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März 2025

Wien Wahl 2025: Michael Ludwig (SPÖ)

Wie soll es mit der Mobilität in und um Wien weitergehen? Wir haben die Spitzenkandidat:innen der Gemeinderats-Parteien zu Parkpickerl, Lobautunnel, autofreier Innenstadt, Öffis und mehr befragt. Der SPÖ-Spitzenkandidat Michael Ludwig im Interview.

Die aktuelle Stadtregierung hat im Koalitionsprogramm eine "autofreie Innenstadt" festgeschrieben, was im Wesentlichen auf ein elektronisch überwachtes Einfahrverbot für alle, die nicht im 1. Bezirk wohnen, hinausläuft. Für Bezirks-Fremde ist nur die Zufahrt zu Tiefgaragen erlaubt. Wie stehen Sie zu dieser Form von "autofreier Innenstadt"?

Nein, ich muss eine kleine Korrektur vornehmen. Ich selbst habe nie von einer autofreien Innenstadt gesprochen, sondern immer von einer verkehrsberuhigten Innenstadt. Und das ist deshalb ein wesentlicher Unterschied, weil im ersten Bezirk zwar nur 16.000 Menschen wohnen, aber rund 150.000 Menschen arbeiten. Ich halte eine völlige autofreie Innenstadt daher für nicht möglich und auch nicht sinnvoll.

Für mich ein gutes Beispiel ist ein Bandagist, der sein Geschäft im ersten Bezirk hat und dessen Kunden zum großen Teil körperlich beeinträchtigt sind. Die kommen jetzt nicht mit dem Rad und haben oft auch Schwierigkeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen. Die nutzen natürlich das Auto. Von daher wird es gewisse Möglichkeiten geben müssen.

Aber Sie haben völlig recht, eine verkehrsberuhigte Innenstadt ist das Ziel. Technisch begleitet, technisch überwacht und mit beschränkten Verkehrsströmen, das halte ich für sinnvoll. Wir wollen auch diese sinnvolle, funktionale und soziale Durchmischung im ersten Bezirk aufrechterhalten. Es soll ein lebendiger Bezirk, ein lebendiger Teil unserer Stadt bleiben. Aber wir harren der Umsetzung. Dafür war es notwendig, eine Novelle der StVO vorzunehmen.

Meines Wissens ist auch die Bezirksvertretung im ersten Bezirk, mit einer Ausnahme, parteiübergreifend dafür. Und von daher finde es sinnvoll, dass die Stadt gemeinsam mit den Verantwortlichen im Bezirk da eine Lösung findet.

Sollte es im 1. Bezirk tatsächlich zu einem Einfahrverbot kommen, erwarten wir, dass es ähnliche Wünsche auch in anderen Bezirken geben wird. Wie sehen Sie das?

Vorerst würde ich glauben, dass die räumliche Situation eine solche Beschränkung möglich macht, aber Verkehrsberuhigung führen wir in allen Teilen der Stadt durch, immer auch in enger Abstimmung mit den Bezirksparlamenten und den Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern und den Anrainern. Es muss das Ziel sein, den Verkehrsfluss zu erhalten, aber trotzdem die Aufenthaltsqualität zu verbessern.

Der Lobautunnel liegt seit drei Jahren auf Eis. Unabhängig davon steigt der Verkehr auf der A23 weiter an. Braucht es Ihrer Meinung nach den Lobautunnel oder sind andere Maßnahmen zielgerichteter?

Ja, es fehlt der Lückenschluss einer größeren Umfahrung. Diese 118 Kilometer stellen nicht nur eine Umfahrung für Wien dar, sondern bieten auch für Niederösterreich zusätzliche Perspektiven in der Erweiterung und Ausbildung von Siedlungen und Wirtschaftsstandorten. Und von daher halte ich es für unerlässlich, dass die entsprechenden Beschlüsse, das entsprechende Gesetz, umgesetzt wird.

Ich sehe darin eine ganz starke Notwendigkeit aus mehreren Gründen. Zum einen halte ich es für gut, dass die allermeisten Städte und Gemeinden Umfahrungen haben. Das ist richtig, um die Bevölkerung zu entlasten. Für mich unverständlich ist, warum in der mit Abstand größten Stadt in Österreich eine solche Umfahrung nicht möglich sein sollte. Noch dazu ist es ein Projekt, das über mehr als 15 Jahre umfassend geprüft worden ist.

