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September 2019

Numerus Sausus

In der Formula Student tüfteln Hochschüler weltweit an irre schnellen "Diplomarbeiten". Wir haben uns über mehrere Wochen ins Rennteam der TU Wien eingeklinkt und durften zum Schluss sogar dessen Werkstück "Edge 10" testen.

Beim Wegfahren kommt zuerst einmal der kleine Hirnschmerz. Also jenes höchst interessante, von leichtem Schwindel begleitete Gefühl, das potente Elektrofahrzeuge im Kopf erzeugen, wenn man das Strompedal forsch durchdrückt.

Ich sitze im "Edge 10"-Prototypen des Formula-Student-Teams der TU Wien, Schauplatz ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum Teesdorf, und schon vom Start weg schaltet meine optische Wahrnehmung ins Notprogramm. Knapp drei Sekunden braucht der 80 kW starke und nur 170 Kilo schwere Einsitzer auf Tempo 100 – wobei das gar nicht einmal die aufregendste Zahlenspielerei an diesem Gefährt ist.

Viel beeindruckender nämlich: die Aerodynamik des "Edge 10". Schon in der Aufwärmrunde muss ich den Helm anlehnen, weil meine untrainierte Genickmuskulatur die Querbeschleunigung dieses Dings schlicht nicht packt. Das monströse Flügelwerk beginnt bereits ab 50 km/h konstruktiv zu arbeiten und sorgt dabei für kaum vorstellbare, tatsächlich als brutal empfundene Kurvengeschwindigkeiten. Völlig irre: Ab Tempo 120 könnte der "Edge 10" theoretisch sogar kopfüber an der Decke fahren, so stark ist die "Downforce" (der Abtrieb) – ausprobiert haben das die jungen Konstrukteure freilich noch nie.

Aber beginnen wir doch am besten von vorne. Für die Geschichte, die Sie soeben lesen, durfte ich mich als allererstes Nicht-Teammitglied nicht nur selbst ins enge Cockpit des "Edge 10" zwängen, sondern die Burschen und Mädels der TUW Racing-Crew schon wochenlang vorher hautnah begleiten: beim konzentrierten Schrauben in der Werkstatt, beim gemütlichen Chili-Kochen, bei der nervösen Präsentation für die Sponsoren an der TU – und schließlich bei unserem zweitägigen Tracktest am ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum Teesdorf…

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Schon in der Aufwärmrunde muss ich den Helm anlehnen, weil meine Genickmuskulatur die Querbeschleunigung schlicht nicht packt.

Christoph Löger, Redakteur

Blick hinter die Kulissen und ab auf die Strecke!

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Was ist die Formula Student?

Grundsätzlich handelt es sich bei der Serie um einen internationalen Konstruktions-Wettbewerb für Studenten, der 1981 in den USA entstand und dann auch in Europa Fuß gefasst hat. Das Ziel: in Teamarbeit ein einsitziges Formel-Rennauto zu entwerfen und zu fertigen, um die im Technik-Studium gelernte Theorie in die Praxis umzusetzen. Jährlich treffen sich die Teams dann auf Rennstrecken wie dem Red Bull Ring, Silverstone oder Hockenheim, um ihre Prototypen miteinander zu vergleichen.

Zur Ermittlung des besten Fahrzeugs bewertet eine Experten-Jury aus der Motorsport-, Automobil- und Zulieferindustrie zum einen jede Konstruktion, jeden Kostenplan und jede Verkaufspräsentation, zum anderen beweisen die Studenten auf der Strecke in Disziplinen wie Beschleunigung, Handling, Dauerbelastung oder Energieeffizienz, wie sich ihre selbstgebauten Boliden bewähren. Da die Teams den Juroren auch ein fiktives Geschäftsmodell präsentieren müssen, gewinnt also nicht bloß das schnellste Auto, sondern jene Mannschaft mit dem besten Gesamtpaket aus Konstruktion, Rennperformance, Finanzplanung und Verkaufsargumenten.

Extrem wichtig dabei: die Förderung durch die Auto-Industrie, speziell, was Sponsoring und Talentsuche betrifft. Ein simples Hochschüler-Hobby ist die Formula Student nämlich nicht: Immerhin stecken etwa in dem von uns gefahrenen "Edge 10"-Prototypen des TUW Racing Teams sagenhafte 5 Millionen Euro Entwicklungskosten, wenn man vom ersten Designstrich bis zum finalen Produkt hochrechnet. Die reinen Materialkosten belaufen sich dabei auf rund 600.000 Euro – aufs Kilo dividiert ein mehr als stattlicher Preis.

Wieviel Arbeit hinter diesem Projekt steckt, haben wir in den Wochen vor unserem finalem Exklusiv-Test hautnah (und staunend) miterlebt. Begleiten Sie die Studenten und den Autor dieser Zeilen nun bei einer Foto-Story – auf dem Weg von der chaotischen Hinterhof-Werkstatt über die feine Dachterrassen-Präsentation zum im Endeffekt wichtigsten Schauplatz, auf dem das Werkstück kompromisslos und fehlerfrei reüssieren muss: Renn-Asphalt.

Zahlenspiele: die Technik des "Edge 10"

* Permanenterregter Synchronmotor (selbst entwickelt)
* Leistung: 40 kW pro Hinterrad (gesamt 80 kW oder 109 PS)
* Max. 20.000 Umdrehungen pro Minute
* Drehmoment: 380 Nm pro Hinterrad
* 0-100 km/h in 3,1 Sekunden
* Gesamtgewicht: 169 Kilogramm
* Selbst entwickeltes Akku-Pack
* Radstand: 1.575 Millimeter
* Einteiliges Karbon-Monocoque

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1 Rund 5 Millionen Euro Entwicklungskosten: der "Edge 10"-Prototyp des TUW Racing Teams. © markuszahradnik.com

2 Auffälligstes Merkmal: der riesige Heckflügel. © markuszahradnik.com

3 An jedem Hinterrad arbeitet ein 40 kW starker Elektromotor. © markuszahradnik.com

Hintergrund: die Formula Student in Österreich

"Unsere" Crew für diese Reportage, das TUW Racing Team, kann eine beeindruckende Erfolgsgeschichte vorweisen: Nach der Gründung im Jahr 2007 konnten die Wiener Studenten bereits beim ersten Rennen im englischen Silverstone 2008 den Award für Engineering Excellence entgegen nehmen und im gleichen Jahr zahlreiche weitere Top-Platzierungen einfahren. Seither fällt die Mannschaft – aktuell unter der Leitung des 23-jährigen Teamchefs Alexander Eder – immer wieder durch radikale Leichtbau-Konzepte und spannende Innovationen vor allem in den Bereichen Antrieb und Fahrwerk auf.

Neben TUW Racing, das sich bei der Entwicklung bereits ganz auf die Elektro-Zukunft konzentriert, gehen in der Formula Student momentan drei weitere heimische Teams an den Start – allesamt (noch) in der Verbrenner-Klasse: die TU Graz, die FH Joanneum Graz und der FH Campus Wien.

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TUW Racing: Team-Präsentation 2019 an der TU Wien.

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