Nein, ich bin ganz sicher kein Radsportler. Ich sehe mich – wohlwollend ausgedrückt – als Genussradler. Vor allem, wenn ich im Spiegel mein Profil hin zur Körpermitte betrachte. Und dennoch fahre ich gerne mit dem Rad. Im Sommer bin ich stolz auf meine 200 Kilometer, die ich im Monat mache. Und im Winter zwinge ich mich auf den Hometrainer. Genau da kam mir die Idee zu dieser Radtour.
Es war im Dezember, als ich während meiner Ergometer-Stunde durch die Programme auf dem davor postierten Fernseher zappte und plötzlich innehielt: Da war nichts anderes zu sehen als Aufnahmen vom Führerstand einer Lokomotive – in Echtzeit. Ich trat in die Pedale und radelte und radelte. Das Aha-Erlebnis dabei: Bahnsehen und Radfahren passen super zusammen. Seither zeichne ich die entsprechenden Sendungen auf (laufen meist in den deutschen dritten Programmen zu absoluten Un-Zeiten) und spule sie zusammen mit meinen Ergo-Kilometern ab.
Schon im letzten Sommer hatte ich zwischen Berchtesgaden und dem Königssee entdeckt, wie perfekt man auf stillgelegten Bahntrassen wandern kann. Und nun hatte es geklickt: Radeln auf diesen Strecken muss noch viel schöner sein. Du saugst dann die Strecke so richtig auf, bist Lokführer und Lok zugleich, spürst jeden Meter, die Sonne, den Wind, die Landschaft.
Kurz darauf entdeckte ich bei einer Recherche in Triest einen ganz neuen Radweg, der, wie die Infotafel verriet, mit EU-Fördermitteln grenzüberschreitend ausgebaut war. Und auf der Trasse einer abgebauten Normalspur-Eisenbahn zwischen Triest und Slowenien liegt. Der schien für mich wie geschaffen: 17 leichte Bergauf-Kilometer über Viadukte und durch Tunnels, durch Obstgärten und ein Naturschutzgebiet, und ganz oft mit Blick aufs Meer.
Die Idee war geboren – und die Tat folgte schon kurz darauf. Fotograf Heinz Henniger und ich packten um drei Uhr früh in Wien die Fahrräder ins Auto und fuhren nach Triest. Der Grund für den frühen Aufbruch: Die Wetter-App hatte für den Nachmittag Regen angesagt (der aber nicht kam). An der letzten Autobahn-Raststätte wurden die Radlerdressen angelegt, und um halb neun war der Ausgangspunkt des nach dem italienischen Radrennfahrer Giordano Cottur (1914–2006) benannten Radwegs an der Via Ponziana im Triester Stadtteil San Giacomo erreicht.
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