Zweitens ist es ein Projekt, das eben keine Brücke über ein Naturschutzgebiet vorsieht, sondern einen Tunnel, der 60 Meter unter der Erde ist, vor dem Naturschutzgebiet Lobau beginnt und nach dem Naturschutzgebiet Lobau wieder auftaucht. Wo also kein Grashalm beeinträchtigt und kein Frosch verschreckt wird. Und trotzdem, das ist der dritte Punkt, werden alle Ortskerne im 22. Bezirk entlastet, die derzeit unter ganz starker Verkehrsbelastung leiden.

Zudem sehen wir darin auch eine Möglichkeit, den internationalen Durchzugsverkehr aus der Stadt zu bringen. Unseren Berechnungen nach wird hier ein nicht unwesentlicher Teil dann nicht mehr über die Südostrangente laufen.

Es ist natürlich eine große infrastrukturelle Maßnahme. Aber das sind wir gewohnt. Ich kann mich erinnern, wie wir die Donauinsel gegen heftigsten politischen Widerstand durchgesetzt haben. Da hat es viel Kritik gegeben. Heute wissen alle, das ist nicht nur eine ganz wesentliche Maßnahme des Hochwasserschutzes, sondern ein großartiges Naherholungsgebiet. Also manchmal muss man den Mut zu Entscheidungen haben, die über Jahrzehnte Bestand haben.

Die Stadt Wien hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Fahrzeugbestand auf rund 530.000 Stück zu senken. Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach überhaupt noch der private Pkw in der Stadt?

Es gibt eine starke Veränderung der Nutzung von Pkw in einer Großstadt wie Wien. Das wird von uns auch unterstützt durch den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Das ist für uns eine starke Maßnahme, um eben eine Wahlmöglichkeit zu bieten, dass Menschen für sich selber entscheiden können, welches Mobilitätsinstrument sie wählen.

Vor der Tür haben wir die größte U-Bahn-Baustelle Europas und wenn dieses Ausbauprogramm in den nächsten Jahren abgeschlossen ist, werden es 1,3 Milliarden Menschen sein, die mit den Wiener Linien unterwegs sind. Wir bauen auch den Fahrradbereich aus.

Aber es wird auch in Zukunft Menschen geben, die mit dem Auto fahren müssen oder wollen. Das soll dann auch noch möglich sein.

Laut Modal Split (Verkehrsverteilung OHNE Einpendler) werden 74% aller Wege in Wien mit Öffis, dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt. Dieser Anteil soll bis 2030 auf 85% steigen. Wie bringt man Menschen Ihrer Meinung dazu, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen?

Um den Modal Split weiter Richtung öffentlichen Verkehr zu entwickeln, ist es notwendig, das Ausbauprogramm der öffentlichen Verkehrsmittel weiterzuführen und gleichzeitig auch den Zugang möglichst kostengünstig zu halten, wie mit dem Jahresticket der Wiener Linien, das 1 Euro pro Tag vorsieht. Und wir haben ein sehr engagiertes U-Bahn-Ausbauprogramm. Wir haben aber auch unser Straßenbahnnetz immer schrittweise ausgebaut. Wir bauen jetzt eine neue Straßenbahnlinie 27. Wir sind weltweit am sechsten Platz, was das Straßenbahnnetz betrifft.

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Ich halte eine völlig autofreie Innenstadt für nicht möglich und nicht sinnvoll.

Michael Ludwig,
SPÖ

Wie stehen Sie zum Ausbau der Öffi-Verbindungen und -Ausbauten über die Stadtgrenze Wiens hinaus?

Also, da waren wir sehr engagiert als Stadt Wien. Zum Beispiel war eine Straßenbahnlinie zwischen Simmering und Schwechat geplant. Die ist vom neuen niederösterreichischen Verkehrslandesrat Landbauer eigentlich ohne sinnvolle Begründung gestoppt worden. Ich bedauere das sehr, weil wir ja auch über die Bundesländergrenzen hinweg Maßnahmen setzen wollten, dass Pendler die Möglichkeit haben, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Das Wiener 365-Euro-Jahresticket wurde am 01. Mai 2012 eingeführt und wird u.a. durch die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung finanziert. Im Mai 2023 sagte der zuständige Stadtrat Peter Hanke, "dass der Preis nicht ewig zu halten sei". Wie sehen Sie das?

Ja, wir haben es jetzt seit 2012 nicht erhöht. Die Inflation eingerechnet, müsste es fast schon das Doppelte kosten, aber wir haben den Preis aus sozialen und ökologischen Gründen bis jetzt nicht angehoben. Das wird sicher nicht in aller Ewigkeit möglich sein, aber für jetzt haben wir es einmal beibehalten.

