auto_touring_faehrt_bahnrad_MA_135_CMS.jpg Michael Alschner

Posieren für den Fotografen – ein Kinderspiel. Der Versuch, die Bahn im Hintergrund ordentlich zu rocken – eher Kategorie Trauerspiel.

© Michael Alschner

Posieren für den Fotografen – ein Kinderspiel. Der Versuch, die Bahn im Hintergrund ordentlich zu rocken – eher Kategorie Trauerspiel.

© Michael Alschner
Juli 2016

auto touring fährt: Bahnrad

Ein Rennrad ohne Bremsen, eine zerschundene Holzbahn, und ein Redakteur ohne Kondition – klingt nach den perfekten Zutaten eines "Epic-Fail"-Clips für YouTube. Meines "Epic Fail"-Clips. 

Das Ferry Dusika Stadion ist eine altehrwürdige Sportstätte im zweiten Wiener Gemeindebezirk, direkt neben der Donau. Erbaut in den Siebzigern, renoviert in den Neunzigern, liegt es in unmittelbarer Nachbarschaft zum viel größeren Ernst Happel-Stadion. Im Dusika spielten schon die Harlem Globetrotters, hier fanden Indoor-Motocross-Bewerbe statt. Hauptsächlich aber ist das Stadion gerne genutztes Epizentrum für Europa- und Weltmeisterschaften kleinerer Sportarten, wie Judo, Volleyball, Short Track – oder eben Radfahren. In diesem Moment jedoch sollte es zu meinem höchst persönlichen Epizentrum werden. Kurz davor waren noch die ÖAMTC-Pannenradler auf der Bahn, weil sie hier ihren Saisonstart mit prominenter Begleitung feierten (da ist die zugehörige Geschichte). Als sie gingen (bzw. fuhren), kam die Stille. Übrig blieben der Fotograf, das Videoteam, zwei sehr bekannte Radprofis – und eben meinereiner.

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Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erklären, warum ich emotional ein wenig aufgewühlt war. Nun, das lag einerseits an der Steilheit der Kurven, die sich auch zu Fuß nur sehr mühsam erklimmen lassen. Und andererseits lag es an meinem geistigen Unvermögen. Ich schaffte es beim besten Willen nicht, mir vorzustellen, wie ein so schmaler Reifen auf dieser Holzbahn ausreichend Grip bieten kann. Oder, genauer formuliert: Wie ein so schmaler Reifen mir ausreichend Grip bieten kann. Ich sah, mit welchem Druck und welcher Geschwindigkeit die Profis hier unterwegs waren; von dieser physischen Dominanz war ich weit entfernt. Dazu kamen die vielen sichtbaren Schrammen und langgezogenen Kratzer quer über die Bahn – das mulmige Gefühl setzte sich fest.

Daran konnte auch die Promi-professionelle Unterstützung der beiden Herren nichts ändern. Andreas Graf (grün-weißes Trikot) schnappte sich 2014 den EM-Titel im so genannten Madison, das ist das Zweier-Mannschaftsfahren auf der Bahn. Von ihm kamen anschließend die Fahrtipps und (viel, viel wichtiger übrigens): der Windschatten. Bernhard Kohl (schwarz-weiß-rotes Trikot) beendete 2008 die legendäre Tour de France als Dritter, wurde des Dopings überführt, legte in weiterer Folge ein umfangreiches Geständnis ab. Mittlerweile führt er ein feines Radgeschäft im Süden von Wien. Er machte diesen Ausflug auf unbekanntes Terrain materialtechnisch möglich. 

Denn: So ein Bahnrad sieht zwar auf den ersten Blick aus wie ein normales Rennrad, tatsächlich aber gibt's da ein paar gravierende Unterschiede. 

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Nun weiß ich also: Ein Bahnrad ist etwas besonderes, ist anders als die anderen Rennräder. Zu den genannten Unterschieden kommt noch hinzu, dass die Kurbeln kürzer sind, weil man aufgrund der Schräge in der Steilkurve ja sonst gegen den Bretterboden treten würde. Vergleichbar ist hingegen die Sitzposition, die eine gute Mischung aus aerodynamischer Rückenkrümmung und komfortabler Kompaktheit zu sein scheint.     

auto_touring_faehrt_bahnrad_MA_036_CMS.jpg Michael Alschner © Michael Alschner
Merke: So ein Bahnrad hat…
auto_touring_faehrt_bahnrad_MA_039_CMS.jpg Michael Alschner © Michael Alschner
… a) keine Schaltung, b) eine fixe Übersetzung, und…
auto_touring_faehrt_bahnrad_MA_043_CMS.jpg Michael Alschner © Michael Alschner
… c) keine Bremsen. Simpler geht’s kaum.

