Brandenburgerc_ScholvienOCV_CMS.jpg Kurt Zeillinger / visitBerlin, Foto: Wolfgang Scholvien
© Kurt Zeillinger / visitBerlin, Foto: Wolfgang Scholvien
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August 2024

10 Wende-Punkte in Berlin

Vor bald 35 Jahren fiel die Mauer. Die friedliche Revolution veränderte Europa. Grund genug, in Berlin nach den Spuren der Wende zu suchen.

Es war am 9. November 1989, als das im TV übertragene Stottern eines blassen DDR-Apparatschiks für den größten Wendepunkt der europäischen Nachkriegsgeschichte sorgte: "Nach meiner Kenntnis ... sofort, unverzüglich", lautete seine Antwort auf die Frage, wann Reiseerleichterungen für Ostdeutsche in Kraft treten sollten. Der Tagesschau-Beitrag von damals und die Berichte der darauffolgenden Ereignisse verursachen noch immer Gänsehaut.

Heute, bald 35 Jahre später, ist von der Mauer als Bauwerk kaum mehr etwas übrig. Junge Menschen in Berlin spüren sie nicht einmal mehr im Kopf. Aber noch immer gibt es deutliche Unterschiede zwischen West und Ost. Der im Osten aufgewachsene Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann thematisiert sie in seinem Buch "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung". Die drei Fragen, die ihm auto touring stellte, beantwortete er kurz, bündig – und pessimistisch:
- Ist, wie Willy Brandt es ausdrückte, zusammengewachsen, was zusammengehört? „Nein.“
- Ticken die Menschen diesseits und jenseits der ehemaligen Grenze anders? „Ja.“
- Wann wird sich das Durchschnittseinkommen angeglichen haben? „Nie.“

In Berlin ist davon kaum etwas zu spüren. Berlin ist keine vordergründig schöne Stadt wie Prag, Budapest oder Wien, zu viel ist zerstört worden. Aber Berlin hat sich im Laufe seiner Geschichte immer wieder neu erfunden. Die Stadt hat sich trotz ständig klammer Finanzen („arm, aber sexy“, sagte ein früherer Bürgermeister) zur Weltmetropole entwickelt. Eine Spurensuche der Relikte der Zeit rund um die Wende fasziniert auch 35 Jahre danach. Hier sind zehn Wende-Punkte dazu.

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1. Brandenburger Tor

Wer an den 9. November 1989 denkt, hat noch immer die Bilder im Kopf, in denen Menschen plötzlich auf der einst als Todeszone streng bewachten Mauer stehen: Bilder, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Eine Frage, die viele stellen: Wie war das möglich, dass sich auf der schmalen Mauer so viele Menschen drängten? Die Antwort: Dieser Teil der Mauer war anders als die restlichen 156 Kilometer. Er war niedriger und drei Meter breit, weil er gleichzeitig als unüberwindbare Panzermauer dienen sollte. Die Lehre aus der Geschichte: Menschen mit friedlicher Gesinnung haben mehr Macht als Panzer.

Heute ist die Mauer am Brandenburger Tor längst Geschichte. Man flaniert entspannt von Ost nach West (der Pariser Platz an der Ostseite des Tores ist Fußgängerzone mit Ausnahmen für Radfahrende und Taxis), lässt sich zwischen Gauklern und musizierenden Menschen treiben, gönnt sich eine Pause in einem der Cafés oder eine Currywurst an einer der Buden auf der Westseite.

2. Die Mauer – oder ihre Reste

Für Jüngere ist es heute kaum vorstellbar, dass eine nur unter Lebensgefahr überwindbare Mauer eine halbe Großstadt abriegelt. Wie es dazu kam, wird in Text, Bild und Video hier gut erklärt. In der Nacht von 12. auf 13. August 1961, als DDR-Soldaten an der Grenze zwischen den Ost-und Westsektoren der Stadt zuerst einmal Stacheldrahtrollen auslegten, wollte niemand glauben, dass der „antifaschistische Schutzwall“ (DDR-Diktion) 28 Jahre lang Bestand haben sollte. Stunden später, als man mit dem Bau einer Mauer begann, hatte man Gewissheit: Nichts wird mehr so, wie es früher war. Wer in Ostberlin (günstiger) lebte und in Westberlin arbeitete (und mehr verdiente), war seinen Job los, unzählige Familien wurden zerrissen. Hunderte Fluchtversuche von Ost nach West endeten nach dem Schießbefehl vom 20. September 1961 tödlich.

