Lautstarkes Gebell ist am nächsten Tag das Startsignal für ein weiteres sanftes Abenteuer. Mit dem Bus geht es ein Stück aus Levi hinaus zu einer Huskytour. Die Schlittenhunde sind mindestens so aufgeregt wie die Touristen, die bei der Einschulung ganz genau wissen wollen, wie man so ein Hundegespann steuert, man will ja schließlich nicht irrtümlich Kurs auf den Nordpol nehmen. Doch stellen sich entsprechende Befürchtungen rasch als unbegründet heraus. Sind die Leinen gelöst, dürfen die Hunde endlich losrennen – den Weg auf dem einige Kilometer langen Rundparcours durch die Taigalandschaft finden sie ganz von alleine.
Als Gespannführer darf ich mich zwar wie auf einer Polarexpedition fühlen, während wir über den glitzernden Schnee gleiten. Zu tun habe ich außer ein bisschen Kurventechnik und einem kleinen Bremsmanöver zwischendurch – nichts. Und auf mich wartet am Schluss der Tour auch kein Biwak in der kalten Polarnacht samt der Gefahr, von Eisbären aufgefressen zu werden, sondern ein warmer Tee im Huskycamp und der bequeme Bus zurück nach Levi.
Der Unterschied zur Motorschlitten-Safari, die ich ebenfalls ausprobiere, könnte nicht größer sein. Für die mehrstündige Ausfahrt, die im Prinzip einmal um den Berg Levi herum und auch über zugefrorene Seen führt, muss ich mich mit einem zusätzlichen warmen Overall, einem festen Helm und dicken Überhandschuhen ausrüsten. Wie sich herausstellt, hat der Schlitten sogar eine Griffheizung, was will man mehr!
So ein Motorschlitten hat ganz schön Power, in den Kurven muss man per Sitzfleisch ausgleichen und übersieht man bei zu hohem Tempo eine Stelle mit Tiefschnee, ist ein Crash oft nicht mehr zu vermeiden. Ich gehe diese Fahrt also etwas langsamer an, gewinne nach einiger Zeit Sicherheit und kann dann auch diese Tour voll genießen.
Die sanfte Variante eines solchen Ausfluges ist der Besuch einer Rentierfarm. Diese Tiere, die nicht nur den Norden des eurasischen Kontinents, sondern (als Karibus) auch Nordamerika oder Grönland bewohnen, gelten ja gemeinhin als etwas dämlich, was wohl daher kommt, dass sie häufig bei Begegnungen mit Autos auf einsamen Landstraßen nicht von der Straße fliehen, sondern einfach stocksteif stehenbleiben, zweifellos ein evolutionärer Nachteil. Doch ich habe immer meine Freude mit den Rentieren, ich finde, sie haben die gleiche beruhigende und ausgleichende Art wie diese ganze nordische Landschaft.
Auf der Farm angekommen, werden die neugierigen Touristen in die bereitgestellten Schlitten gepackt, die unter sachkundiger Führung einer in samischer Tracht gekleideten Frau auf einer kleinen Runde durch den Wald gezogen werden. Die Samen sind die indigenen Einwohner der nördlichen Regionen Norwegens, Schwedens, Finnlands und der angrenzenden Regionen Russlands. Jahrtausende lang lebten sie in einer Art Symbiose mit den Rentieren, deren Verwertung ihnen das Überleben im Norden ermöglichte. Das Wort "Lappen", das früher eine etwas abwertende Bedeutung hatte, sollte für dieses Volk, das seine eigenständige Kultur in letzter Zeit immer erfolgreicher verteidigt, nicht mehr verwendet werden, lerne ich bei einem Gespräch mit den Einheimischen.
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