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© Karo Pernegger
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März 2025

Wien Wahl 2025: Judith Pühringer (Die Grünen)

Wie soll es mit der Mobilität in und um Wien weitergehen? Wir haben die Spitzenkandidat:innen der Gemeinderats-Parteien zu Parkpickerl, Lobautunnel, autofreier Innenstadt, Öffis und mehr befragt. Die Grünen-Spitzenkandidatin Judith Pühringer im Interview.

Die aktuelle Stadtregierung hat im Koalitionsprogramm eine „autofreie Innenstadt“ festgeschrieben, was im Wesentlichen auf ein elektronisch überwachtes Einfahrverbot für alle, die nicht im 1. Bezirk wohnen, hinausläuft. Für Bezirks-Fremde ist nur die Zufahrt zu Tiefgaragen erlaubt. Wie stehen Sie zu dieser Form von „autofreier Innenstadt“?

Wir Grünen waren immer für eine Verkehrsberuhigung in der inneren Stadt. Die Frage ist, wie legt man es an und welches System wählt man auch dafür? Wir haben 2020 ja schon ein Konzept auf dem Tisch gehabt, es gab sogar eine Paket zwischen der damaligen Grünen-Stadträtin Birgit Hebein und dem Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Markus Figl. Leider ist es nicht dazu gekommen. Aber ich bin der Überzeugung, dass kein Weg an einer Verkehrsberuhigung vorbeiführt. Wichtig finde ich es natürlich, dass alle Einsatzkräfte, alle Menschen, die dort wohnen, alle Menschen, die sich kurz dort aufhalten, eine Möglichkeit haben sollen, in die Innenstadt hineinzufahren. Also wir brauchen einfach eine gute Regelung, die niemandem vor den Kopf stößt.

Sollte es im 1. Bezirk tatsächlich zu einem Einfahrverbot kommen erwarten wir, dass es ähnliche Wünsche auch in anderen Bezirken geben wird. Wie sehen Sie das?

Ich finde es immer gut, wenn man neue Dinge ausprobiert, an einem Punkt einfach zu beginnen. Es gibt immer Fragen, die man vielleicht nicht bedacht hat oder Aspekte, die man nicht berücksichtigt hat. Und dann können wir uns überlegen, ob wir das auf weitere Teile von Wien, vom Zentrum ausgehend, ausweiten.

Die Stadt Wien hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Fahrzeugbestand auf rund 530.000 Stück zu senken. Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach überhaupt noch der private Pkw in der Stadt?

Ich glaube, es wird weniger werden. Ich glaube, es wächst gerade auch eine Generation heran, die einfach weniger häufig Autos besitzt und Autos anmeldet. Insgesamt steigt ja die Zahl von Neuanmeldungen immer noch, aber das hat natürlich auch mit einer wachsenden Stadt zu tun. Gleichzeitig muss man sagen, dass wir alle ja nicht entweder Autofahrer oder Fußgänger oder Öffi-Nutzer sind. Sondern wir sind Menschen, die unterschiedliche Formen der Mobilität verwenden. Die Frage ist, wie kann man für Menschen, die ein Auto brauchen, die Situation so attraktiv gestalten, dass sie kein Auto besitzen müssen, dass sie es sich zum Beispiel einfach nur ausborgen. Und ich glaube, da haben wir noch wahnsinnig viel Luft nach oben

Laut Modal Split (Verkehrsverteilung OHNE Einpendler) werden 74% aller Wege in Wien mit Öffis, dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt. Dieser Anteil soll bis 2030 auf 85% steigen. Wie bringt man Menschen Ihrer Meinung dazu, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen?

Der Öffi-Ausbau und die Taktung sind das Allerwichtigste. Also diese beiden Dinge muss man einfach gemeinsam betrachten, denn wenn die Taktung so bleibt, wie sie jetzt mancherorts in Wien ist, dann ist das keine attraktive Alternative. Weiters: Sharing-Systeme in allen Variationen und natürlich Garagen, um die Autos von der Oberfläche wegzubekommen und um Platz freizumachen für die Bewohner der Stadt.

Ein weiterer wesentlicher Punkt wäre ein modernes Parkraumbewirtschaftungssystem. Das aktuelle ist, glaube ich, noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Auch die Digitalisierung bietet uns viele Chancen zum Beispiel mit Echtdatensystem, wo man via App sehen kann, wie ich am schnellsten von A nach B komme, wo es eine Park- oder Umsteige-Möglichkeit gibt. Also auch da gibt es noch so viel Luft nach oben.

Und wie kann man es noch attraktiver machen? Durch den Ausbau von sicheren Radwegen. Denn an vielen Stellen in Wien können Radler:innen derzeit noch nicht sicher und angstfrei von A nach B kommen. Mein Lieblingsvorbild ist hier Kopenhagen. Wenn man sich da mal aufs Rad gesetzt hat, hat man das Gefühl, okay, da gehe ich nie wieder vom Rad runter. Und in Wien denkt man sich oft, okay, ich lasse es doch lieber stehen, mir wird das einfach zu gefährlich. Da haben wir noch viele Möglichkeiten.

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Wir sind überzeugt davon, dass es zum Lobautunnel bessere Alter­nativen gibt. 

Judith Pühringer,
Die Grünen

Wie stehen Sie zum Ausbau der Öffi-Verbindungen über die Stadtgrenze Wiens hinaus?