Bis zum Jahr 2030 soll der Auto-Einpendler-Verkehr (im Vergleich zu 2021) an der Stadtgrenze um die Hälfte reduziert werden. Wie realistisch ist das Ziel von 50% weniger Pendler-Einfahrten mit dem Auto?

Das wird nur dann möglich sein, wenn alle Beteiligten hier an einem Strang ziehen. Es gibt hier den Verkehrsverbund Ostregion, wo wir, also Wien, Niederösterreich und Burgenland im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel zusammenarbeiten. Und man sollte natürlich versuchen, hier gemeinsame Schritte zu setzen, den Pendlern eine noch stärkere Wahlmöglichkeit zu bieten. Das bedeutet aber Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Und das kann Wien nicht allein.

Trotz vieler Investitionen in Radwege und Verbesserungen für den Radverkehr, ist der Radverkehrsanteil in Wien in den letzten zwei Jahrzehnten nur von 6 auf 10% gestiegen. Wo ist anzusetzen, um die Nutzungshäufigkeit des Fahrrades spürbar zu erhöhen?

Also, ich glaube, man muss ständig evaluieren und gerade Verkehr ist natürlich in einer Großstadt wie Wien, insbesondere im historisch gewachsenen Teil, immer auch ein Nutzungskonflikt. Das darf man nie übersehen. Über nichts wird auf Ebene der Bezirke intensiver diskutiert, als ob man jetzt verkehrsberuhigende Maßnahmen setzt, welche Rolle das Auto spielt und wie Grünräume statt Parkplätzen entstehen sollen. Darüber wird immer diskutiert werden. Man muss nur einen Rahmen schaffen, wo man Kompromisse findet, wo man Lösungen findet, wo man Schwerpunkte setzt.

E-Mobilität ist ein zentraler Bestandteil der Mobilitätswende. Zu den aktuell rd. 1.000 Ladepunkten sollen in den nächsten Jahren aber gerade einmal 200 weitere dazukommen. Ist das ausreichend und sollen die Ladepunkte im öffentlichen Raum auch von anderen Anbietern als der Wien Energie betrieben werden dürfen?

Es braucht sicher mehr Anstrengungen. Wir haben meines Wissens im vergangenen Jahr 600 zusätzliche Ladestationen geschaffen, im jetzt laufenden Jahr sollen es 900 sein. Insgesamt gibt es derzeit rund 2.700 öffentlich und halb-öffentlich zugängliche Ladepunkte.

Es ist wichtig, dass wir vor allem den Ausbau der Netze betreiben, weil E-Mobilität auch eine intensive Anforderung an die bestehenden Netze bedeutet. Das übersieht man ja. Wir haben vor, dass wir Photovoltaikanlagen ausbauen, beispielsweise jedes Jahr in der Größenordnung von 100 Fußballfeldern.

Bis 2030 werden alleine die Wiener Stadtwerke insgesamt rund 8 Milliarden Euro investieren. Also nicht nur in die Netze, aber generell flächendeckend, vor allem in klimaschutzrelevante Maßnahmen. Und da ist die Elektromobilität schon etwas ganz Wichtiges.

Die Parkraumbewirtschaftung in Wien mittels Kurzparkzone und "Parkpickerl" wurde ja auf ganz Wien ausgedehnt. Wie bewerten Sie diese Erweiterung?

Ja, es war ein schrittweiser Prozess, der eigentlich schon in den 70er-Jahren begonnen hat. Und es war ein Prozess, der fast nicht aufzuhalten war, weil natürlich die Bezirke, die noch keine Parkraumbewirtschaftung gehabt haben, sehr viel ruhenden Verkehr aus anderen Bezirken, beziehungsweise aus dem Umland von Wien zu verzeichnen gehabt haben. Von daher war es relativ klar, dass dieser Schritt zur flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung kommen wird.

Wir wissen natürlich, dass es Teile gibt, wo es nicht notwendig wäre, weil einfach viel Platz ist. Deshalb wollen wir das nach einer gewissen Zeit evaluieren und schauen, wie die Erfahrungen sind. Aber in Summe gesehen, also über das ganze Stadtgebiet gerechnet, war es natürlich eine starke Entlastung und hat erst wieder die Möglichkeit geschaffen, dass Anrainer überhaupt die Chance auf einen Parkplatz haben.

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