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Das bunte Schiff hieß "Tohuwabohu", lag in Valun vor Anker und war in jeder Folge dabei.

© Satel Film

Das bunte Schiff hieß "Tohuwabohu", lag in Valun vor Anker und war in jeder Folge dabei.

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Januar 2017

Der Sonne entgegen

Durch die Insel Cres auf den Spuren einer Kult-TV-Serie aus den Achtzigern.

Doktor Günter Zack, Anwalt aus Salzburg, hat genug vom Stress und zieht die Reißleine. Ludwig Havratil, Cafetier aus Wien, reicht der Terror, den Schutzgeld-Erpresser auf ihn ausüben. Tankstellenbesitzer Hannes Meckelfeld hat seine Hamburger Schnauze voll von dem ewigen Gekeife von Frau und Schwiegermutter. Und der Münchener Schickeria-Maler Joe Felden ist frustriert, weil er genau weiß, dass er zwar ein gefeierter Star ist – aber leider halt kein ernsthafter Künstler mehr. 

Jeder von ihnen beschließt, von nun an alles anders zu machen. Ein Leben zu führen ohne Stress, ohne Mafia, ohne Gezänk und ohne Heucheleien. Ganz woanders.

Das ist der Plot zu der sehr erfolgreichen Aussteiger-Serie "Der Sonne entgegen“, die Mitte der Achtziger im österreichischen Fernsehen lief. Die Darsteller waren allesamt Publikumslieblinge: Heinz Petters mimte den Anwalt, Erwin Steinhauer den Kaffeehausbesitzer, Heidi Kabel spielte mit und Josef Meinrad – der gab den alten Luca, einen weisen Clown.

Gedreht wurde im damaligen Jugoslawien auf Cres, die heute zu Kroatien gehört. Wir begeben uns auf Spurensuche.

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Hinüber auf die Insel

Damals, 1984 und 1985, als die Serie gedreht wurde, gab es nur eine einzige Möglichkeit, die Insel mit dem Auto zu erreichen: die Fähre von Brestova in der Kvarner Bucht. Auch alle, die auf vier Rädern die Insel Losinj erreichen wollten, hatten praktisch kaum eine Alternative. Heute gibt es einen weiteren Anfahrtsweg: Zuerst von Rijeka aus über eine Brücke auf die Insel Krk, dann weiter über die Straßen 102 und 104 immer nach Süden zur Bucht von Valbisca. Von dort aus verkehrt seit 1990 regelmäßig eine Fähre nach Merag auf Cres. Wir nehmen jedoch – der Authentizität wegen – die "alte" Fähre von Brestova aus.

Brestova__HEN2245_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Brestova an der Kvarner Bucht: Die Fähre liegt bereits vor Anker.
Brestova__HEN2248_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Keine zehn Minuten später werden sich hier Autos und Busse Stoßstange an Stoßstange reihen.
Brestova__HEN2254_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Cres in Sicht! Die Überfuhr dauert exakt zwanzig Minuten.

Zuerst geht es steil bergauf

Acht Fahrspuren breit ist die Fähre. Wenn sie auf Cres ihre Klappe öffnet, kommt es stets zu einem Stau: Die einzige Straße, die vom Landepunkt ins Insel-Innere führt, verfügt seit eh und je über nur je eine Fahrspur pro Richtung. Und sie führt steil in vielen Kurven bergauf und den langgezogenen Berg entlang, der wie ein Rückgrat die Insel der Länge nach in zwei Hälften teilt. Wer auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat, ist im Vorteil, denn je höher sich Straße in die karstige Berglandschaft schraubt, desto schöner wird die Aussicht hinüber nach Istrien.

Cres ist eine karge Schönheit, besiedelt von mehr Schafen als Menschen. Der Norden, den wir jetzt durchqueren, ist das wilde Cres. Da kann es schon einmal vorkommen, dass Wildschweine unvermittelt die Straße queren, Ziegen über Leitplanken hechten und am Himmel Gänsegeier ihre Kreise ziehen.

Das Zentrum der Insel

Wir haben Cres erreicht, die Hauptstadt von Cres. Es ist Mittag, und ein Hauch von Knoblauch liegt in der Luft. Überall scheinen Fische auf den Grills zu liegen, eingepinselt mit Insel-autochthonem Olivenöl, das mit der markant duftenden Knolle aromatisiert wurde.

