Aufmacher Huditz_Hufnagl_CMS.jpg AIT/Johannes Zinner (1), Kurt Zeillinger (1), A. Kaleta (Montage)
© AIT/Johannes Zinner (1), Kurt Zeillinger (1), A. Kaleta (Montage)
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Februar 2025

Wie werden Straßen fit für kommende Jahrzehnte?

Klimawandel und Alterungsprozesse setzen dem hochrangigen Straßennetz zu: Es muss saniert und fit für die Zukunft gemacht werden. Wie das geschieht und wie Hightech dabei hilft, erklärt Anna Huditz, Bauingenieurin und Forscherin am AIT, dem Austrian Institute of Technology.
 

Ganz gleich ob mit vier oder zwei Rädern oder zu Fuß: Wir nutzen Tag für Tag unsere Straßen-Infrastruktur, ohne uns darüber groß Gedanken zu machen – solange sie funktioniert. Damit das auch in Zeiten extremer Klimaereignisse so bleibt oder wieder so wird, machen sich aber viele Menschen berufsmäßig Gedanken.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch auf Autobahnen und Schnellstraßen zu spüren. „Im vergangenen Jahr hat man gesehen, welche großen Auswirkungen das gehabt hat. Auf der A9 hatten wir mit zwei großen Überflutungen zu kämpfen. Wir mussten die Autobahn dort für zwei Wochen außer Betrieb nehmen. Jeder von uns hat noch die Bilder von der A2 abgespeichert, die von Wien ausgehend Richtung Süden komplett überschwemmt war“, sagte Asfinag-Vorstandsdirektor Hartwig Hufnagl im ÖAMTC-Podcast #84. Viel wird schon getan: Neben baulichen Maßnahmen wie Schutzmauern und -barrieren wird laufend am Ausbau von Frühwarn- und Entwässerungssystemen gearbeitet.

Noch wichtiger sind allerdings der Erhaltungszustand der Straßen in Österreich, ihre regelmäßige Wartung und Instandhaltung.

A 7 Donaubrücke Bypässe Bau_CMS.jpg Asfinag/Mike Wolf © Asfinag/Mike Wolf
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Die Asfinag macht einen guten Job, im hochrangigen Straßennetz – also auf 2.265 km Straßenkilometern – funktioniert das sehr gut.

David Nosé, ÖAMTC-Verkehrstechniker

"Das funktioniert vor allem deshalb so gut, weil jährlich mit rund 2,5 Mrd. € an Mauterlösen über ausreichend finanzielle Ressourcen dafür da sind", konstatiert ÖAMTC-Verkehrstechniker David Nosé. Die Asfinag trifft aber auch eine besonders strenge Haftung: "Die zahlenden Benutzer sind ihre Vertragspartner, sodass eine Verletzung der Sorgfaltspflichten bereits dann vorliegt, wenn nur mit leichter Fahrlässigkeit gehandelt wurde“, erläutert Nosé. "Auf Landesebene sind die Budgetmittel deutlich geringer, das ist auch am Erhaltungsrückstand ablesbar. Zudem ist die Netzlänge der Landesstraßen B und L mit rd. 33.500 km deutlich umfangreicher." Am schlechtesten dürfte der Erhaltungszustand auf Gemeindeebene sein, dort sind die Geldmittel am geringsten. Allerdings liegen kaum Informationen über den Straßenzustand dieser 92.000 Netzkilometer vor.

Die wichtigsten Themen: Klimaschutz, Sanierung und Neubau

Anna Huditz leitet am AIT, dem Austrian Institute of Technology, Forschungsprojekte zu genau diesen Themen und gibt im ÖAMTC-Podcast #81 spannende Einblicke, mit welchen Methoden Straßen heute erhalten werden.

IMG_0563_CMS.JPG Kurt Zeillinger © Kurt Zeillinger

Muss man das Straßennetz nach dem Jahrhunderthochwasser im letzten September ganz schnell klimafitter machen?

Grundsätzlich ist die Straßeninfrastruktur darauf vorbereitet, sie wurde im Hinblick auf Ereignisse, die es immer schon gegeben hat, berechnet. Aber diese Ereignisse häufen sich jetzt. Selbstverständlich wird da Sanierungsbedarf auf uns zukommen. Man wird auch beim Neubau, beim Umbau oder bei Erweiterungen weiterdenken müssen, wie man das noch besser abfangen kann.

Heute geht es ja weniger um den Neubau von Straßen und mehr um ihre Erhaltung und Modernisierung, die kostenbewusst und nachhaltig sein sollte. Wie erreicht man das?

