Porträtaufnahme von Gottfried Grasser, Chef eines GT3-Rennteams.
© Sebastian Weissinger
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Dezember 2024

Ich war ein Spätzünder

Von Knittelfeld nach Daytona: Wie Gottfried Grasser Österreichs erfolgreichstes GT-Rennteam aufbaute. Ein Gespräch über Mentalitäten und Motorsport als Technologie-Vorreiter.

Herr Grasser, wie sind Sie zum Motorsport gekommen?

Gottfried Grasser: Mein Papa hatte ein Autohaus bei Knittelfeld und ist selbst Gokart gefahren. Und ich bin schon als kleiner Bub zusammen mit meinem Cousin jedes Wochenende zum Österreichring geradelt. Einmal hat mich vor dem Formel-1-Start 1986 eine Biene genau am Auge gestochen. Ich konnte nichts sehen und musste deshalb weinen.

Waren Sie auch schon früh selbst als Fahrer auf der Strecke?

Nein, ich war eigentlich ein Spätzünder und habe erst mit 18 Jahren begonnen, Gokart-Rennen zu fahren. Danach ­konnte ich in diversen Formel- und GT-Serien fahren, denn ich hatte das Glück, einen guten Sponsor zu haben. 2001 war mit 9/11, dem Terroranschlag in New York, plötzlich alles vorbei. Mein Sponsor war börsennotiert, die Aktie hat 85 % eingebüßt.

Wie ist es weitergegangen?

Mein Vater hat gesagt: "Eini ins Autohaus und Autos verkaufen!" An einem Tag war ich noch Rennfahrer, am nächsten Autoverkäufer. Nach vier, fünf Jahren Autohandel habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist und begonnen, parallel das Rennteam aufzubauen. 2015 ­hatten wir 25 Leute im Rennsport und vier in der Autowerkstatt. Jetzt arbeiten alle im Rennsport.

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Wie viele Mitarbeiter haben Sie denn aktuell?

Das ist von Serie zu Serie unterschiedlich. Bei der DTM oder den 24-Stunden-Rennen von Daytona und Spa haben wir schon einen enormen Personalaufwand. In Daytona waren wir zum Beispiel mehr als 50 Personen, da arbeiten wir dann aber auch mit Freelancern zusammen. Bei einem durchschnittlichen Renn-Event sind wir 25 Personen.

Wir hatten vorher die Möglichkeit mit Luca Engstler, einem Ihrer Fahrer, zu sprechen. Er schwärmt von Ihnen. Was machen Sie als Teamchef richtig?

Von alldem, was ich tue, liegt mir die Rolle als Teamchef am wenigsten. Ich bin ein Technikfreak, mich interessiert eigentlich nur, die Kiste eine Zehntel­sekunde schneller zu machen. Weil ich mich schlecht Strukturen unterordnen kann, ist mir nichts anderes ­übrig geblieben, als ein Team zu gründen.

SW240928_autotouring_DTMSpielberg_0215_CMS.jpg Sebastian Weissinger © Sebastian Weissinger
Luca Engstler gewann in der DTM-Saison 2024 zwei Rennen.

Wer trifft dann die Entscheidungen?

Endentscheidungen liegen schon bei mir, aber ich habe das Glück, mit einer wunderbaren Frau verheiratet zu sein, die mir viel abnimmt. Sie organisiert alles, von Hotel- bis Flugbuchungen. Wenn du in Amerika Rennen mit 50 Leuten koordinierst, ist das viel Arbeit. Ohne sie bin ich aufgeschmissen.

Was machen Sie, wenn einmal kein Rennwochenende ansteht?

Ich bin nur auf Rennwochenenden (lacht). Wir haben im Mai das Schwimmbad eingelassen, erst Ende Juli bin ich das erste Mal hineingehüpft. Da ist das Wasser schon zwei Mal zusammengebrochen, aber immerhin war es schön warm. Wenn ein Wochenende mal wirklich frei ist, sind meine Frau und mein zweieinhalbjähriger Sohn die oberste Priorität. Dann genießen wir es, im Murtal zu sein. Österreich ist einer der schönsten Plätze dieser Welt.

Wie lassen sich Job und Familie miteinander vereinbaren?

In unserem Wohnmobil gibt es eine Spielecke. Mein zweieinhalbjähriger Sohn ist schon ein echter Motorsport-Fan. Er fährt auch mit einem kleinen Elektro-Kart. Meine letzte Chance ist, dass er im Gokart-Alter zu häufig zu McDonald’s geht und schwer wird. Ansonsten wird mir nämlich nichts von meiner Pension bleiben, Motorsport ist ein teurer Weg (lacht).

Gottfried Grasser, Teamchef eines GT3-Rennteams, wird von einem Journalisten und Dr. Harald Hertz, Vizepräsident des ÖAMTC, interviewt. © Sebastian Weissinger
Gottfried Grasser (Mitte) im Gespräch mit dem Vizepräsidenten des ÖAMTC und Präsidenten der AMF Dr. Harald Hertz (l.) und auto touring-Redakteur Maximilian Barcelli.

