Kapstadt, No 1 Adderley Street, Paul Sauer Building. Ein Hochhaus gegenüber dem Hauptbahnhof. Freundliche Bedienstete begrüßen mich mit einem Glas Sekt, nehmen mir das Gepäck ab und begleiten mich in eine Lounge im Erdgeschoß. Während der Klavierspieler "Somewhere over the Rainbow" intoniert, füllt sich der Raum mit meinen Mitreisenden. Erstaunlich viele Menschen scheinen um die 30 zu sein, viele 50 plus – von den steinalten Witwen ist diesmal gar keine dabei. Englisch dominiert das Stimmengewirr, ein wenig Chinesisch ist zu vernehmen und etwas Russisch. Weil ich der einzige deutschsprachige Reisende sein dürfte, genieße ich die volle Aufmerksamkeit von Heike. Sie arbeitet seit Jahren für Herrn Vos und erklärt mir das Leben im Zug. Dass zum Abendessen ein Sakko Pflicht und eine Krawatte gern gesehen sei – mittags dürfe es ruhig legerer sein. Und dass es nun bald losgehe.
Montag, 11 Uhr: Es ist soweit. Wir gehen alle hinüber zum Bahnhof, der Zug steht schon bereit. Und alle Passagiere wissen genau, welches Abteil in welchem Waggon ihr Zuhause auf Schienen sein wird – je nach Kategorie gibt es bis zu fünf pro vierachsigem Waggon. Vor jedem wartet bereits eine Schienen-Stewardess. Meine heißt Melanie, sie führt mich in mein Deluxe-Abteil. Von so einem können Passagiere üblicher Züge nur träumen. Im Kasten hängen bereits meine Sachen, und ich versinke erst einmal kurz im Ohrensessel neben dem Bett, um das alles auf mich wirken zu lassen.
Montag, 11 Uhr 10: Ein Pfiff, und kurzes Ruckeln, und unser Zug setzt sich in Bewegung. Schön, dass ich nur vier Waggons durchqueren muss, um zum letzten zu kommen, dem Barwagen mit der Aussichtsplattform am Zugsende. Von hier aus erlebe ich, wie der Pride of Africa Kapstadt verlässt. Irgendwie merkwürdig, dass nicht mehr Menschen auf die Idee kommen, die vorbeiziehende Landschaft von hier aus zu verfolgen. Wir passieren moderne Wohnbauten und kurz danach die armseligen Blechhütten eines Townships – an den Kontrast zu dem temporärem Luxusleben im Zug muss ich mich erst gewöhnen. Aber bald durchqueren wir die üppig grüne Weinlandschaft von Paarl, riesige Hecken aus rot blühenden Rosen sorgen für Farbtupfer.
Montag, 13 Uhr: Ein diskreter Gong ertönt: Zeit zum Mittagessen, ab in den Speisewagen.
Montag, 14 Uhr 30: Es gab Boboti, eine Art faschierter Braten nach einem Rezept indonesischer Einwanderer: würzig und scharf. Danach ein Carpaccio vom Springbock – schmeckt leicht nach Reh – und schließlich Lamm. Dazu stets Wasser und den Wein der Region.
Montag, 15 Uhr: Ein kurzer Halt während des Desserts, aufgeregte Blicke nach rechts. Joe Mathala erscheint und deutet: Da stehen ein paar Giraffen um einen einsamen Baum. Wer ein gutes Tele mit hat, holt es heraus und freut sich über die formatfüllenden Savannenriesen. Ja, kontinuierlich ist die Gegend trockener geworden, wir nähern uns der kleinen Karoo-Ebene, einer Halbwüste.
Montag, 15 Uhr 30: Nickerchen im Zimmer – und ein Halt in Worcester. Ich stehe auf und gehe ans Zugsende zum Observation Deck. Sofort ist die Schienen-Stewardess zur Stelle, richtet mein Bett wieder her und leert den Papierkorb. Die Fenster werden rasch geputzt, und wir rollen schon weiter. Kurz darauf ein weiterer Halt, bis der Gegenzug vorbei ist und unserer in einem elendslangen Tunnel verschwindet.
Montag, 17 Uhr: High Tea im Barwaggon. Englisches Teegebäck, feine Patisserie, Kaffee, Tee, Karamelbonbons zum Abschluss.
Montag, 17 Uhr 30: Matjesfontein, unsere heutige Exkursion. Mit einem Londoner Oldtimer-Doppeldeckerbus geht es durch den kleinen Ort im Stil des Fin-de-Siècle. Aus einer Wasserstation für Dampfloks entwickelte sich bald – des trockenen Klimas wegen – ein mondäner Kurort, in dem die Zeit stehengeblieben scheint. Ein altes Postamt, eine Tankstelle wie aus einem Stummfilm, ein viktorianisch anmutendes Hotel, in dem unser Guide und Busfahrer zur singenden Stimmungskanone mutiert. Am Bahnhof noch ein Nostalgie-Museum – und ab in den Zug.
Montag, 20 Uhr: Ich lasse mir gerade einen Aperitif am Aussichtsdeck servieren – das Sakko habe ich vorsichtshalber schon an –, als der Gong ertönt. Abendessen, sehr ausführlich. Als ich zweieinhalb Stunden später wieder mein Abteil betrete, ist das Bett schon hergerichtet. Was soll die Heizdecke?
Montag, 23 Uhr 30: Es ist recht kühl geworden – darum die Heizdecke. Die monotonen Schlag-Geräusche der Räder, wenn sie über die Nahtstellen der Schienen rollen, machen müde.
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