Fehle nur noch ich. Klar, das klingt jetzt ganz furchtbar eitel, hat aber einen banalen Hintergrund. Ohne Sicherheitsausrüstung darf niemand auf die Bahn. Schließlich sind wir hier weit entfernt von vordergründig langweiligem im-Kreis-fahren. In der Steilkurve vom Rad in Richtung Infield  zu köpfeln, würde unweigerlich eine harte Landung und ordentliche Schürfwunden zur Folge haben – also nichts, das Freude bereitet oder guten Stoff für ein vermeintliches Helden-Epos bietet. 

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Irgendwann kommt allerdings immer jener Zeitpunkt, an dem alles gesagt ist. "Machen" lautet dann die Devise, und da bin ich nun. Rauf auf den Sattel und ab auf die Bahn. Geschwindigkeit aufnehmen, langsam nach oben zwirbeln. Bernhard Kohls Erläuterung zu Beginn klang ja sehr einfach. Und theoretisch ist es das ja auch. Wäre da nur nicht das Manko der eigenen Kondition. Um sich kontinuierlich zu steigern und die Bahn schön langsam nach oben fahren zu können, bedarf es einer gewissen Grundkondition – diesbezüglich plagen mich ernsthafte Zweifel. Wohl dem, der in solchen Momenten einen Pacemaker, einen Windschatten-Spender hat. Thx, Andreas Graf.

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Ich war mental auf alles vorbereitet, auch auf den "Epic Fail", den spektakulären Crash zum Gaudium aller Anwesenden. Glücklicherweise konnte ich mir den ersparen, wenngleich nur knapp. Vielleicht ist es Ihnen, werte Leser, gegen Ende des Clips ja aufgefallen. Normalerweise baut man Geschwindigkeit ab, indem man die Trittfrequenz verringert, gegen den fixen Vortrieb arbeitet. Ich aber bin mit dem Bahnrad ausgerollt, Beine angewinkelt und hoch gezogen; sah nicht besonders elegant aus die Situation.  

Jedenfalls: Das war die Folge einer kurzen Unachtsamkeit vor dem Kurveneingang. Ich rutschte von den Pedalen, wollte noch nachsteigen. Nur ist so ein Bahnrad eben fix übersetzt. Wenn du also bei rund 30 km/h von den Pedalen rutscht, drehen die sich bereits relativ schnell weiter. Diesen Rhythmus wieder aufzunehmen ist quasi unmöglich, zumindest mir war es das. Im schlimmsten Fall also erwischt dich das Pedal, knallt dir mit voller Wucht in Wade oder Ferse, kickt dich vielleicht sogar vom Rad. Mein Glück war, dass mich das Pedal nur vergleichsweise zart an der Ferse traf. Mein Pech war, dass ich in diesem Moment ziemlich weit oben auf der Bahn, circa in der Kurvenmitte war. Der Lenker-Schlenker in Folge des Pedalverlusts kostete mich locker einen Höhenmeter. Das klingt nicht viel, vielleicht auch nicht sonderlich spektakulär, aber die 45-Grad-Neigung der Steilkurve sorgte dafür, dass mein Puls noch einmal ordentlich hoch schnellte – während es mit mir bergab ging. Als ob ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht genug geschnauft hätte. 

Mein Fazit ist bescheiden. Werde ich noch einmal Rennrad fahren? Ja, sicher. Dieser unmittelbare Vortrieb, das (mögliche) hohe Durchschnittstempo, diese Leichtigkeit des Dahinrollens; das alles macht schon sehr viel Spaß. Werde ich noch einmal Bahnrad fahren? Nicht so bald. Dem Spaß steht ganz klar die eigene fehlende Kondition gegenüber. Und ohne der notwendigen Grundlagenausdauer, bin ich auf der Straße (oder dem Feldweg) eindeutig besser aufgehoben, als auf der Holzbahn im Dusika Stadion.

Aber wie heißt es so schön? Man trifft sich im Leben immer zweimal. Und darauf vertraue ich.

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© Michael Alschner

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