Klimawandern_FranzGERDL_CMS.jpg Franz Gerdl

Das Granattor ist ein Wahrzeichen in der Nähe von Millstatt am See.

© Franz Gerdl

Das Granattor ist ein Wahrzeichen in der Nähe von Millstatt am See.

© Franz Gerdl
Juli 2024

Klimaneutral wandern

Wer den Alpe-Adria-Trail möglichst umweltbewusst erleben will, kann das auf zwei speziellen Routen tun. Redakteurin Andrea Lehky war nördlich des Millstätter Sees unterwegs.

Erfahren? Natürlich! Man wandert sein Leben lang, vielleicht nicht am Berg, aber viele Stunden im Hügelland. Das schafft man! Denn diese siebentägige Tour bietet etwas Neues: Sie ist klimaneutral.

Beginnen wir mit den Fakten. Der 2012 gegründete Alpe-Adria-Trail ist 750 Kilometer lang und reicht vom Großglockner bis zur Adria. Jedes Jahr begehen 20.000 Wanderer mindestens eine seiner 43 Etappen – mit beträchtlichen ökologischen Konsequenzen. Eben jene will ein neues Programm der Kärntner Trail Angels vermeiden. Unter dem Motto "Wandern ohne Fußabdruck" fasst unser Trail die Etappen 12 bis 16 zusammen.

Die Route führt von Seeboden bis in die Millstätter Alpe, weiter nach Döbriach, hinein ins Langalmtal, durch den Biosphärenpark Nockberge bis nach Bad Kleinkirchheim. Ziel ist einen minimalen CO2-Fußabdruck zu hinterlassen. Dazu reisen wir zwingend mit dem Zug an, schlafen in Almhütten oder Hotels, die sich der Nachhaltigkeit verpflichtet haben, schlemmen regionale Köstlichkeiten und begreifen, wie kleine Entscheidungen die CO2-Bilanz beeinflussen: Lassen wir uns mit dem (auf dieser Tour ausschließlich elektrischen) Hotel-Shuttle abholen oder fahren wir mit dem öffentlichen Bus? Lassen wir unser Gepäck von Hütte zu Hütte nachliefern oder tragen wir es selbst? Auf der Strecke lernen wir, die ungewollten ökologischen Missetaten zu erkennen, an die wir bloß nie gedacht haben. Wer will, kompensiert am Ende seinen Fußabdruck mit der Beteiligung an einem Naturwaldprojekt.

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Start in Seeboden

Aber noch stehen wir am Anfang. Genauer gesagt vor dem Hotel Moserhof in Seeboden, das schon ein gutes Stück in Richtung Nachhaltigkeit vorangekommen ist. Als Gast sieht man Zimmer aus Naturmaterialien, staunt über die üppige Auswahl an Bio- und lokalen Lebensmitteln und entdeckt viele konsequente Details wie die netten Appelle zum Wassersparen auf den Seifenspendern. Wir begreifen, worauf wir achten müssen und freuen uns diebisch, als wir einen einzigen winzigen Schnitzer entdecken: Zum Einpacken der Jausenbrote reicht man uns noch Alufolie.

Vor dem Hotel dann die Ernüchterung: Es beginnt zu regnen. Falsch: Bald wird es schütten. Stefan Lieb-Lind, Bergführer und als Trail Angel einer der Erfinder der klimaneutralen Alpe-Adria-Teilstrecke, weiß Rat: Das (natürlich strombetriebene) Nockmobil könnte uns das erste Stück zur Pichlhütte hinaufbringen und ein wenig Regen ersparen. Aber, vergisst er nicht hinzuweisen, dieser Komfort würde unseren Fußabdruck verschlechtern… Die Gruppe votet trotzdem für das Nockmobil.