Heute sind nur noch wenige (denkmalgeschützte) Fragmente der Mauer und des auf Ostseite angelegten Todesstreifens übrig. Die ersten, die gleich im November 1989 mit dem Abbau begannen, waren die Mauerspechte, die sich mit dem Hammer Fragmente herausklopften – als Souvenir oder zum Verkauf. Begehrt waren vor allem die bunt besprayten Fragmente der West-Seite. Die Ostberlin zugewandte Seite war unbemalt, weil sie nie frei zugänglich gewesen war. Ende November 1990 war der Abriss – bis auf die heutigen Reste – vollendet.

Diese lassen sich heute am besten im Rahmen einer geführten Fahrradtour erkunden. Die rund 15 Kilometer wird in etwa dreieinhalb Stunden absolviert, Räder und Helme werden beigestellt, ein Guide vermittelt dabei historische Hintergründe.

Schon beim 30-jährigen Jubiläum war auto touring bei so einer Radtour dabei, die Reportage, die auch ausführlich über die Geschichte der Mauer informiert und in der ein Zeitzeuge über seinen gescheiterten Fluchtversuch spricht, findet sich hier.

3. Bernauer Straße

Eine Radtour auf den Spuren der einstigen Mauer führt auch zu einem Ort, an dem sich ab den frühen Morgenstunden des 13. August 1961 ganz skurrile tragische Situationen abspielten. Die Bernauer Straße liegt zwischen den Bezirken Wedding (damals Westberlin) und Mitte (damals Ostberlin). Die Häuser an ihrer Südseite gehörten damit schon zur DDR, die Gehsteige davor aber nicht. Deshalb sprangen binnen weniger Stunden viele Bewohner aus den Fenstern nach West-Berlin, doch bald wurden die dort lebenden Familien abgesiedelt und die Fenster zugemauert. Danach riss man die Häuser ab, lange Jahre blieben nur ihre Fassaden bis zum ersten Stockwerk stehen – quasi als schauriges Denkmal und Mauer gegen Westberlin. Dahinter wurde alles planiert, mit Sperren, Scheinwerfern und Wachtürmen ausgestattet. Heute bringen eine Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum an der Bernauer Straße Interessierten die Geschichte näher.

An der Gedenkstätte werden zu bestimmten Terminen auch Zeitzeugen eingeladen, um über ihr persönliches Schicksal in Verbindung mit Mauerbau, Mauer, Flucht und Gefängnis zu erzählen. Etwa Menschen wie Hartmut Richter (76). Er unternahm 1966 einen Fluchtversuch über die damalige ČSSR nach Österreich, wurde aber von den Grenzern noch in der DDR aus dem Zug geholt, wegen eines „Passvergehens“ vier Monate in U-Haft genommen und zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Abitur (Anm.: österr. Matura) zu machen, wurde ihm verwehrt. Im Sommer unternahm er einen weiteren Fluchtversuch, diesmal in der Nacht schwimmend durch den Teltowkanal im Süden Berlins. Er schaffte es.

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Hartmut Richter im auto touring-Interview mit einem Foto, das ihn 1966 an der Stelle seiner Flucht zeigt.
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Hier am Teltowkanal hatte er die Grenzlinie durchtaucht. 
IMG_8554.JPG Kurt Zeillinger © Kurt Zeillinger
Am 4. März 1975 wurde er als Fluchthelfer aufgegriffen. Im Kofferraum waren die Schwester und ihr Verlobter.