Der Ort ist noch immer geprägt von den Venezianern, die hier vom 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts – wie fast überall entlang der Oberen Adria – ihren Stützpunkt hatten. Danach gehörten Stadt und Insel bis 1918 zur Habsburger Monarchie, ausgenommen die Jahre zwischen 1805 und 1814. 

Trotz touristischer Strahlkraft geht es in dem pittoresken Städtchen, das von kaum 3.000 Menschen bewohnt wird, beschaulich zu. Für echten Massentourismus fehlen einfach die Quartiere. Es gibt nur ein einziges Hotel auf der Insel, das zehn Gehminuten vom Altstadthafen entfernte "Kimen" mit seinen 137 Zimmern. Hier waren Schauspieler und Filmcrew während der Dreharbeiten 1984 und 1985 über Wochen untergebracht und wurden täglich ins 15 Kilometer entfernte Valun gebracht – außer es stand gerade eine Szene im Ort Cres auf dem Drehplan.

Jetzt aber wirklich nach Valun!

Wir verlassen den Ort Cres und die geschützte Bucht, in der er liegt. Die Straße führt zuerst bergauf, bis an einer Abzweigung eine weitere, viel größere Bucht ins Blickfeld gerät. Da unten, irgendwo zwischen dem Buschwald und dem Meer, liegt Valun, das Epizentrum der TV-Aussteigersaga. Drei Seemeilen, also 5,6 Kilometer, sind es mit dem Schiff von Cres nach Valun, aber 15 Straßenkilometer – bis zum Parkplatz überhalb des Fischerdorfs. Denn hinunter darf nur zufahren, wer auch dort wohnt, also die 60 Einwohner. Und deren Hausgäste. Aber nur zum Ausladen.

Wir steigen die 60 Höhenmeter auf dem Fußweg hinunter, Stufe um Stufe, bis wir auf einem kleinen Platz am Meer stehen. Dann der Aha-Effekt: Alles schon einmal gesehen – im Fernsehen! Es hat sich in der Tat nicht viel verändert seit damals. Klar, die Häuser sind jetzt nicht mehr im Einheitsgrau von einst, sie erstrahlen jetzt in Weiß, Hellgelb und Pastellrosa. Und die Schilder, die nur für die Serie angebracht wurden, haben die Requisiteure ja gleich nach Ende der Dreharbeiten mitgenommen. Etwa das markante der Greisslerei im großen Rundbogen.

Der wirkliche Mittelpunkt der Serie aber war das Wirtshaus, in dem die Aussteiger ihre Abenteuer beratschlagten und deren erfolgreiche Absolvierung feierten – das gibt’s noch immer!

Zeit, ein Geheimnis zu lüften

Ich erlaube mir, in die direkte Rede zu wechseln, um Sie an meinen Erinnerungen teilhaben zu lassen – ich war nämlich dabei, als "Der Sonne entgegen" in Valun gedreht wurde. Nein, nicht als Schauspieler oder im Filmteam, sondern als Zaungast mit besonderem Zugang zur Produktion der Serie.

Es war Sommer 1985, und ich war noch nicht beim auto touring tätig, sondern mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Alfa Romeo Österreich beschäftigt. Mein Kollege vom Marketing hatte gerade einen Deal mit der Wiener TV-Produktionsfirma Satel abgeschlossen: Eines unserer Autos, ein Alfa Spider in Silbergrau-Metallic, sollte eine Rolle in der zweiten Staffel der Serie spielen. Frühes Product Placement also. Das Auto war in "meinem" Fuhrpark budgetiert und für zwei Monate vergeben. Es sollte einem vom Schauspieler Peter Fricke dargestellten Reporter, der von den Aussteigern Wind bekommen hatte, als Fahrzeug dienen. Die Rolle war so angelegt, dass dieser – eben mit diesem Cabrio –  zwecks Recherche nach Valun kam.

Auch ich kam nach Valun. Ich wollte eine Presseaussendung über unseren TV-Star auf vier Rädern machen, packte Notizblock, Kleinbild-Kamera und ein paar Filmpatronen ein, setzte mich in meine Dienst-Alfetta und fuhr los. Ich sollte mich bei Herbert Reutterer, dem Produzenten der Serie, melden. Als ich am Drehort eintraf, herrschte gerade Hektik am Hafen. Erwin Steinhauer posierte scheinbar dösend am Bug der Tohuwabohu, ein kleiner Bub kletterte in den Tauen und achtete, ihn nicht aufzuwecken. Drei Kameras hielten die Szene fest.