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1 Pichlhütte auf 1.336 Metern: Erster wohlverdienter Zwischenstopp mit tollem Panoramablick – bei Schönwetter! © Michael Kuschei

2 Schlechtes Wetter, gute Laune. An der Ausrüstung wird Redakteurin Andrea Lehky noch arbeiten ;-)  © auto touring / Andrea Lehky

3 Stefan Lieb-Lind, Bergführer und als Trail Angel einer der Erfinder der klimaneutralen Alpe-Adria-Teilstrecke, ist bei jedem Wetter in den Bergen. © auto touring / Andrea Lehky

Anstieg im Nebel_al_CMS.JPG auto touring / Andrea Lehky © auto touring / Andrea Lehky
Aufstieg auf den Tschiernock. Normalerweise ist hier ein tolles Bergpanorama zu bewundern.
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Schnee im Sommer. In den Nockbergen ist alles möglich.
Klimawandern_5571_CMS.JPG auto touring / Andrea Lehky © auto touring / Andrea Lehky
Nie auf Handschuhe, Kopfbedeckung und Nässeschutz vergessen!

Auf 1.300 Metern ist Endstation. Frohen Mutes stapfen alle hinaus in den Regen und weiter auf den 2.088 Meter hohen Tschiernock. Je höher wir steigen, desto mehr Schnee mischt sich unter den Regen – im Sommer. In der Nähe des Gipfels bläst ein ungemütlicher Wind, Schneeflocken und kleine Eiskörner prallen auf das ungeschützte Gesicht. Alles ganz normal, lachen die Profi-Bergwanderer der Gruppe. Längst haben sie ihre wasserdichten Bergjacken übergezogen, man beneidet sie heftig und friert unter der dünnen Regenhaut. Die klammen Finger schaffen kaum mehr ein Foto der Wegweiser im Schnee (auch im Sommer immer Handschuhe und Haube mitnehmen!). Bergwandern ist eben doch anders, als man es vom Hügelland gewohnt ist. Man beißt die Zähne zusammen und stapft weiter.

Bis zur Alexanderhütte auf der gleichnamigen Alm. Die ist bekannt für ihren traumhaften Ausblick über den Millstätter See. Übermütige Pferde begleiten die letzte Etappe, auf einer "Himmelsschaukel" könnten wir die Gedanken über das Panorama fliegen lassen oder in einer der beiden Holzwannen ein Bad mit Blick auf den See nehmen… würden dem nicht Sturm und Nebelschwaden entgegenstehen. Dankbar stellen wir fest, dass die Hütte geheizt ist. Wobei "Hütte" eine schamlose Untertreibung ist. "Geschmackssichere Gourmet-Herberge im Alpenkleid" trifft es besser. Die Slow-Food-Küche überflügelt alles, was wir uns in 1.778 Meter Seehöhe erwarten würden (Kasnudeln! Apfelstrudel! Kaiserschmarrn!)

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1 Alexanderalm: Köstliche Kärntner Kasnudeln und andere Spezialitäten gibt es in der Alexanderhütte. Die Küche hat Haubenniveau. © auto touring / Andrea Lehky

2 Wanderer können sich auf eine urige Almstube mit authentischer Hüttenküche mit Bio-Produkten aus der eigenen Landwirtschaft freuen. © Fabian Sackl

3 Süß träumen. Unvergessliche Übernachtung in der Alexanderhütte. In einem solchen Bett kann man nur gut schlafen.  © Fabian Sackl

Almtraum oder Alptraum

Nun sollte man meinen, dass die Professionalisierung der Almhütten eine rundum gute Sache ist. Mehr Gäste bringen mehr Umsatz und sichern das Überleben der Bergbauern. Grundsätzlich stimmt das, geben Vater und Sohn Glabischnig zu – drei der vier Kinder arbeiten im Familienbetrieb mit. Doch seit der Pandemie tuckern Legionen von Tagesgästen zu den Almhütten hoch. Die verfügen naturgemäß über wenige Parkplätze. Sind sie ausgelastet, verstellen die Besucher die Hofeinfahrten der Bauern, latschen ungefragt durch deren Wiesen und erschrecken das Vieh. (Nie zwischen Kuh und Kalb stellen! Möglichst oberhalb gehen! Hunde von der Leine lassen, dann beruhigen sich die Muttertiere schnell. Die Hunde kommen ohnehin zurück.)