Hartmut Richter ließ sich in Westberlin nieder, wurde Steward auf einem Kreuzfahrtschiff, um nach vier Jahren auf See 1972 zurückzukehren. Als Westberliner durfte er nach Vorlage eines Personalausweises auf genau definierten Transitstrecken ohne Gepäckkontrolle in die Bundesrepublik fahren. Ein Abweichen von diesen Routen war streng verboten. Richter probierte es dennoch – und wurde nicht entdeckt. Dadurch motiviert, begann er sich in Sachen Fluchthilfe zu engagieren. "Ich legte mir einen Ford Escort zu, denn der hatte die stärksten Federn an den Hinterrädern“, erzählt er. "Für jede Transitfahrt gab es eine definierte Zeitspanne, länger durfte es nicht dauern. Und nicht weit von der Transitstrecke Berlin–Hamburg lag das Grundstück meiner Eltern.“ Dort traf er bis Anfang 1975 33 Menschen, die er im Kofferraum versteckte. Nach zwei Stunden Fahrt überquerten sie die innerdeutsche Grenze und waren im Westen.
Am 4. März verstaute er seine Schwester und deren Verlobten im Kofferraum. Was er nicht wusste: Dass bei "begründetem Verdacht“ kontrolliert werden konnte. Und dass die Staatssicherheit Listen angelegt hatte, wer wann auf der Transitstrecke gefahren war. Als Vielfahrer wurde er an der Kontrollstelle zur Seite gewunken. "Man versetzte mir einen Tritt zwischen die Beine und öffnete den Kofferraum. Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen.“ Die Folge: Richter wurde verhaftet und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Absitzen musste er keine fünf davon. Er wurde durch die Bundesrepublik freigekauft.

4. Café Sibylle

Ein Kaffeehaus als Wende-Punkt? Dieses hier auf alle Fälle, obwohl es wenig mit den Ereignissen rund um 1989 zu tun hat. Aber es ist ziemlich original so erhalten, wie es als eines der führenden Kaffeehäuser Ostberlins vor der Wende aussah.

Seinen Namen hat es von der führenden Modezeitschrift der DDR. Hier in der Karl-Marx-Allee im Bezirk Friedrichshain trafen sich die wenigen Modemacher mit ihren Models und Fotografen. Die Allee selbst führt über 2,3 Kilometer vom Alexanderplatz nach Osten, hieß bis 1961 Stalinallee – und könnte auch in Moskau stehen. Denn die Häuser an ihr, die als "Arbeiterpaläste“ gebaut wurden, sind deutlich von damals zeitgenössischer sowjetischen Monumentalarchitektur inspiriert. Sie sollten dem Westberlinern zeigen, wie gut es den Menschen im Osten geht. Heute stehen die kilometerlangen acht- bis zwölfgeschoßigen Bauten unter Denkmalschutz.

5. Tränenpalast

Woher die verglaste Halle am Bahnhof Friedrichstraße ihren Namen hat? Die Geschichte ist rasch erzählt: Es handelt sich um die 1962 als DDR-Prestigebau errichtete ehemalige Ausreisehalle des Bahnhofs. Weil Ostberlinern Fahrten in den West-Teil der Stadt verboten waren, aber Westberliner ihre Verwandten und Freunde mit einem Tagesvisum hinüberdurften, kam es vor dem Bau zu rührenden Verabschiedungen. Im Inneren wurde subtil Polit-Image gepflegt: Einreisende, die mit der U- oder S-Bahn aus West-Berlin ankamen, erlebten den Weg zum Tränenpalast als weit und hell, in der Gegenrichtung dagegen dunkel. Heute sind die Kontrollstellen im inneren Teil, an denen Beamte der Staatssicherheit im Grenzpolizei-Outfit Dienst taten, einer sehenswerten Dokumentation, die kostenlos zugänglich ist.

Traenenpalast_8526_CMS.JPEG Kurt Zeillinger © Kurt Zeillinger
Der Anbau des S-Bahnhofs Friedrichstraße...
Foto_AxelThuenker NEU_CMS.jpg Axel Thünker © Axel Thünker
... heißt im Volksmund Tränenpalast.
Traenenpalast_8527_CMS.JPEG Kurt Zeillinger © Kurt Zeillinger
Gegenüber am anderen Ufer der Spree: das Kult-Wirtshaus "Ständige Vertretung".

