Seit mehr als fünfzig Jahren immer im März schreiben Inge Sargent und ihre Töchter Mayari und Kennari einen Brief an die Regierung Burmas. Sie verlangen, dass das Regime endlich Verantwortung übernimmt – für das Schicksal ihres Gatten und Vaters, Prinz Sao Kya Seng. Und seit mehr als fünfzig Jahren erhalten sie keine Antwort.
11. Mai 1963. Burmas Hauptstadt Rangun stöhnt auch abends noch unter der Hitze, als die Pan-Am-Maschine Flug 001 vom holprigen Flugfeld des Mingaladon-Airports abhebt. Zwei Stunden Flugzeit bis Kalkutta, der Pilot meldet: "Solange wir uns in burmesischen Luftraum befinden, sind wir an die Befehle der einheimischen Behörden gebunden." Die Dame mit dem zu einem Knoten gebundenen langen Haar erstarrt bei der Durchsage. Fürchtet, dass das Flugzeug noch zur Umkehr gezwungen und ihre Flucht damit verhindert werden könnte.
Während die Stewardess ihre Kinder mit Buntstiften und Spielkarten beschenkt, weilt die Dame in Gedanken noch unten am Boden in dem Land, das Heimat für sie war – in den Shan-Bergen. Das Land, in dem sie ein erfülltes, glückliches Leben geführt hat, zusammen mit ihrer großen Liebe, ihrem Traumprinzen und Ehemann Sao. Zwei Jahre sind vergangen, seit er von der Militärregierung verhaftet, verschleppt und vermutlich ermordet wurde. Die Dame spürt, dass ein Abschnitt ihres Lebens vorbei ist. Geblieben sind nur: der goldene Ehering, drei Koffer und das Allerwichtigste – ihre beiden Töchter.
Vorbei das Leben als Himmelsprinzessin, als Mahadevi. Von nun an war sie wieder Inge, auf dem Weg in ihre alte Heimat – nach Österreich. Als der Pilot das Verlassen des burmesischen Luftraums meldet, brandet Applaus durch die Kabine. Für Inge Sargent endet ein Albtraum, der Jahre zuvor als Märchen begann.
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