Jedes Jahr läuft die achtstündige Autofahrt nach dem exakt gleichen Muster ab. Am Abend vor der Abfahrt stänkert mein Vater, dass er das Gepäck nicht in der Früh, sondern jetzt sofort vollständig ins Auto schlichten will. Beim Frühstück am nächsten Tag stänkert er, dass wir zu viel mitnehmen, dann stänkert meine Mutter, dass nicht fertig vollgestopfte Taschen schon im Auto sind, dann stänkere ich, dass sie alle nicht so viel stänkern sollen.
Jede Klopause auf der Fahrt erfordert eine innere Vorbereitung meinerseits, aber unabhängig von den vergangenen Stunden stänkert mein Vater über mein mangelndes Durchhaltevermögen und ich stänkere über seine mangelnde Sensibilität.
Schon als Kind war ich bei dem ganzen Stress unendlich erleichtert, wenn wir auf der Küstenstraße das erste Mal das Meer aufblitzen sahen. Die kurvige Route zur Fähre hinunter, die früher in Jablanac ablegte, jetzt in Stinica ihren Hafen hat, ist jedes Mal die Gelegenheit für meinen Vater, seinem inneren Rallyefahrer das Steuer zu übergeben, und für mich, die Stärke meines Magens zu testen (und klarerweise dabei abwechselnd mit meiner Mutter über seinen Fahrstil zu stänkern). Aber da ist auch dieses Gefühl, heimzukommen zu meinem seit 16 Jahren kaum veränderten geliebten Fleckchen Erde – das lässt die ganze mühsame Anreise plötzlich nicht mehr so lang erscheinen.
Bevor wir aber zur Fähre fahren, die uns endlich auf die Insel Rab bringt, wird Halt gemacht bei einem kleinen schäbigen Beisl in den Bergen. Es lockt uns weder kulinarische Meisterleistungen noch ein traumhafter Ausblick jedes Jahr ins "Gacka Dolina", so wie alles bei unserem jährlichen Besuch ist es eine Tradition geworden: Hier genehmigen wir uns das erste kroatische Bier, essen einen kleinen Snack oder vertreten uns kurz die Beine.
Das Markenzeichen des Lokals: Die unhygienische und vermutlich seit der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens nicht mehr renovierte Toilette. Ein wahres Stück Geschichte für sich und Thema negativer Google-Rezensionen.
Nach diesem rustikalen Zwischenstopp geht es endlich Richtung Fähre. Meine Eltern und ich fahren schon lange nicht mehr nur zu dritt Richtung Lopar– mittlerweile begleiten uns mehrere befreundete Familien und wir düsen im Konvoi auf die Insel. Eltern plus Kinder, auch wenn die Kinder schon länger keine Kinder mehr sind, fahren gemeinsam auf die Fähre. Hier rieche ich dann das erste Mal seit einem Jahr wieder den Geruch des Meeres, lasse mir die Haare vom Wind ins Gesicht peitschen und halte die Nase in die Sonne.
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