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Elektrische Kraft im Überfluss. Bis die Batterie aufgibt. Unter Volllast hält sie nämlich nur fünf bis zehn Minuten durch.

© Heinz Henninger

Elektrische Kraft im Überfluss. Bis die Batterie aufgibt. Unter Volllast hält sie nämlich nur fünf bis zehn Minuten durch.

© Heinz Henninger
März 2018

Spannung im Stohl-Werk

Die Weltmeisterschaft des Rallycross wird in Zukunft elektrisch ge­fah­ren. Manfred Stohl zeigt vor,  wie so eine E-Rakete ausschauen könnte. auto touring fuhr auf dem heißen Sitz mit.

Er hat's schon wieder getan. Manfred Stohl: Technik-Tüftler aus Groß­en­zer­s­dorf, Rallye-Weltmeister und nun Rallycross-Rebell. Vor Jahren hat er mit seinem Erdgas-Renner die heimische Rallye­meister­schaft aufgemischt. Jetzt ist er stark unter Strom. Mit einem elektrischen Rallycross-Auto Marke Eigenbau.

Die FIA hat auf Basis seiner Entwicklung das Reglement für die elektrische Rallycross-Weltmeisterschaft er­arbeitet. Wir waren dabei, durften mitfahren, zurück in die Zukunft – im ÖAMTC Fahrtechnikzentrum am Wachauring in Melk.

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Testfahrt auf dem Wachauring

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"Gemmas an!", lächelt Manfred verschmitzt. Er weiß, was jetzt kommt. Bei mir steigt die Spannung. Im Auto ist sie längst aufgebaut. Stohls Rallycross-Bolide, der STARD Hiper MK1, basiert auf einem Rallye-Peugeot 207 S2000. Doch statt des klassischen Verbrennungsmotors sorgen hier zwei Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 400 Kilowatt für mächtig Schub, einer über der Vorder-, einer über der Hinterachse.

Der Elektro-WRX beschleunigt gleichmäßig brachial, wie von einem Gummiband gezogen.

Christian Stich, Redakteur

Ich streife den Helm über und kraxle im Stile eines Kunstturners über den Sicherheitskäfig auf den schmalen Schalensitz. Den Sechspunktgurt festgezurrt. Ab sofort ist bewegen unmöglich. Es kann losgehen. Manfred drückt den Startknopf. Es rumort, knistert. Ein letzter prüfender Blick aufs Infodisplay. Kurz wird es still.

Wir setzen uns in Bewegung, rollen zum Startpunkt. Das heftige Scheppern des Differenzials ist abenteuerlich, irgendwie beunruhigend. "In einem konventionellen Renn­auto übertönt das der Verbrennungsmotor", erklärt Manfred. Dann wird's ernst.

Der Rallye-Weltmeister drückt aufs Pedal. Das Elektro-WRX legt furios los. Unbarmherzig werde ich in den Sessel gepresst. Wen wundert's, 760 Newtonmeter reißen wie verrückt an. Wir ­nähern uns der ersten Kurve. Der Schotter prasselt ans nackte Blech. Manfred stellt den Wagen kurz an (mit einer Art Handbremse leitet er die Kraft der ­E-Motoren wahlweise an Vorder- oder Hinterachse) und wir fliegen quer ums Eck. Links, rechts, Kurve um Kurve. Nur einer spielt plötzlich Spaßbremse: die Batterie. Die braucht nämlich wieder Power. Wir hätten heute noch genug davon…

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Manfred Stohl: Interview mit dem Rallycross-Rebell

—Manfred, ab 2020 wird in der FIA Rallycross Weltmeisterschaft nur mehr elektrisch gefahren. Du hast schon vorab, bevor es ein Reglement dafür gab, ein elektrisches WRX-Auto gebaut. Was wolltest Du beweisen?

Manfred Stohl:Als mit der Planung angefangen haben, wussten wir noch gar nicht, dass sich das Reglement in diese Richtung entwickeln würde. Als das Bio-Gas-Projekt für den Rallyesport 2010 beendet war, haben wir gesagt: Wir brauchen etwas Neues, eine neue Alternative. Und wir hatten die Idee, ein elektrisches Rallycross-Auto zu bauen. Dass es in naher Zukunft eine elektrische Weltmeisterschaft geben wird, war für uns reiner Zufall.

