Nach 70 Minuten Zugfahrt könnte der Gegensatz nicht größer sein: Hier die Etepetete-Hauptstadt Rom, herausgeputzt in Haute Couture und strahlend wie die schönste Primadonna, dort die ungeschliffene, zerlumpte, morbide Seele Neapel. Das Auffälligste neben dem himmelblauen Meer, das die Stadt einrahmt, ist die mächtige Erscheinung im Hinterland: der Schicksalsberg.
Es ist wohl auch die Nähe zu dem todbringenden, im Inneren bis heute brodelnden Vesuv, der die lebhafte wie furchtlose Art der Menschen prägt. Neapel schmiegt sich mit seinen drei Millionen Menschen an seine fruchtbaren Hänge – der Vulkan als schützender Vater. Doch der Riese ist wie die mächtigen Paten der neapolitanischen Camorra: omnipräsent und unberechenbar.
Ich trete bei der Metrostation Toledo ins Tageslicht und stehe in den schmalen Gässchen des historischen Quartieri Spagnoli. Ich bin subito, in der Sekunde, schockverliebt. Überall Menschen, lauter italienischer Singsang, expressive Mimik und Gestik. Dazwischen jagen jaulende Mopeds um die Ecken. Die Intensität ist unerträglich und berauschend. Ein sanfter Nieselregen dämpft Hitze und Lärm.
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