Meine Motorrad-bezogene Sozialisierung fand Ende des vorherigen Jahrtausends statt, also in den 1990ern. Damals, das wissen jüngere Eisenreiter vermutlich gar nicht mehr, endete gerade die Zeit der freiwilligen Selbstbeschränkung seitens der Hersteller auf 100 PS. Warum ich mir diesen Rückblick erlaube? Nun, es ist mir noch wohlvertraut, wie sich diese Sportbikes mit weniger als einem Liter Hubraum und nur maximal 100 PS anfühlten. Nämlich schon dynamisch und durchaus schnell, aufgrund eines Lebendgewichts von meist mehr als 220 Kilogramm aber auch einigermaßen behäbig. Keine Spur jedenfalls von quirlig oder gar handlich. ABS, Traktionskontrolle und ähnliche elektronische Helferleins gab es zwar schon vereinzelt, meist jedoch nicht auf Sportbikes. Andere Zeiten eben.
Im Namen der Vernunft
Kawasaki Ninja ZX-4RR: Der lebendigste Beweis dafür, dass man auch mit weniger als einem halben Liter Hubraum und nur 77 PS verflixt viel Spaß haben kann.
Erster Kontakt
Und mit eben diesem Gefühl im Herzen, aber der gebotenen Sachlichkeit unzähliger Motorradtests im Kopf, schwang ich unlängst das Bein über das zierliche Heck der neuen Kawasaki ZX-4RR. 399-Kubik-Reihen-Vierzylindermotor, 77 PS stark, keine 190 Kilo schwer, 17-Zoll-Räder vorn und hinten, soweit die Formalitäten.
Optisch ein schlankes Ding, keine Frage, trotzdem ein durchaus vollwertiges Motorrad, mit jeder Menge elektronischer Assistenzsysteme bis hin zur Smartphone-Konnektvität. Die Sitzposition ist sportlich, aber nicht kompromisslos, ein Trip durch städtisches Verkehrsgewusel ist definitiv aushaltbar. Nur für Langbeinige kann es bei voll eingeschlagenem Lenker im Bereich der Knie eng werden.
Und der Retro-Look der Lackierung? Finde ich persönlich gelungen, erinnert mich sehr an die legendäre ZXR400 sowie die ZXR750, die beide in den 1990er-Jahren verkauft wurden. Fun Fact am Rande: Die ZXR400 hatte seinerzeit schon eine Art "Heckspoiler" hinter der Rückbank montiert (wobei der eher als Henkel für Beifahrer:innen diente denn als aerodynamisches Feature).
Die kleine Kawa ist erstaunlich quirlig, herrlich unkompliziert.
Kleine Kawa, großes Vergnügen
Raus auf die Testrunde. Kurven, Kehren, dazwischen längere Geraden. Nach nicht einmal zwanzig Kilometern der erste Stopp. Nicht vor Ernüchterung, sondern vor Glückseligkeit. Die vermeintlich kleine Kawa ist erstaunlich quirlig, herrlich unkompliziert im Handling und vergnüglich flott. Kein Vergleich mit den Modellen meiner Jugend. Ja, natürlich marschiert sie nicht annähernd so vehement vorwärts wie ein echtes Superbike mit zumindest 200 bis 800 Kubik mehr.
Aber ganz ehrlich: Mit vielen deutlich PS-stärkeren und schwereren Maschinen hatte ich auf der Testrunde nicht ansatzweise so viel Spaß wie mit der ZX-4RR. Weil es mit ihr viel mehr um das Fahren an sich geht, um die Wahl der richtigen Linie, der richtigen Geschwindigkeit. Dass sie auch noch insgesamt weniger kostet, weniger verbraucht – perfekt.
Launige Alternativen zwischen 300 und 500 Kubik, von 5.990 bis 11.559 Euro
Im Segment der kleinvolumigeren Hubraumklassen tummeln sich unzählige Rollermodelle. Davon abgesehen ist die Auswahl an klassischen Eisen mittlerweile jedoch äußerst vielfältig und zahlreich. Eine Selektion querbeet.
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