— Hätten Sie in bestimmten Situationen auch so reagiert wie Vater und Großvater?
Tarek Leitner: Eine schwierige Frage, die auch nicht wirklich beantwortbar ist. Genau das es ist das, was Biographien so spannend macht. Ich vermute, dass es so etwas wie eine Banalität des Guten gibt – Dinge, die nichts mit Erziehung, Herkunft oder Moral zu tun haben, sondern mit banalen Zufällen, Begegnungen und Ereignissen. Etwa als der 12-jährige Vater am 12. März 1938 am Hauptplatz in Linz darauf wartete, dass Adolf Hitler wie angekündigt in Erscheinung tritt. Der kam aber erst Stunden später – das zeigte meinem Vater, dass man sich auf Hitler nicht verlassen konnte. Da entwickelte sich dann etwas, was Haltung zu nennen ist, aber nicht aus einem großen moralischen Überbau, sondern aus Banalitäten.
— War Ihr Vater nach 1945 ein unglücklicher Mensch? Er sagte doch – und Sie zitieren das im Untertitel –, er hätte auf den beiden Reisen sein ganzes Glück verbraucht?
Tarek Leitner: Ich denke, dass das, was er als Glück bezeichnet, in Wirklichkeit Zufälligkeiten waren, die ihn in der Zeit von 1938 bis 1945 überleben ließen. Glückliche Umstände werden ja nicht immer als Glück empfunden. Etwa als ihn sein dicker Mantel während der Februarkämpfe 1934 vor einer Kugel schützte, das war ein äußerst glücklicher Zufall. Doch durch solche Zufälle wird man nicht zu einem glücklichen Menschen. Er ist ja nicht glücklicher geworden, weil ihn der Schuss nur gestreift hat.
— War der Vater in der Phase, in der sie ihn erlebten, eher Optimist oder Pessimist?
Tarek Leitner: Hm ... ich würde sagen, eher ein Pragmatiker. Diesen Optimismus nach dem Motto "Alles wird gut, das schaffen wir schon", den hatte er jedenfalls nicht. Aber Pessimist war er auf gar keinen Fall. Das Glück war auch weiterhin auf seiner Seite. Etwa, dass der südliche Teil von Linz von den Amerikanern besetzt war und nicht von den Russen – war ja schon wieder ein Glück. Als Schlagzeuger konnte er so in amerikanischen Clubs auftreten. 100 Meter nördlich konnten die Menschen davon nur träumen.
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