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© Kurt Zeillinger
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August 2024

Selber fahren wird bald verboten

Um autonomes Fahren ist es etwas ruhiger geworden. Aber nur in Europa. Mario Herger, ein ausgewiesener Experte für das Thema, erklärt, warum er vom Durchbruch dieser Fahrzeuge überzeugt ist.
 

Vor zehn Jahren erreichte der Hype um autonomes Fahren seinen Höhepunkt. Seither können unsere Autos viel mehr, sie beherrschen schon Fähigkeiten, die eindeutig in Richtung automatisiertes Fahren gehen. Die heutigen Assistenzsysteme gelten zum Teil schon als Vorstufe dazu. Es wird aber noch eine Weile dauern, bis man im Auto sitzend Mails bearbeiten oder Filme schauen kann, während einen das Fahrzeug selbsttätig ans Ziel bringt. Obwohl: Anderswo geht das schon. In der Online-Ausgabe des auto touring schildert Wolfgang Pree, Professor für Informatik an der Uni Salzburg, in Wort und Bild seine allererste Fahrt in einem fahrerlosen Taxi durch San Francisco.
FürMario herger gehört das schon länger zum Alltag: Er lebt seit über 20 Jahren im Silicon Valley, forscht dort nach Technologietrends und berät Unternehmen. Eines seiner Fachgebiete ist das autonome Fahren.

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Wann wird es ernst mit autonomem Fahren?

Bald. Vermutlich ab 2035 wird in Europa, den USA, vielleicht auch China, in einzelnen Regionen, vielleicht auch in Städten, verboten sein, ein Auto selbst zu lenken. In diesen Bereichen wird autonomes Fahren vorgeschrieben sein. Vergleichbar ist das mit der Bahn: Im regulären Betrieb werden heute auch keine Dampflokomotiven mehr eingesetzt, nur bei Sonder- und Nostalgiefahrten. Kinder werden zu dem Zeitpunkt nicht mehr verstehen, wie man so etwas Gefährliches wie Autofahren früher tun konnte.

Warum hinkt man in Europa, speziell in Deutschland, so hinterher?

Weil der deutschsprachige Raum eine große Tradition in Sachen Auto hat. Und es in der Industrie zu einem Selbst-Selektionsprozess kommt: Bei Autoherstellern und Zuliefererfirmen bewerben sich vorrangig Leute, die gern Auto fahren und sich nicht vorstellen können, jemals die Kontrolle über das Fahrzeug abzugeben – und dass es auch Andersdenkende gibt. In europäischen Automobilunternehmen bauen die Mitarbeiter also Lösungen für Menschen wie sie selbst. Für alle, die gerne ein Auto besitzen und damit fahren wollen.

Was ist in den USA und in China anders?

In den USA sind die Unternehmen, die das autonome Fahren vorantreiben, Firmen wie Google. Nur ein Bruchteil der Mitarbeiter besitzt einen Führerschein. Diese Leute wollen gar nicht selber fahren. Sie wollen ein Auto, das einen an ein Ziel bringt, während man ganz andere Dinge tun kann. Das ist der Unterschied. Deshalb ist auch die Leidenschaft, mit der man dort rangeht, eine ganz andere.

In China ist man in der Entwicklung ungefähr zwei bis drei Jahre hinter den USA. Europa ist fünf bis sieben Jahre zurück. Wir sind sehr gut im Maschinenbau sind, aber nicht im digitalen Bereich.

Europa ist sehr gut im Maschinenbau, aber nicht im digitalen Bereich.

Mario Herger, Beobachter der Tech-Industrie im Silicon Valley

Ließe sich autonomes Fahren politisch durchsetzen?

Wir haben hier die gleiche Diskussion wie früher beim Sicherheitsgurt oder viel später um das Rauchverbot in Lokalen. Man schränkt die Freiheit von Menschen ein, um sie zu schützen.

Das heißt nicht, dass es keine Autos mit Lenkrad mehr geben wird. Man wird aber zum Wohle der Allgemeinheit nicht mehr überall selbst fahren dürfen. Heutige Fahrzeuge wären eigentlich schon mit relativ wenig Aufwand nachrüstbar, so dass man künftig ein Selbstfahr-Kit einbauen kann, um das Fahrzeug in einen autonomen Fahrmodus zu bringen, bei dem man das Lenkrad nicht angreifen darf.

Sobald man in einzelnen Stadtteilen nur noch autonom fahren darf, wird man zum ersten Mal auch Daten bekommen und Unfallzahlen vergleichen können. So wird man sehen können, wie viele Kollisionen, Verletzte oder gar Tote es in Stadtteilen, in denen autonome Fahrzeuge unterwegs sind, weniger gibt. Menschen in anderen Stadtbezirken werden bald sagen: Die Technologie ist da – warum nicht auch bei uns? Das alles kann sehr rasch kommen – als politischer Druck aus der Bevölkerung.

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Experte Mario Herger im Interview.

Wie werden sich autonome Autos im Mischverkehr mit klassischen vertragen?

Wir sehen heute schon einen Mischbetrieb in San Francisco, in Phoenix und in Los Angeles. Robotaxis müssen auf der einen Seite die Fehler der menschlichen Fahrer oder deren Aggressivität korrigieren, auf der anderen aber auch selbst eine gewisse Aggressivität zeigen. Denn sonst würden sie ja an Kreuzungen ewig stehen bleiben, wenn sie von Lenkraddrehern gemobbt oder blockiert werden.