Zur Hauptsaison ächzen die Betreiberfamilien unter dem Ansturm. Sie tüfteln an Lösungen, von Abgabensystemen bis Displays, die schon unten im Tal anzeigen, wie viele Parkplätze oben noch verfügbar sind. Immer mehr Bergbauern wünschen sich langsamen und grünen Tourismus: Wanderer, die sich bemühen, keine Spuren zu hinterlassen, die mit Guides gehen, die Region und Risiken kennen, die in Ruhe übernachten statt nach einem eiligen Essen in Dunkelheit den Berg wieder hinabzufahren. Die Hütten sind so einladend, dass man ohnehin nicht weg will. Müde, satt und glücklich fallen wir in urgemütliche Betten.

So geht es weiter: Jeden Tag eine Etappe von rund zwölf Kilometer Länge, jeden Tag 400 bis 1.000 Höhenmeter, ein paar Gipfelkreuze, urige Hütten und als Höhepunkt das berühmte Granattor beim Lammersdorfer Berg.

Käse für Kenner

So nebenbei erfahren wir viel über das bäuerliche (Über-)Leben. Sieben Kleinbauern – auch die Familie Glabischnig – liefern ihre Milch an die Kaslab'n, eine Käserei in Radenthein. Mit dieser Genossenschaft wollen die Kleinen der Übermacht der Großbauern die Stirn bieten. Die Kaslab'n liegt an der dritten Tagesetappe, wadelschonend unten am See. Sie lockt mit 16 butterzarten Kuh- und Ziegenkäsen und anderen lokal hergestellten Bioprodukten (Geheimtipp ist der "Oachkatzl"-Wein). Im hübschen Shop an der Mirnockstraße gibt es auch Führungen und natürlich Verkostungen.

Am Ende der siebentägigen Tour ist auch der Bergwander-Neuling um einige Erkenntnisse reicher. Man hat seine Grenzen erweitert, hat ungeahnte Höhen erklommen und im Schutz der Gruppe Witterungen weggesteckt, auf die man sich besser vorbereiten hätte sollen. Man hat köstlich gespeist, warm geschlafen und kehrt an Leib und Seele bereichert zurück mit dem stolzen Gefühl obendrein nur einen Mini-CO2-Fußabdruck hinterlassen zu haben.

Klimawandern2_al_CMS.JPG auto touring / Andrea Lehky © auto touring / Andrea Lehky
Käse in der Kaslab’n: Hier gibt’s feine Schmankerln, günstig für den Heimweg auf der Mirnockstraße in Radenthein gelegen.

Nachhaltig durch die Nockberge

Wandern ohne Fußabdruck ist am Alpe-Adria-Trail auf zwei Routen möglich. Sie wurden von den Trail Angels in enger Zusammenarbeit mit Kärnten Werbung ausgearbeitet:

  • Route 1: von Mallnitz nach Seeboden 
  • Route 2: von Seeboden nach Bad Kleinkirchheim (teilweise hier beschrieben),
  • jeweils ab 798,– p.P. für 7 Tage/6 Nächte und 5 Etappen.

Inkludiert sind An- und Abreise (IC/EC), Übernachtung in nachhaltig geführten Partnerbetrieben im Doppelzimmer mit regionaler Halbpension, Shuttle- & Mobilitätsservice mit E-Mobilität und öffentlichem Verkehr, Hotline, digitale Tourunterlagen und am Ende ein Zertifikat über den CO2-Fußabdruck und Infos zum Carbon Offset Project.

Tel.: 04782 93093

Alle Infos zum Alpe-Adria-Trail finden Sie hier.

Route Klimawandern CMS.jpg auto touring / Peter Scharnagl © auto touring / Peter Scharnagl
FRANZGERDL MILLSEE MILL Alpe5446_CMS.jpg Franz Gerdl
© Franz Gerdl

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