Ich glaube, wir müssen nicht nur im Bereich der Öffis und der Mobilität, sondern auch in ganz anderen Bereichen wie Gesundheit usw. mehr zusammenarbeiten. Wir müssen uns gemeinsam an einen Tisch setzen und planen, wie wir Pendlerinnen und Pendler einen attraktiven Umstieg ermöglichen können, etwa mit Sammeltaxis oder Mikro-ÖV. Es gibt ja da schon ein paar Pilotprojekte, auch im Umland von Wien, die, glaube ich, sehr gut funktionieren.

Das Wiener 365-Euro-Jahresticket wurde am 01. Mai 2012 eingeführt und wird u.a. durch die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung finanziert. Im Mai 2023 sagte der zuständige Stadtrat Peter Hanke, „dass der Preis nicht ewig zu halten sei“. Wie sehen Sie das?

Das Ticket ist ein riesiges Erfolgsmodell und wir Grüne machen damit klimasoziale Politik. Mobilität muss einfach leistbar sein für alle Menschen in Wien. Und dann steigen sie auch auf Öffis um. Man sieht es jetzt beim Klimaticket, wie attraktiv es ist. 300.000 Menschen sind bereits umgestiegen. Wir setzen uns dafür ein, dass der Preis von 365 Euro für die Jahreskarte in Wien erhalten bleibt.

Trotz vieler Investitionen in Radwege und Verbesserungen für den Radverkehr, ist der Radverkehrsanteil in Wien in den letzten zwei Jahrzehnten nur von 6 auf 10% gestiegen. Wo ist anzusetzen, um die Nutzungshäufigkeit des Fahrrades spürbar zu erhöhen?

Ich glaube, es geht vielen um Sicherheit. Es gibt auf Wiens Radwegen zu viele Stellen der Unsicherheit, zum Beispiel entlang des Ring-Radwegs. Als gutes Gegenbeispiel kann man die Fahrradstraße in der Argentinierstraße nennen, die nach holländischem Vorbild ganz rot ist. Es braucht einfach einen weiteren Ausbau, der Bezug darauf nimmt, dass wir nur dann mehr Menschen zum Fahrradfahren bringen, wenn es auch attraktiv für jene ist, die langsamer fahren oder die sich vielleicht auch ein bisschen fürchten.

E-Mobilität ist ein zentraler Bestandteil der Mobilitätswende. Zu den aktuell rund 1.000 Ladepunkten sollen in den nächsten Jahren aber gerade einmal 200 weitere dazukommen. Ist das ausreichend und sollen die Ladepunkte im öffentlichen Raum auch von anderen Anbietern als der Wien Energie betrieben werden dürfen?

Wir sind noch nicht da, wo wir in Bezug auf die E-Mobilität sein wollen und der Bedarf wird sicher noch steigen. Jetzt werden in Wien beispielsweise alle Taxis auf E-Antrieb umgestellt. Wenn wir wollen, dass mehr Menschen auf E-Mobilität umsteigen, dann muss es attraktive Möglichkeiten geben, das Auto zu laden. Bezüglich der Wien Energie bin ich der Meinung, dass wir auch mit anderen Unternehmen, vor allem auch mit Unternehmen mit großer Innovationskraft, zusammenarbeiten.

Die Erfahrung, die ich auch sehr oft mache, ist, dass Menschen verzweifeln, wenn sie in ihrer Wohnhausanlage, in ihren Garagen, die zum Beispiel in den 70er-Jahren gebaut wurden, keine Unterstützung beim Errichten einer Wallbox bekommen. Auch da braucht es innovativere und gute Lösungen, wie wir für Menschen in ihrem Zuhause gute Zugänge finden können. Und da gibt es auch noch viel Handlungsbedarf für Hausbesitzer, Garagenbesitzer, die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Sollte das etwas sein, dass die Stadt Wien sehr aktiv vorantreibt oder versucht man eher für die Immobilienwirtschaft einen guten Boden zu schaffen?

Immer beides. Die Stadt kann mit gutem Beispiel vorangehen. Und ich finde, das ist die Aufgabe der Stadt, weil das Thema Energie auch ein Teil der Daseinsvorsorge ist. Gleichzeitig muss man auch Unternehmen, die in diesem Bereich Angebote haben, möglichst gut unterstützen. Das kann nur Hand in Hand gehen.

Die Parkraumbewirtschaftung in Wien mittels Kurzparkzone und „Parkpickerl“ wurde ja auf ganz Wien ausgedehnt. Wie bewerten Sie diese Erweiterung?

Es ist schon mal ein guter erster Schritt gelungen, dass es überhaupt ein einheitliches System gibt. Es sollte aber weiterentwickelt und flexibler gestaltet werden. Unser Vorschlag beinhaltet ein Zonenmodell. Auch die Unterscheidung zwischen großen SUV und anderen Pkw ist in vielen europäischen Städten mittlerweile Standard,. Ich glaube, dass es viel innovativere, smartere Lösungen gibt, die auch ganz im Sinne der Klimawende sind.

Das heißt, Sie sind für eine Weiterentwicklung oder Neuaufsetzung des derzeitigen Parkraumbewirtschaftungssystems?

Dass jede Zone von der Heurigen-Gegend bis zum 1. Bezirk gleich viel kostet, ist nicht ganz nachvollziehbar. Da, wo Parkraum knapper wird, wäre ein anderer Preis anzudenken. Also ja, wir sind auch für flexible Pricing-Modelle. Nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich.

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