation zu halten. Gerade das finde ich bei älteren Kolleginnen sehr spannend. Ich sollte sie einmal fragen, wie ihnen das gelingt (lacht).
Beschreibe dich in drei Worten …
Das ist schwierig, ich versuche immer das zu sagen, was meine Mama über mich sagt, wenn ihr die Frage gestellt wird: verantwortungsvoll, verlässlich und ehrgeizig.
Du bezeichnest dich selbst als "Renntyp". Wären auch Auto- oder Motorradrennen spannend für dich?
Ich würde sehr gerne einmal Rallye fahren. Aber leider weiß ich nicht, wie man da reinkommt. Falls irgendjemand Kontakte in diese Richtung hat, gerne bei mir melden (lacht).
Info: Vali (Valentina) Höll
- Profi-Downhill-Bikerin
- Geb. 2001 in Zell am See (Salzburg).
- Erstes Rennen mit 13 Jahren.
- Mit 16 bereits Downhill-Juniorinnen-Weltmeisterin
- Downhill (DH)-Biken bedeutet: so schnell wie möglich Bergabfahren.
Erfolge (Auszug): - 5 x Österreichische Staatsmeisterin
- 4 Gesamtweltcupsiege
- insgesamt 5 x WM-Gold
- 2024: 2. Platz EM
Weltmeisterin
Team:- YT Mob
Sponsoren: YT Industries, Red Bull, Mini
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