6. Stadtschloss

Ein Ort der gewollten Metamorphose, an dem die jeweiligen Machthaber die Geschichte in ihrem Sinne umdeuteten. Zuerst stand auf dem südlichen Teil der Museumsinsel zwischen dem westlichen und dem östlichen Arm der Spree gegenüber dem Berliner Dom das Schloss der Hohenzollern. Das mittelalterliche Gebäude wurde von Andreas Schlüter Anfang des 18. Jahrhunderts im norddeutschen Barockstil umgebaut. Am Ende des Zweiten Weltkriegs teilweise abgebrannt wurde es 1950 von der DDR-Führung gesprengt, weil man kein imperialistisches Relikt an einer so prominenten Stelle im Stadtbild haben wollte.

Stattdessen errichtete man zwischen 1973 und 1976 im östlichen Teil des Areals den "Palast der Republik“. In diesem waren die Volkskammer, das Pseudo-Parlament der DDR, Cafés und Restaurants, kulturelle Einrichtungen, Säle für private und öffentliche Veranstaltungen, eine Bowlingbahn nach US-Vorbild und ein riesiger Veranstaltungssaal. Auch West-Künstler wie Carlos Santana, Mireille Mathieu und Waterloo & Robinson durften auftreten, Udo Lindenberg ("Sonderzug nach Pankow“) anfangs nicht – später aber doch. Und zwar 1983 zusammen mit Harry Belafonte vor sorgfältig vom Parteiapparat ausgewählten Publikum. Was ihn nach der Wende, als man den Palast 1990 wegen Asbestbelastung im Inneren schloss und 2008 abriss, zu einem Aquarell inspirierte.

Stadtschloss_8504_CMS.JPEG Kurt Zeillinger © Kurt Zeillinger

Lange und intensiv waren die Diskussionen, was man auf der riesigen Fläche machen könnte, bis man sich entschloss, ein neues Gebäude mit drei nach Originalvorlage rekonstruierten Fassaden des historischen Schlosses zu errichten. Auch der Hof ist nach altem Vorbild gestaltet, das Innere und die Ostfassade des heutigen Humboldt Forums sind hypermodern. Deshalb sprechen viele in Berlin auch von einem "preußischem Disneyland“. Egal: Von der begehbaren Dachterrasse des zwischen 2014 und 2020 entstandenen Gebäudes genießt man eine schöne Aussucht nach allen Himmelsrichtungen.

7. DDR-Museum

Klingt ziemlich nach Touri-Attraktion und verklärender Ostalgie, ist aber eine interessante Dokumentation auf niederschwelligem Niveau. Jüngeren, die mit dem Thema Wende wenig anfangen können, bietet ein Rundgang durch die interaktive Erlebnisausstellung ein spannendes Eintauchen in die Welt der DDR. So kann man etwa eine komplett eingerichtete Plattenbau-Wohnung von damals erleben, die gleichgeschalteten Tageszeitungen lesen oder in einem echten Trabant (der Zweitakt-"Volkswagen“ der DDR) Platz nehmen. Einen interessanten Vorgeschmack auf einen Besuch gibt auch die Online-Datenbank mit Tausenden Bildern ausgestellter Objekte.

8. Alexanderplatz

Mit dem namensgebenden Platz aus Alfred Döblins Großstadtroman "Berlin Alexanderplatz“ hat der heutige Ort nichts mehr zu tun. Aber für das DDR-Regime war der dicht bebaute Platz so wichtig, dass sie ihn zum Mittelpunkt Ostberlins hochstilisierten, die Ruinen der zerbombten Häuser bis auf zwei Blocks aus den 1930ern und die Bahnhofshalle plattwalzten, die baulichen Strukturen über den Haufen warfen und eine riesige Betonwüste schufen. Die bespielten sie mit repräsentativen Neubauten, etwa dem 368 Meter hohen Fernsehturm, dessen gläserne Turmkugel bei direkter Sonneneinstrahlung ein strahlendes Lichtkreuz zeigt – was ihm im Volksmund den Namen "Rache des Papstes“ einbrachte. Im nächsten Jahr soll der Spitzenkoch Tim Raue das Dreh-Restaurant in 207 Metern Höhe übernehmen.