Autonome Fahrzeuge werden grundsätzlich darauf trainiert, keine Regeln zu brechen. Doch manchmal muss man Regeln brechen, etwa bei einem Hindernis, um das man herumfahren muss. Oder bei mangelhaften Baustellen-Beschilderungen.

Der Vorteil der autonomen Fahrzeuge ist, dass man sie auf bestimmte Situationen trainieren kann und beim Update der Software die ganze Flotte aus Fehlern lernt. Beim Menschen als Fahrer ist es immer nur dieser einzelne. Autonome Fahrzeuge werden also kollektiv besser, während die gesamte menschliche Fahrerflotte eigentlich immer gleich schlecht oder gut bleibt.

Wie werden sich die Fahrpreise bei autonom fahrenden Taxis entwickeln?

Aktuell kostet eine Fahrt etwa so viel wie mit Uber. Interessant wird es in Zukunft, wenn man unterschiedliche Fahrzeuge, Ein-, Zwei- Fünf- oder Siebensitzer, mit oder ohne Ladefläche, aber immer ohne Lenkrad bauen kann. Dafür kann man sich unterschiedliche Preismodelle vorstellen.

Berechnungen sagen Kilometerpreise wie heute bei öffentlichen Verkehrsmitteln voraus.

Mario Herger, Tech-Experte

Man kann davon ausgehen, dass die Mobilität im Bestfall 80 bis 90 Prozent weniger kosten wird als heute. Oder sie könnte sogar gratis sein, wenn sie gesponsert wird. Zum Beispiel von einem Restaurant, das als Ziel eingegeben und in dem ein Tisch reserviert wird. Wenn diese Fahrt dann nicht mehr zehn Euro kostet, sondern nur ein oder zwei Euro, kann das das Lokal übernehmen.

Werden Privatautos in Zukunft noch ein Lenkrad haben?

Zunächst wird es noch jede Menge Privatfahrzeuge geben. Das war auch so beim Umstieg vom Pferd auf das Automobil. Wie eine Lenkeinrichtung dann aussieht, ob sie dann hereinklappt oder versteckt ist oder wieder hervorkommt, sollte den Ingenieuren in den Automobilfirmen überlassen werden.

Wahrscheinlich wird es aber viel weniger Fahrzeuge in Privatbesitz geben. Berechnungen zeigen, dass je nach Stadt zwischen zehn und 30 Prozent der heutigen Fahrzeuge den gesamten Verkehr abzuwickeln könnten.

Unterscheiden sich die Herangehensweisen zum autonomen Fahren in unterschiedlichen Märkten?

In den USA werden Fahrzeuge entwickelt, die gar nicht mit der Verkehrsinfrastruktur kommunizieren.

In Europa sagen die meisten Experten, dass man zuerst einmal Sensoren in die Straßen einbauen muss, die mit den Fahrzeugen kommunizieren und die der Kommunikation der Fahrzeuge untereinander dienen. Das erfordert viele Voraussetzungen, etwa einen Breitbandfunk-Ausbau, und sehr viel Geld.

Das hat Europa nicht, deshalb sind wir mit autonomen Autos nicht so weit. Auch San Francisco hat kein Geld für solche Sensoren, für die es noch gar keinen Standard gibt und die noch dazu ein Einfallstor für Cyberattacken werden können. Die Fahrzeuge müssen auch ohne sie fahren können. Und die Technologie wird mittelfristig so reif sein, dass das alles nie gebraucht werden wird.

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Mario Herger (re.) zu Gast im ÖAMTC-Podcast bei Marcel Kilic.
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Die 5 wichtigsten Thesen auf einen Blick:

  1. Europa hinkt beim autonomen Fahren hinterher: Das liegt an der Mentalität in den Unternehmen. In Europa arbeiten in der Entwicklung bei Autoherstellern und Zulieferern Autofans, die gerne selbst fahren. In den USA sind es Softwarefirmen mit Menschen, für die das Auto nur Mittel zum Zweck ist.
  2. Die Herangehensweisen unterscheiden sich: In Europa entwickelt man Fahrzeuge, die mit der und über die Verkehrsinfrastruktur kommunizieren. In den USA verzichtet man darauf – das ist billiger und funktioniert schneller.
  3. In zehn Jahren darf in manchen Regionen nur noch autonom gefahren werden: Auf vielen Straßen in der westlichen Welt wird das der Fall sein. Bestehende neuere Fahrzeuge werden sich per Software dafür nachrüsten lassen.
  4. Keine Angst vor Mischverkehr! Autonome Fahrzeuge lernen rasch aus Fehlern und menschlichem Verhalten. Die Erkenntnisse werden via Update in alle Autos eingespielt, die damit kollektiv besser werden.
  5. Durchsetzbarkeit ohne politischen Druck: Bereiche, in denen nur noch autonom gefahren werden darf, werden Daten zum Vergleich der Unfallzahlen liefern. Wenn die sinken, wird das die Menschen überzeugen.

Anm.: Nicht alle Experten sind so optimistisch wie Mario Herger. Maria Brandl hat europäischen Entwicklern 12 Fragen zum Thema autonomes Fahren gestellt. Hier sind die Antworten darauf.

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