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© Kurt Zeillinger
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Dezember 2024

Wie werden wir künftig mobil sein?

Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Mobilität ? Wie viel davon brauchen wir? Zukunftsforscher Tristan Horx über die Mobilität von morgen.

Unsere Mobilität ist im Wandel, auch wegen des Klimaschutzes. Aber es kommen nicht alle damit zurecht. Manche wollen ihr persönliches Mobilitätsverhalten gar nicht verändern, manche anderen sogar vorschreiben, weniger unterwegs zu sein. Wird Mobilität gar zum Privileg für Eliten?

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Gehört Mobilität zu den Grundrechten des Menschen?

Mobilität ist ein tiefes Grundbedürfnis und auch das, was uns als Menschen besonders gemacht hat. Unser Pioniergeist ist ganz stark damit verbunden. Wenn man zurückschaut, was Mobilität der Menschheit schon ermöglicht hat, etwa mit alten hölzernen Schiffern quer über die Meere zu fahren, um neue Orte zu finden, dann sieht man das. Man wird Mobilität nicht extra als Grundrecht etablieren müssen, weil sie so tief in uns verankert ist. Politische Parteien, die sie verbieten wollen, werden das nicht durchbringen, das ist mehrheitsgesellschaftlich unmöglich. Mobilität ist also sowieso schon ein Grundrecht.

Vom Gehen und Radfahren einmal abgesehen – Mobilität erfordert immer auch Energie. Die kostet viel und ist oft knapp. Wie wird das in Zukunft sein?

Mit neuen ökologischen Energieformen kommen wir in ein neues Zeitalter: Wir werden den besten Reaktor haben, den man sich wünschen kann: die Sonne. Man wird dann am Monatsanfang eine Flatrate für Strom zahlen und so viel Sonnenstrom konsumieren, wie man möchte. Damit lösen sich viele Verknappungsprobleme, die wir heute haben, von selbst. Das wird in den nächsten 20 bis 25 Jahren soweit sein. Wenn der Strom aus Sonnenenergie dann überall in ausreichender Menge verfügbar ist und wir kein schlechtes Gewissen mehr haben müssen, wird das der nächste große fundamentale Shift in unserem Umgang mit Mobilität.

Wir erleben gerade einen Konflikt rund um den Verbrennungsmotor.

Tristan Horx, Zukunftsforscher

Wie hat sich die Mobilität aus der Sicht des Trendforschers in den letzten Jahrzehnten verändert? Wohin geht die Reise noch?

Wir erleben gerade einen Konflikt rund um den Verbrennungsmotor. Wenn neue Mobilitätsformen erscheinen oder alte wie das Radfahren wieder zurückkehren, dann führt das stets zu einer großen Kränkung älterer Generationen. Denn diese haben Autos mit Benzin- und Dieselmotoren mit Freiheit und Wohlstandsaufstieg assoziiert. Wenn wir das jetzt kritisieren, führt das natürlich zu Verhärtungen, die ausverhandelt werden müssen.

Warum glorifizieren ältere Menschen vergangene Mobilitätsepochen, während die jüngeren einen Bruch mit ihnen wollen?

Weil Vergangenheit in ihrem Kontext immer wunderbar war. Ich etwa gehöre zur ersten Generation, die eigentlich nur E-Autos selbst gefahren ist. Dennoch lobe ich die fossilen Brennstoffe: Was die an Wohlstand und Mobilitätsmöglichkeiten für uns gebracht haben, war genial, war fantastisch. Nur wissen wir heute, dass es sich um eine endliche Ressource handelt, die auch noch andere Konsequenzen hat. Dieses Gefühl nach dem Zweiten Weltkrieg, dass jeder sein eigenes Auto haben kann, war eine unglaubliche Freiheit. Wenn man das hinterfragt, wird es rasch als persönliche Kritik an früheren Idealen gewertet, deswegen rutscht man dann sehr schnell in die Verteidigung. Das Thema Generationenkonflikte zieht sich ja durch ganz viele Felder. Das Thema Klima hat sich sehr stark mit dem Mobilitätskonflikt vermengt oder ist vielleicht auch der Zündfunke für diese Unterstellung gewesen: "Ihr Alten mit euren Konsum- und Lebensformen habt die Welt ruiniert und unlebbar gemacht für uns." Und das führt natürlich sofort zu einer Defensivreaktion. Die ist nachvollziehbar, weil die Menschen früher ja gedacht haben, sie machen was Gutes.

