Ein kurzes Lächeln. Dann stellt er den riesigen Kaffeebecher ab. Während ich beim Handshake wie hypnotisiert auf den markanten Schnurrbart starre, taxieren mich stahlblaue Augen. Chase Carey, CEO von Liberty Media, ist der neue starke Mann in der Formel 1. Kein skurriler Zampano wie Bernie Ecclestone. Eher trocken, fokussiert, tough. Der optische Wyatt-Earp-Touch passt zu Chase Careys Vision von Gerechtigkeit und Veränderung. Carey ist ein Medien-Profi, war Vertrauter von Rupert Murdoch. Böse Stimmen sagen, er verspeist Alphatiere zum Frühstück. Egal! Der Klang seiner Stimme ist der Weckruf für all jene, die die Formel 1 in den letzten Jahren zum Einschlafen fanden.
Das Business des Mister Big
Sportmarketing liegt den Amis im Blut. Chase Carey, Vertreter der neuen Eigentümer Liberty Media, krempelt die Formel 1 massiv um. Mit mehr Wettbewerb, mehr Fairness und mehr Nähe für die Fans.
— Was ist an der Formel 1 so attraktiv, dass eine amerikanische Firma wie Liberty Media beschlossen hat, sie zu kaufen?
chase carey: Dafür gab es mehrere Gründe. Persönlich denke ich, dass globale Events einen steigenden Wert darstellen. Gerade in einer Zeit, in der sich Teile der Welt aufsplittern und gute Dinge zu Massenware verkommen. Globale Events sind rar: Olympische Spiele etwa oder Fußball-Weltmeisterschaften – und mittendrin sind wir, die Formel 1. Die gibt es nicht nur alle vier Jahre, sondern neun Monate im Jahr. Und sie besitzt enormes Wachstums-Potenzial, das in den letzten Jahren nie ausgeschöpft wurde.
— Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der FIA?
chase carey: Das Verhältnis zu Jean Todt und seinem Team ist gut. Als Partner müssen wir gut zusammenarbeiten. Unsere Beziehung definiert sich über Motorsport. Das haben wir bei der Umwandlung der GP2 in die Formel 2 bewiesen (Anm.: Lückenschluss zwischen Formel 4 und Formel 1). Wir haben eine gemeinsame Vision: Die Formel 1 weiter wachsen zu lassen. Über technische und Reglement-Belange verhandelt Ross Brawn mit der FIA.
— Es gibt aber auch Ängste, die Formel 1 würde zu sehr amerikanisiert.
chase carey: Ein Vorwurf, den ich oft höre, aber nicht verstehe. Wir sind nach London gegangen, weil wir die Formel 1 nicht von Denver oder New York aus führen wollten. Unser Ziel ist die Formel 1 auszureizen, sie für die Fans so spannender zu machen. Mehr noch, wir wollen die Fans berühren und auf vielfältige Weise mit einbeziehen. Wir wollen nicht amerikanisieren. Obwohl, in meinem früheren Job bei Fox habe ich viele Jahre mit der NFL gearbeitet, kenne daher US-Sportarten gut. Ich meine, dass Amerika, was Sport-Wettkämpfe angeht, immer einen guten Job gemacht hat.
— Und wie wird die Formel 1 dann in Zukunft aussehen?
chase carey: Sie wird größer sein, globaler, besser. Mit mehr Wettbewerb und Action. Die Grundfesten werden wir nicht verändern. Mein Motto lautet: "Same Game, New Attitude!"
Chat mit Chase
— In der Vergangenheit war das Verhältnis Formel 1 und USA eine Hassliebe. Wie wollen Sie US-Fans für diesen Sport begeistern?
chase carey: Was immer früher auch war, ich war nicht da. Weiß auch nicht, was damals abgelaufen ist. Sicher ist: Es gab nicht genug Engagement und keine Hingabe. In einem Jahr wird die Formel 1 in Amerika keine großen Zuwächse erreichen. Das ist ein Prozess von mehreren Jahren. Ein Teil unserer Arbeit wird sein, die US-Fans mit dem Sport auf vielfältige Weise zu verknüpfen, auch digital. Wir leben in einer digitalen Welt und digitale Plattformen sind die wichtigsten Verbindungen, durch die Fans ihren Stars und Helden folgen können. Das liegt auch den Teams am Herzen. Weiters versuchen wir Rennen in die Städte zu bringen, um so noch mehr Menschen begeistern. Ich denke da an New York, Las Vegas und Miami.
— Wird der Österreich-Grand-Prix auch in Zukunft noch im Rennkalender sein?
chase carey: Hoffentlich! Ich weiß jetzt nicht genau, wann der Vertrag ausläuft, ich weiß nur, wir haben noch ein paar gemeinsame Jahre und es wäre schön, wenn es danach noch weiter ginge. Schon die Kulisse in Österreich ist einzigartig, auch eure großartigen Fans. Sie sind es, die dieses Event ausmachen: mit einem unglaublichen Enthusiasmus für Motorsport.