—Wo fängt der Umbau auf ein Elektro-Auto an?

Manfred Stohl:Als erstes haben wir das Auto komplett auf dem Computer im CAD-Programm gezeichnet. Fix und fertig: mit den Motoren, der Batterie, mit allem was dazu gehört. Damals haben wir sogar eine staatliche Förderung für die Batterie erhalten. Und dann ist der Bau losgegangen.

—Mittlerweile hat die FIA das Reglement bekanntgegeben. Was passt alles und wieviel musst du am Auto verändern?

Manfred Stohl:Als beschlossen wurde, ab 2020 elektrisch Rallycross zu fahren, hat uns die FIA von Anfang an als Consulter in die technische Elektro-Arbeitsgruppe aufgenommen. Auf Basis unseres Autos wurde das Reglement dann aufgebaut. Trotzdem wird dieses Fahrzeug so niemals einen WM-Lauf fahren. Wir haben aktuell zweimal 200-kW-Motoren, die FIA hat entschieden, in Zukunft zweimal 250-kW-Motoren zu nehmen. Wir haben das Auto auf Basis eines normalen Straßen-Chassis aufgebaut, in der WM wird es dann nur noch Monocoques geben. Aber ca. 70 bis 80 Prozent unserer Basis stimmen mit den zukünftigen Rallycross-Autos überein.

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Ungewohnte Leere unter der Haube.
Stohl_HEN_5763_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Ein 200 kW-Elektromotor vorne…
Stohl_HEN_6596_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
… und nochmals 200 kW im Heck.

— Der zweifache Rallyecross-Weltmeister Petter Solberg hat gemeint, er hätte keine Freude mit der elektrischen Zukunft. Wieso du?

Manfred Stohl:Ich kann ihn verstehen. Es ist schwer für jeden, der es noch nicht probiert hat. Ich hatte am Anfang mit der Idee eines elektrischen Rennautos auch keine Freude. Aber schon nach der ersten Fahrt war ich total begeistert. Ich glaube, dass auch Petter Solberg und auch alle anderen Stars ihre Meinung ändern werden, wenn sie das erste Mal in so einem Auto drin sitzen.

— Du hast dieses Auto auch FIA-Präsident Jean Todt präsentiert. Wie war seine Reaktion?

Manfred Stohl:Jean Todt war sehr interessiert. Auch überrascht, dass wir schon so früh ein elektrisches Rallycross-Auto fertig haben und sogar damit Testeinsätze fahren.

— Du bist als einziger Privater unter Herstellern in die technische Kommission der FIA berufen worden. Wie kam das? Hersteller werden vermutlich keine Freude haben, wenn du als Privater Entwicklungen vorgibst?

Manfred Stohl:Es war natürlich am Anfang ein Widerstand von den Herstellern zu spüren. Auch weil in der Arbeitsgruppe viele geheime Projekte besprochen werden, auch Zukunfts-Visionen sind Thema. Aber die FIA wollte uns mit unserer Erfahrung und unserem Know-how unbedingt dabei haben.

Stohl_Jean Todt_Reismann _CMS.jpeg Reismann © Reismann
Manfred Stohl präsentiert FIA-Präsident Jean Todt vor dem ÖAMTC Mobilitätszentrum in Wien-Erdberg seine Demo-Version eines elektrischen Rallycross-Supercars. 

— Was könnt ihr als Privat-Team bewirken?

Manfred Stohl:Wir wollen einfach unsere Wünsche und Probleme, aber auch die Anliegen aller zukünftigen Privatteams in dieser Kommission vertreten.

— Nun willst du doch nicht elektrisch in der heimischen Meisterschaft gegen die Benziner antreten. Hätte das überhaupt funktionieren können im Sinne der Chancengleichheit?

