Eigentlich wollte ich ja gar nicht hin. Aber als Kind hatte ich ja keine andere Wahl, als damals, in den 1960er-Jahren, mit meinen Eltern in die Zips zu fahren, ins Land am südlichen Rand der Hohen Tatra, des kleinsten Hochgebirges der Welt. Denn die Familie meiner Mutter stammte aus der kleinen deutschen Sprachinsel in der nördlichen Slowakei, die heute fast in Vergessenheit geraten ist.
Rückblende: Sie selbst war dort aufgewachsen, bis sie im Winter 1944 mit einem Flüchtlingstreck weg musste. Die Rote Armee war schon bedenklich nahe und Familien wie ihrer drohte Schlimmes. Selbst dann, wenn sie die Nazis verachteten, die die Tschechoslowakei okkupiert, den Staat gespalten und in der neu ausgerufenen Slowakei eine Marionetten-Regierung von Hitlers Gnaden eingesetzt hatten, geführt von einem Priester. Doch die meisten meiner Vorfahren hatten bei der Volkszählung 1930 "Deutsch" als Umgangssprache angegeben. Das sollte bald gefährlich werden.
Alle aus der Familie waren also auf der Flucht Richtung Westen. Alle? Fast alle. Mutters Tante Liesel war dageblieben, um ihre 84-jährige Mutter, die nicht mehr mobil war, zu pflegen. Und den Hof mit der 140 Hektar großen Land- und Forstwirtschaft in den schweren Zeiten, die alle kommen sahen, zu sichern.
Was ihr, um jetzt etwas vorzugreifen, nicht gelang: Alles wurde ersatzlos enteignet, auch ihr, obwohl sie sich weniger als Deutsche als vielmehr als Ungarin fühlte. Sie war noch in der Monarchie aufgewachsen, da gehörte das Gebiet zur ungarischen Reichshälfte und die Unterrichtssprache war ungarisch.
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