— Welche Veränderungen haben im Moment absoluten Vorrang?
chase carey: Wir arbeiten eng mit den Teams an der Attraktivität. Es soll sich in erster Linie für uns lohnen, aber auch für die Teams. Wir sprechen über Kostengrenzen, das Reglement und die Motoren. Wir wollen einfachere und kostengünstigere Motoren. Das Design der Autos soll wieder mehr Wettkampf ermöglichen. Auch wollen wir klare Strukturen bei den Kosten schaffen. Also ein gesundes Geschäft angepasst an den Markt. Und wir wollen sicherstellen, dass die Einnahmen gerechter verteilt werden, so fair, wie es nur geht. Erfolg wird sich aber in jedem Fall lohnen.
— So eine Budget Cap ist ein heikles Thema. Ferrari und Mercedes sind derzeit dagegen.
chase carey: Ich glaube nicht, dass Ferrari und Mercedes dagegen sind. Auch die Teams haben verstanden, dass etwas geschehen muss. Jeder erwartet, dass wir etwas tun. Und wir werden etwas tun. Es gibt zwar noch Fragen über das Wie, aber im Grunde sind wir uns einig: Der notwenige Kostenaufwand der Teams muss reguliert werden.
— Könnten Sie sich als Worst-Case-Szenario die Formel 1 auch ohne Ferrari und Mercedes vorstellen?
chase carey: Wir versuchen alles so zu belassen, wie es ist. Es ist auch nicht produktiv, irgendwelche Hypothesen aufzustellen. Unser Ziel ist, dass alle zufrieden sind.
— Fahrer oder Auto – wer soll in Zukunft im Fokus stehen?
chase carey: Am Ende des Tages sind immer die Fahrer die Helden. Sie sind es, die draußen auf der Rennstrecke kämpfen. Ein Job, der in vielerlei Hinsicht jenseits unserer wildesten Vorstellungskraft liegt. Sicher, das Auto ist ein wichtiger Teil. Auch die Hochtechnologie ist faszinierend. Aber die Stars sind die Fahrer.
— Im Moment werden nur einige Formel-1-Piloten bezahlt, viele müssen Geld mitbringen. In der Formel E etwa werden alle Fahrer bezahlt. Werden Sie das ändern?
chase carey: Das ist Sache der Teams. Über die Formel E weiß ich nichts, will sie auch nicht kommentieren (schaut ernst). Wir sind die Spitze des Motorsports! Wir wollen, dass die 20 besten Fahrer der Welt in unseren Autos fahren.
— Motoren-Sound und Überholen sind immer in der Diskussion. Wie wichtig sind diese Themen für Sie?
chase carey: Überholen ist immens wichtig, das ist Wettkampf pur. Die Autos konkurrieren auf der Strecke miteinander. Doch mittlerweile ist die Aerodynamik an einen Punkt angelangt, an dem sie das Überholen schwieriger macht, als es sein sollte. Die Aerodynamik ist wichtig im Motorsport, sie ermöglicht den Fahrern die Balance zu finden, ermöglicht Aktionen wie das Überholen auf der Strecke. Was den Sound betrifft, wirst du viele unterschiedliche Meinungen bekommen. Sound ist aber wichtig. Er sollte ein Gefühl irgendwo zwischen Schock und Ehrfurcht erzeugen.
— Die Verbannung der Grid Girls hat für viel Unverständnis gesorgt. Muss die Formel 1 nun ohne schöne Frauen auskommen?
chase carey: Schöne Frauen sind in der Formel 1 immer willkommen. Und wir werden auch mit hübschen Mädchen am Start weitermachen (schmunzelt).
— Wie wird die Formel 1 in Zukunft zu konsumieren sein? Wird sie ein Bezahl-Event?
chase carey: Wir wollen Wege finden, alle Plattformen einzubeziehen: FreeTV, PayTV, es gibt viele Plattformen. Klar, Konsumenten greifen heutzutage auf unterschiedlichste Weise auf ihren gewünschten Content zu. In jedem Land gibt es unterschiedliche Anbieter. Weltweit tendiert Sport immer mehr zu PayTV. Wir wollen einen Weg finden, der eine Balance zwischen all diesen Möglichkeiten ist.
— Und wo bleiben die Printmedien?
chase carey: Printmedien sind Journale, Zeitungen… Fernsehsender haben Verträge mit uns. Wir haben aber keine Verträge mit Printmedien. Trotzdem arbeiten wir mit ihnen, aber eben anders.
Charles G. „Chase“ Carey
- Geboren am 22. November 1953
- Studierte an der Colgate University (New York) und in Harvard
- Seine irischen Gene lebt er durch Rugby aus
- Der markante Bart verdeckt eine Unfall-Narbe aus der Studentenzeit, als er durch die Windschutzscheibe eines Autos flog
- In den 80er-Jahren macht er FoxTV zum führenden Sportkanal der USA
- 2011 designiert ihn Rupert Murdoch zu seinem Nachfolger
- 2016 übergibt Carey das Ruder des Medienkonzerns an Murdochs Sohn
- 2017 übernimmt er als CEO von Liberty Media die Formel 1, kritisiert die bisherige autokratische Führung und entmachtet Bernie Ecclestone
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