Manfred Stohl:Grundsätzlich gibt es noch immer die Möglichkeit, dass wir mit diesem Auto in der österreichischen Meisterschaft an den Start gehen. Chancengleichheit kann es nur dadurch geben, dass unsere Motorleistung auf ein Niveau der Benziner reglementiert wird. Plus Zusatzgewichte, die unser Auto schwerer machen würden. Es ging mir nie darum, in Österreich alles in Grund und Boden zu fahren. Es ging immer nur darum, die Technologie weiterzuentwickeln, zu verstehen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg.

— Gibt es Widerstand von Konkurrenten?

Manfred Stohl:Ich weiß es nicht. Aber ich denke, man hat schon verstanden, dass es mir nicht darum geht, irgend jemandem den Meistertitel wegzunehmen oder die Show zu stehlen. Wir wollen Vorreiter im elektrischen Rallycross sein, so wie wir früher mit Bio-Gas Rallyes gefahren sind.

— Du warst, glaub' ich, nie österreichischer Rallyemeister. Ist Rallycross ein neuer Anlauf?

Manfred Stohl:Stimmt. Ich würde den Titel mitnehmen, wenn er daherkäme, aber es ist kein vorrangiges Ziel. Ich hab in meinem Leben sehr viel Schönes erlebt, sehr viele Erfolge gehabt, auch international. Mir fehlt nichts.

— Erkläre doch bitte die Besonderheiten an deinem Elektro-WRX.

Manfred Stohl:Das Auto ist auf der Basis eines Rallyeautos, eines Peugeot 207 S2000, entstanden. Hat zweimal 200 Kilowatt, also 544 PS. Allrad, 1.340 Kilo ohne Fahrer, die Batterie hat 26 Kilowatt-Stunden, die Leistung würde bei einem Serienauto für 280 Kilometer reichen. Im Rennbetrieb gerade mal für 5 bis 10 Minuten. Es gibt ein vorderes und hinteres mechanisches Differenzial. Vorder- und Hinterachse werden elektronisch angesteuert. Spannend für die Software-Ingenieure, speziell was die Einstellung der Achsen zueinander betrifft.

— Und wie fährt sich ein Elektro-WRX im Vergleich zu einem Benziner: beim Einlenken, Driften, so ganz ohne Schaltung?

Manfred Stohl:Speziell ist das Drehmoment: In 30 Millisekunden sind 800 Nm abrufbar. Da hatten wir anfangs große Probleme mit der Hauptantriebswelle, besonders wenn das Auto abhebt. Rein fahrerisch ist kein großer Unterschied spürbar. Der Sound fehlt mir nicht. Wie gesagt, in der Abstimmung von Vorder- zur Hinterachse müssen wir noch viel lernen.

— Und beim Start?

Manfred Stohl:Da steht Verbesserung ganz oben auf unserer Agenda. Aktuell ist es so: Du stehst am Start, alles ist ruhig. Du wartest, die Startampel zeigt noch rot. Ohne Kupplung stehst der Fuß auf dem Gaspedal, wenn du zitterst, bewegt sich das Auto zu früh. Ich denke, wir werden das ähnlich wie bei den Benzinern lösen. Einen Knopf gedrückt halten, auf Vollgas gehen und den Knopf auslassen, wenn die Ampel umspringt.

—Rallycross hat ja relativ kurze Läufe. Wie weit kommst du mit einer Batterieladung und wie lange dauert das Wiederaufladen?

Manfred Stohl:Es ist geplant, die Batterie in zehn Minuten zu wechseln. Beim Rallycross ist zwischen den Läufen oft zwei Stunden Zeit, da könnte die Batterie bis zu 80 Prozent aufgeladen werden.

—Kann elektrischer Motorsport wirklich die Zukunft sein?

Manfred Stohl:Ich denke, wenn das Speichermedium weiter verbessert wird, mit Sicherheit. Im Rallycross ist es mit sofortiger Wirkung möglich. Es wird kommen – überall.

—Fährst du auch privat elektrisch?

Manfred Stohl:Ja, ich lebe am Stadtrand von Wien, habe den Vorteil, jeden Tag in meiner Garage das Auto aufzuladen. Ich fahre damit nur in die Firma oder zum Flughafen, das geht elektrisch wunderbar. Ich bin total happy damit.

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