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Klar Schiff für Erwin Steinhauer, Margaretha Baumgartner, Towje Kleiner, Irmgard Riessen und Harald Gauster (v.l.n.r.).
SatelDer Sonne entgegen_15_CMS.jpg Satel Film © Satel Film
Schmeckt’s eh? Heidi Kabel bemuttert Erwin Steinhauer im Wirtshaus.
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Stelldichein am Strand: Heinz Petters, Janez Vrhovez, Peter Fricke, Harald Gauster und Margaretha Baumgartner (v.l.n.r.).

Reutterer nahm mich zur Seite und ging mit mir zwecks Interview in das vorhin beschriebene Wirtshaus. Nun saß ich an genau jenem Platz, den ich als Steinhauers Stammplatz aus der ersten Staffel der Serie identifizierte, und fragte den Produzenten: Warum gerade Valun?

"Wir sind in Vorbereitung der Dreharbeiten die komplette Adriaküste Jugoslawiens entlang geflogen", erzählte Reutterer, "aber so schön wie hier war es nirgendwo." 

Die Insel Cres hatte für die Dreharbeiten Vor- und Nachteile: Die Nähe zu Österreich machte die Anreise aller Beteiligten und der Requisiten zwar einfach, die Kommunikation war aber ziemlich schwierig: Handys waren noch nicht erfunden, nur zwölf Telefonleitungen verbanden die Insel mit dem Festland, eine davon ging ins Hotel. Wer von Valun aus telefonieren wollte, musste sich im Postamt Cres anstellen.

Zwei Stunden später trommelte Reutterer dann seine Stars zusammen, ließ das Auto auf den kleinen Platz am Hafen bringen, ich posierte alle Darsteller, schraubte die Kamera ins Stativ und drückte ab. Das Schwarzweiß-Bild (Tageszeitungen druckten damals noch nicht in Farbe) erschien mit meinem Begleittext 15 Mal in ganz Österreich.

Zurück in die Gegenwart: Die Serie "Der Sonne entgegen" wirkt noch immer nach. Die komplette Serie ist heute auf DVD noch viel gefragt und  um € 19,99 erhältlich bei www.hoanzl.at.

Zum Schluss ans südliche Ende der Insel

Zeit zum Aufbruch, wir wollen ja weiter bis ans Ende der Insel. Auf einen Abstecher ins Bergdorf Lubenice, das gleich einem Adlernest hoch am Fels über einer Steilküste thront, verzichten wir. Josef Meinrad drehte dort als Clown einige Szenen. Wir fahren weiter nach Osor, den Ort, in dem eine Drehbrücke die Inseln Cres und Losinj verbindet. Auch diese war in der Serie ein Drehort.

Osor__HEN2406_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Osor auf Cres, von der Insel Losinj betrachtet.
Osor__HEN2396_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Die die Inseln verbindende Brücke wird morgens und abends zur Seite gedreht, um kleine Schiffe passieren zu lassen.
Osor__HEN2403_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Auch nach Jahrzehnten und trotz Rost dreht sich die Brücke immer noch.

Osor ist zwar schön anzuschauen, hat aber – abseits seiner Brückenfunktion – keine Bedeutung mehr. Schon in der Antike gab es einen Schiffahrtskanal, der den Ort wichtig machte. Zu seiner Blütezeit im Mittelalter war hier eine richtige Stadt mit 30.000 Einwohnern – heute sind es gerade noch 70. Die große Kirche war damals Kathedrale und Bischofssitz. Der Kanal war versandet, man musste die Schiffe 100 Meter weit übers Festland tragen, um ihnen die Umrundung von Losinj zu ersparen. Osor hatte aber Pech: Das damals den Ort umgebende Sumpfgebiet entwickelte sich zur Brutstätte für Malaria, der Sitz der Verwaltung übersiedelte in die Stadt Cres.

Zeit, die Insel zu verlassen. Noch ein letztes Mal passieren wir die Bucht von Valun, fahren an Cres vorbei auf dem Bergrücken entlang und biegen anschließend nach rechts ab hinunter nach Merag. Wir nehmen die neuere Fähre, die es zur Zeit der Dreharbeiten noch nicht gab. Auf Wiedersehen, Cres!

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