Wie kommt man aus dieser Nummer wieder raus?

Man kann diese Diskrepanzen, die man jetzt als Kulturkampf um das Thema Mobilität wahrnimmt, etwas auflösen, indem man das Vergangene erst lobt und sagt, es war ganz toll und ihr habt das super gemacht, wow. Und jetzt müssen wir ins nächste Zeitalter.

Sehen Sie das Thema Auto generell als Generationenthema? Es heißt ja, dass junge Leute heute weniger Interesse dafür zeigen…

Nein, denken wir nur an die Tuning-Szene, da gibt es eine Menge junger Menschen, die das lieben. Aber es gibt auch viele andere junge Autofreaks. Wir nehmen aber immer nur die Randerscheinungen wahr, die es in die Medien schaffen. Diesen Effekt hat man auch beim Thema der brennenden Elektroautos gesehen, obwohl wir wissen, dass Verbrenner viel gefährlicher sind, was das Entzünden von Feuer angeht.

Das Überwinden von Hemmschwellen ist schwierig.

Tristan Horx, Trendforscher

Wie kann die Mobilität von der Digitalisierung profitieren?

Wir können damit die verschiedensten Mobilitätsangebote sinnvoll miteinander verbinden – theoretisch. Aber noch fehlt es an praktikablen Schnittstellen, darum benutzen viele so oft das Auto. Heute benötigen wir drei bis vier verschiedene Apps. Bevor man diese herunterlädt, sich anmeldet und sie zu bedienen lernt, fahren viele eben gleich mit dem Auto. Das ist schade, denn neue Mobilitätsformen sind für bestimmte Strecken besser. Das erste Überwinden dieser App-Hemmschwellen ist allerdings schwierig.

Wie wird es weitergehen?

Wenn man sich die globalen Statistiken anschaut, kommen wir gerade bei den weltweiten Verkäufen von Elektroautos, der Entwicklung von Solartechnik und Windkraft sowie der Batteriekapazitäten gerade ins exponentielle Wachstum. In zehn Jahren werden wir uns wundern, wie uns das alles überrumpelt hat. Und darauf freue ich mich. Allein in unserer kurzen Lebenserfahrung hat sich die Mobilität ja ganz stark verändert. Genauso wird es 2040 oder 2050 auch sein. Meine Vision ist ja, dass wir in eine so nachhaltige Welt kommen, in der wir problemlos auch noch mit Oldtimern fahren kann, weil wir richtige Kreisläufe geschaffen haben und mit dem CO2 so umgehen, dass wir es wieder aus der Atmosphäre rausziehen – mit Bäumen oder in industrieller Form.

Horx2.JPG Kurt Zeillinger © Kurt Zeillinger
Tristan Horx (re.) im ÖAMTC-Studio mit Moderator Marcel Kilic.
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Tristan Horx' wichtigste Thesen auf einen Blick:

  1. Mobilität ist ein Grundrecht. Sie ist tief im Menschen verankert, hat uns unseren Pioniergeist ermöglicht und damit als Menschen zu etwas Besonderem gemacht.
     
  2. Mobilität wird sich künftig vom Ressourcenverbrauch abkoppeln. Sonnenenergie wird überall mehr als ausreichend vorhanden sein.
     
  3. Der Generationenkonflikt in Sachen Mobilität ist lösbar. Vorangegangene Mobilitätsformen sind zu respektieren, weil sie Aufstieg und Wohlstand ermöglicht haben. Aber jetzt müssen wir ein neues Zeitalter begründen.
     
  4. Digitalisierung wird den Mobilitätsmix beflügeln. Es gibt aber noch viel zu tun: Noch fehlt es an praktikablen Schnittstellen, um die verschiedensten Mobilitätsangebote sinnvoll miteinander verbinden.
     
  5. Keine Angst vor Visionen! Die weltweiten Verkäufe von Elektroautos, die Entwicklung von Solartechnik und Windkraft sowie der Batteriekapazitäten kommen gerade ins exponentielle Wachstum. In zehn Jahren werden wir uns wundern, wie schnell das alles passiert ist.

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