Warum der Platz ein Wende-Punkt ist? Genau fünf Tage vor dem Fall der Mauer, am 4. November 1989, fand dort die größte Massendemonstration mit (je nach Quelle) 500.000 bis einer Million Menschen statt. Auch einige Vertreter des Regimes waren gekommen, um versöhnliche Reden zu halten. Die Kundgebung wurde im DDR-Radio live übertragen, als der Autor dieses Berichts gerade im Auto auf der Transitstrecke A9 in Richtung Bayern unterwegs war. Für ihn war es ein echter Gänsehaut-Moment, als die Menge Markus Wolf, den stellvertretenden Chef der Staatssicherheit, bei seiner Rede auspfiff, die Sendung dennoch weiterlief, unzensiert – und auch ohne Unterbrechung kritischer Reden durch Musik. Für ihn ein Indiz, dass dieser Staat nicht mehr lange Bestand haben sollte.

9. Stasi-Zentrale

Weil gerade von der Staatssicherheit (Stasi) die Rede war: Deren Chef Erich Mielke residierte in einem siebenstöckigen Komplex aus 25 Plattenbauten in Berlin-Lichtenberg. Das Hauptgebäude, das einst den Sitz des gefürchteten Stasi-Chef beherbergte, ist heute als Stasimuseum allen Interessierten zugänglich. Man sieht darin, mit welchen technischen Tricks die insgesamt 90.000 hauptamtlichen und mindestens doppelt so vielen informellen Mitarbeiter aushorchten und bespitzelten: Wie in den westlichen Bond-Filmen kamen Mini-Kameras in Knopflöchern, Lippenstiften und Füllfedern zum Einsatz, versteckte Richtmikrofone in Gießkannen und Vogelhäuschen, Wanzen in Telefonen und hinter kitschigen Aquarellen und Heißluft-Feuchtgebläse zum Öffnen von Briefen.

Als Hauptattraktion gilt aber Mielkes Büro im ersten Stock, das seit seiner Errichtung 1961 bis zum erzwungenen Abschied als Stasi-Chef am 7. November 1989 unverändert war – und es bis heute noch ist. Auffällig: Die Einrichtung erscheint bieder und banal.

10. Sommerhaus am See

Die bewegten Zeitläufte im 20. Jahrhundert lassen sich vermutlich nirgendwo besser dokumentieren als in Berlin. Jede Epoche hat ihre Spuren hinterlassen – und es waren viele Epochen: Kaiserreich bis 1918, Republik bis 1933, nationalsozialistische Diktatur bis 1945, DDR/BRD und damit geteilte Stadt bis 1989, Wiedervereinigung 1990. Ein kleiner Ausflug hinaus aus der Stadt verdeutlicht das auf spannende Weise.

Zuerst geht es mit dem Auto oder dem Bus nach Potsdam – und zwar über die Glienicker Brücke. Die verband (hier besser: trennte) Westberlin von der DDR, war für den allgemeinen Verkehr gesperrt und durfte nur von Diplomaten, genutzt werden. Da die Brücke von den Amerikanern kontrolliert wurde und die Potsdamer Seite direkt an die sowjetische Besatzungszone grenzte, hatte sie eine besondere strategische Bedeutung. Auf dieser Brücke tauschten die USA und die Sowjets 1962, 1985 und 1986 ihre gefangen genommenen Spione aus. Von der Brücke sind es rund 15 Kilometer, vorbei am Schloss Celcilienhof, wo die Alliierten 1945 Europas Nachkriegsordnung ausmachten, in Richtung Norden.

Ziel ist das Alexander Haus am Groß Glienicker See, ein Holzhaus, das der jüdische Berliner Arzt Alfred Alexander 1927direkt am Ufer für seine Familie zimmern ließ. 1936 musste er vor den Nazis nach England fliehen, ein linientreuer Komponist übernahm das Haus und bewohnte es bis 1952. Danach war es Heim für zwei DDR-Familien, erlebte die Abtrennung vom See (der gehörte zu Westberlin) durch den Bau von Mauer und Sperrzone. Von 2003 an stand es leer und wurde verwüstet, bis Thomas Harding, ein Verwandter Alexanders seine Revitalisierung als Museum und Mahnmal initiierte. Die Geschichte des Hauses schildert er in einem Buch, ein sehenswerte Dokumentation über Geschichte und Wiederaufbau findet sich auf der Website des Alexander Hauses.

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