Ein Großteil der Straßen, Brücken und Tunnel aus den Wiederaufbaujahren ist jetzt in einem Alter, in dem umfassend saniert werden muss. Um den Lebenszyklus der Bauwerke genau zu messen und ihn ohne Sicherheitseinbußen etwas zu strecken, beschäftigen wir uns mit Bauwerksdynamik. Bei einer Brücke etwa muss man umfassende Informationen über ihren Zustand haben, um verlässliche Aussagen über Sanierungsmaßnahmen und den besten Zeitpunkt dafür zu treffen. Dabei hilft intelligente Sensorik, Informationen über vorhersehende Wartung und Instandhaltung zu bekommen. Wir verwenden zum Beispiel Satellitendaten, um Bauwerksbewegungen wirklich auf einen halben Millimeter genau zu monitoren und so zu sehen, ob Risse entstehen, auf- und zugehen.

Wie funktionieren Brücken-Kontrollen heute?

Zum einen mit hochauflösenden Satellitendaten, wie sie für Forschungsprojekte zur Verfügung stehen. Wir definieren damit Referenzpunkte auf den Bauwerken, ähnlich den Vermessungspunkten. Die werden immer wieder vom System und vom Satelliten gefunden, darüber lässt sich tatsächlich auf den halben Millimeter genau sagen, ob sich Brückentragwerke bewegen, ob sich die Brücke durchbiegt, ob Pfeiler irgendwo sich bewegen.

Riss2 (c) AIT.jpg AIT © AIT
Hochauflösende Satellitendaten erkennen Verschiebungen auf einen halben Millimeter genau.

Zum anderen erfolgt die Kontrolle mit Glasfasern als Liniensensoren über 50 bis 100 Meter. Die werden auf den Belag geklebt oder in der Brücke einbetoniert. Wird Licht durchgeschickt, erfährt man ganz genau, wo Risse entstehen, wie sie sich verhalten und kann ableiten, wann Maßnahmen gesetzt werden müssen. Wir haben damit schon die Restnutzungsdauer von Brücken bis zu einem Neubau, die erfahrungsgemäß bei etwa fünf Jahren gelegen wäre, vervierfacht. Fünf Jahre oder 20 ohne Einbußen bei der Sicherheit – das ist kostenbewusst und nachhaltig zugleich.

Eine Brücke ist ein statisches Bauwerk, aber sie hat auch Dehnfugen, weil sich bei kleinen Erdbeben oder Erschütterungen bewegen muss. Deshalb fließt immer die ganze Statik der Brücke mit ein, also wo sie sich bewegen darf und wo nicht. Es geht immer um die Relation der Bewegung der Brücke zum Tragwerk oder Pfeiler. Wie bewegt sich die Brücke in sich als statisches System? Wir haben dazu Algorithmen entwickelt und auch patentiert, die Wetterdaten, Wind- und Schneelasten berücksichtigen und herausrechnen können.

Riss - Faseroptische Messung (c) AIT (2).jpg AIT © AIT
Glasfasern werden in den Straßenbelag einbetoniert.

Womit analysiert man den Oberflächenzustand der Straßen?

Der Oberflächenzustand ist ja auch das, was jeder Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer mitbekommt, wenn er die Straße benutzt. Wir benützen da verschiedene Tools als rollende Hochleistungslabore – vom E-Scooter bis zum Lkw. Am bekanntesten im Bereich der Autobahnen und Schnellstraßen ist unser RoadStar, ein Lkw, der mit einer konstanten 80 km/h-Überfahrt alle Straßenparameter erfasst, also Griffigkeit, Längs- und Querebenheit sowie Risse. Die Ergebnisse werden über KI ausgewertet. Gleichzeitig werden Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen aufgenommen und visuell für die Straßenbetreiber dargestellt. Das ist dann die Grundlage für das Instandhaltungsmanagement.

Wie funktioniert RoadStar genau?

Der Lkw hat einen riesigen Wassertank, um eine Wasserspur zu hinterlassen. Ein gebremstes Messrad, das mit ganz genau definierten Parametern auf dieser Wasserspur hinterhergezogen wird, misst dabei die Griffigkeit, weil für die Griffigkeit die nasse Fahrbahn maßgeblich ist.

RoadSTAR_Lichtstreifen (c) AIT Johannes Zinner.jpg AIT © AIT
Der RoadStar-Lkw im Einsatz.

Was ist in Sachen Klimabilanz der Straßen effizienter? Sanierung oder Neubau?

Ich zitiere gerne einen Kollegen, der sagt, am nachhaltigsten ist die Brücke, die nicht gebaut werden muss. Je länger man bestehende Bauwerke ohne Sicherheitseinbußen erhalten kann, desto nachhaltiger ist das. Und da haben wir wirklich sehr viele Projekte, die in Richtung Lebenszyklus-Verlängerung gehen.