Was begeistert Sie dennoch daran?

Dass es keinen Stillstand gibt, keine endgültige Perfektion, sondern immer noch mehr geht. Jedes Rennen ist anders. In ­jeder Situation lernst du Neues dazu. Das Schöne am Sport ist ja, dass du jammern und Ausreden haben kannst, aber am Sonntag gibt es ein Ergebnis und das zeigt genau, wo du stehst. Und stehst du nicht ganz oben, fehlt etwas. Das lässt sich nicht wegdiskutieren.

Die größten Herausforderungen?

Die Finanzierung. Wir leben leider in ­einer Zeit, in der die Sportart nicht den besten Ruf hat. Das merken wir bei den Sponsorengeldern. Dabei ist Motorsport attraktiv, er nimmt eine Vorreiterrolle ein. Wir fahren zum Beispiel mit Bio-­Fuels und anderen alternativen Kraftstoffen und sind eine Plattform, auf der Innovationen ideal getestet werden.

Ein gold-schwarzer Lamborghini-Rennwagen fährt über die Curbs nach einer Kurve auf einer Rennstrecke, dahinter fährt ein dunkelblaues Rennauto. © Sebastian Weissinger
In der DTM wird mit Kraftstoff gefahren, der zur Hälfte aus nachhaltigen Komponenten hergestellt wird.

Bio- und E-Fuels kommen nicht so richtig in Schwung, "E-Mobility only" lautet die Devise – zumindest in ­Österreich und Europa.

Wir haben ein allgemeines Problem mit Volkserziehung. Wenn du in Amerika ­einen Lambo in der Garage stehen hast, kommt dein Nachbar, gratuliert dir und fragt, wie du das geschafft hast. Wer sich hier einen Lambo leisten könnte, kauft ihn sich oft nicht, weil er sonst zerfleischt wird.

Stichwort Amerika: Sie haben in Ihrer Fahrzeugklasse zwei Mal das legendäre 24-Stunden-Rennen von Daytona gewonnen. Ihr größter Erfolg?

Definitiv. Wir sind als kleine Mannschaft angekommen und konnten uns gegen die ganz großen Werke durchsetzen. Diese Siege werden immer in Erinnerung bleiben.

Wie gefällt Ihnen die DTM?

Sehr gut, sie polarisiert und bringt wieder Fans an die Rennstrecke. Wir ­haben jedes Jahr eine Steigerung von 20 bis 30 % bei den Zuschauern. Was ­einem Teamchef natürlich nie gefällt, bei keiner Rennserie, sind die Kosten (lacht). Wir arbeiten gegen Budgets, die teils vier Mal so groß sind. Aber das wird sich nie ganz regulieren lassen, ­siehe Formel 1. Es wird immer Schlupflöcher geben, das macht den Motorsport auch aus: Jedes neue Reglement macht zehn Lücken auf. Die musst du finden.

Und wie stellen Sie konkret Ihr Budget auf?

Das Konzept eines Rennteams unserer Größe ist es, sich zu einem Teil durch den Hersteller, zu einem Teil durch Sponsoren und zu einem Teil durch den Fahrer zu finanzieren. Deshalb haben wir in manchen Serien auch Paydriver. Und Profi- und Werksfahrer bringen ­natürlich Sponsoren mit.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Nicht auf der Rennstrecke (lacht). Oder zumindest nicht als Teamchef. Man wird nicht jünger. Ich verbringe mit meiner Frau und meinem kleinen Buben 150 bis 170 Tage im Wohnmobil. Das ist ein ­Leben, das zeitlich begrenzt ist und das man nicht mehr unbedingt mit 60 führen möchte. Bis dahin gibt es allerdings noch viel zu ­gewinnen.

Zur Person: Gottfried Grasser und sein GRT Grasser Racing Team

Autos verkaufen? Gottfried Grasser hatte andere Pläne. Der 1978 in Leoben geborene Murtaler wuchs neben dem heutigen Red Bull Ring auf, er hatte schon früh Benzin im Blut. Weshalb der mittlerweile 46-Jährige damit begann, das Autohaus des Vaters in ein Rennteam umzubauen. 2011 folgte der erste Start in der ADAC GT Masters. 13 Jahre später ist das GRT Grasser Racing Team eine feste Größe in der Welt des GT-Motorsports und kann auf eine Vielzahl von Erfolgen blicken: Klassensiege bei den 24 Stunden von Daytona 2018 und 2019, ein weiterer 2019 beim 12-Stunden-Rennen von Sebring sowie diverse DTM- und ADAC GT Masters-Rennsiege. Auch 2025 möchte Grasser mit seinem Team wieder in der DTM an den Start gehen.

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