Ist Recycling im Straßenbau ein Thema?

Auf alle Fälle. Es wird nicht mehr der Billigstbieter beauftragt, es geht eher in Richtung Bestbieterprinzip mit Nachhaltigkeitskriterien. Je mehr ein Anbieter von dem Material, das man abbricht, recyceln kann, desto besser wird das Angebot auch bewertet. Dieses Bewusstsein ist schon auch bei den Betreibenden da, dass Baumaterialien als Sekundärbaustoffe einfach wertvoll sind.

Könnte man Asphalt und Beton durch nachhaltigere Materialien substituieren?

Wir werden von Beton und vom Asphalt nicht wegkommen. Eine Straße aus Holz wird es vermutlich nie geben. Aber allein die Recyclingquote zu erhöhen, funktioniert bei Beton schon sehr gut. Bei Asphalt leider noch nicht, weil einfach die Anlagen, die man dafür braucht, nicht mobil und regional nur spärlich vorhanden sind. Was sehr wünschenswert wäre, ist eine Abbruchs-Datenbank, weil ein Rohstoff, den man auf einer Baustelle nicht braucht, vielleicht zehn Kilometer weiter jemand anderer benötigt.

Baustelle Einhausung A10 Zederhaus_DSC9751.JPG (1).jpg Asfinag © Asfinag

Letzte Frage: Dass eine Straße in gutem Zustand zur Verkehrssicherheit beiträgt, ist klar. Aber kann man ihren Zustand objektiv messen?

Ja. Wir forschen sehr stark an diesem Thema – vor allem im innerstädtischen Raum. Und wir haben in den letzten Jahren ein Tool entwickelt, die Mobility Observation Box, die ungefähr so groß ist wie ein Vogelhäuschen, die mit Akkus autark ist und überall aufgehängt werden kann. Sie macht Videos, die über künstliche Intelligenz automatisiert ausgewertet werden. Sie erfassen die Routen, die verschiedene Verkehrsteilnehmende gehen oder fahren und rechnen dann aus, wie oft es Beinahe-Unfälle gegeben hätte. Gibt es Unfälle, die schon passiert sind, werden diese ohnehin analysiert, um Unfallhäufungsstellen zu entschärfen. Uns geht es aber da ganz stark darum, Stellen zu entschärfen, an denen in der Zukunft wahrscheinlich vermehrt Unfälle passieren werden. Was dabei im innerstädtischen Raum eher auffällt, ist die Integration neuer Mobilitätsformen, etwa E-Scootern, aber auch alles andere, was jetzt als Fahrrad den Fahrradstreifen benutzt, teilweise mit sehr hohen Geschwindigkeiten bei sehr hohem Gewicht der Fahrzeuge. Diese Verkehrsmittel auf sehr begrenzten Raum sicher unterzubringen ist das Thema sehr vieler nationaler und internationaler Forschungsprojekte.

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Nachhaltiger Straßenbau: Die fünf wichtigsten Fakten

  1. Umdenken. Weil Straßen klimafit werden müssen, ist ein Weiterdenken beim Neubau, beim Umbau und speziell bei Sanierungen gefragt.
  2. Lebenszyklus verlängern. Ein Großteil des Straßennetzes ist heute im sanierungsbedürftigen Alter. Dynamische Untersuchungen mit intelligenter Sensorik helfen, den besten Zeitpunkt für eine Sanierung zu ermitteln. Oft tragen sie dazu bei, den Lebenszyklus ohne Sicherheitseinbußen zu strecken.
  3. Modernste Technik einsetzen. Höchstauflösende Satellitendaten zeigen auf den halben Millimeter genau, ob sich Brücken über Norm bewegen. In den Straßenbelag eingelassene Glasfasern, durch die Licht geschickt wird, zeigen ganz genau, wo Risse entstehen können und erlauben dadurch eine exakte Vorhersage der Restnutzungsdauer.
  4. Laufende Analysen. Spezielle Lkw erzeugen beim Fahren eine Wasserspur, auf der ein mit Sensoren ausgestattetes hinterhergezogenes Messrad Ebenheit und Griffigkeit des Straßenbelags misst. Gleichzeitig nimmt eine Kamera alle Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen auf.
  5. Unfallgeschehen mit KI reduzieren. Aus anonymisierten Videos, die eine Box speziell im urbanen Bereich aufnimmt, wird mittels künstlicher Intelligenz berechnet, wie oft es wo zu Beinahe-Unfällen gekommen wäre. Mit diesen Daten lassen sich sicherheitsrelevante Umbauten realisieren.

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