Zum Gruseln schön
Fünf Friedhöfe, die man besucht haben sollte
Eingetaucht in eine betörende Stille, umgeben von einem mystischen Flair und egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit man dort ist, es liegt immer auch ein subtiler Gruselfaktor in der Luft: Friedhöfe. Aber es sind nicht nur Orte des Gedenkens an verstorbene Angehörige – es sind auch kulturelle und historische Stätten, grüne Ruheoasen, Orte der Stille und der Reflexion sowie Orte des Zusammenkommens. Oft herrscht eine ganz besondere Atmosphäre an Friedhöfen, die das ganze Jahr über einen Besuch wert sind. Natürlich stehts mit gebührendem Respekt! Wir nehmen Euch zu fünf solcher Orte mit:
Prag: Stiller Ort des Ruhms
Die meisten Besucher:innen der Moldaumetropole zieht es auf den alten Jüdischen Freidhof in der Prager Altstadt, dessen Erscheinungsbild sich über Jahrhunderte durch die eingeschränkte Fläche im Prager Ghetto herausgebildet hat. Unbestritten, der Friedhof ist ein sehenswerter Ort in der Stadt der goldenen Türme. Hat er doch neben dem Schicksal der hier begrabenen Menschen noch viel mehr zu berichten – von der Mystik der Stadt, von Rabbi Löw und seinem Golem und noch so mancher anderen Legende. Auf mich persönlich übt in Prag aber eine andere Ruhestätte eine noch größere Faszination aus – der Friedhof am Gelände der Burg Vyšehrad. Hierher verirren sich weit weniger ausländische Besucher:innen, obwohl seine „Bewohner:innen“ weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind. Von Antonín Dvořák und Bedřich Smetana bis zu Karel Čapek und Alfons Mucha. In Tschechien kennt diese Ruhestätte jedes Kind, sind hier doch die Nationalheld:innen aus Kunst und Kultur beerdigt. Es ist ein Ort, wo die schönen Künste ruhen. Mit einer Ausnahme. Eine einzige Persönlichkeit aus dem Bereich der Politik durfte hier Einzug halten – Milada Horáková, die einzige Frau, die vom tschechoslowakischen kommunistischen Regime der Fünziger Jahre hingerichtet wurde und als Symbol des feministischen Widerstands hier unter den nationalen Größen ihre letzte Ruhestätte gefunden hat.
Paris: Eine Ruhestätte mit Kultstatus
Ruhestätte oder doch eher Kultstätte? Diese Frage habe ich mir vor rund 30 Jahren gestellt, als ich Le Cimetière du Père-Lachaise im 20. Pariser Arrondissement zum ersten Mal besucht habe. Auch für uns war damals das erklärte Ziel, am Grab des Doors-Frontmans Jim Morrison vorbeizuschauen. Diesen Wunsch hatten wohl nicht nur wir, denn vor Ort trafen wir eine Traube junger Menschen mit Gitarre an. Feiernd, lautstark seine Lieder singend, zum Teil auf den benachbarten Grabsteinen sitzend. Ohne sich die Frage zu stellen, ob die Totenruhe gestört wird. Von wegen Ort der Stille.
Drei Jahrzehnte später zieht es mich nochmals auf den wohl berühmtesten Friedhof Europas. Noch immer tummeln sich hier zahlreiche Menschen, doch die Stimmung hat sich verändert. Ob es an mir liegt, die ich meine Umgebung mit veränderten Augen betrachte, oder doch an den Menschen selbst und der Zeit, die sich verändert hat, will ich nicht beurteilen. Jim Morrison ruht noch immer an derselben Stelle, doch inzwischen wurde eine dezente Absperrung errichtet. Es wirkt, als gebe es auch mehr Platz rund ums Grab. Und auch die Fans machen auch mich einen andächtigeren Eindruck. Von Gesang und Gitarrenklängen ist nichts mehr zu hören. Dafür nehme ich andere Schönheiten von Père Lachaise und seinen berühmten Bewohner:innen war. Edith Piaf, Frédéric Chopin, Oscar Wilde und viele mehr. Lagen sie auch schon vor 30 Jahren hier? Wohl schon, doch damals hatte ich keine Augen für die weitläufigen Baumalleen und die kunstvollen Ruhestätten, die von Sphinxen bis zu filigranen Engeln reichen.
Venedig: Eine Insel für sich alleine
Die Bewohner:innen der Lagunenstadt ruhen in einem einzigartigen Umfeld, denn nirgendwo sonst auf der Welt nennen Verstorbene eine ganze Insel ihr Eigen. Genau genommen sind es sogar zwei Inseln, die wir heute als Friedhofsinsel San Michele kennen. Die ursprünglich von Kaiser Napoleon Bonaparte als Beerdigungsort ausgewählte Insel San Cristoforo della Pace platze schon bald nach ihrer Bestimmung aus allen Nähten und so beschloss man kurzerhand, sie mit der Nachbarinsel San Michele zu vereinen. Und schüttete den Kanal, der die beiden Eiland trennte, kurzerhand zu.
Heute ist San Michele ein beliebter Tourismusmagnet, den auch ich mir bei meinem Venedig-Besuch nicht entgehen lassen konnte. Gerade im Sommer eine gute Entscheidung, wenn man den Massen in der Lagunenstadt für wenige Stunden entgehen möchte. Ein Katzensprung mit einem Vaporetto der Linie 4.1 oder 4.2, dem lokalen Wassertaxi, um die Ruheoase zu erreichen und zwischen den hohen Schatten spendenden Zypressen ein wenig zu verschnaufen.
Wien: Es lebe der Zentralfriedhof
Andrè Heller betitelte ihn einmal als „Aphrodisiakum für Nekrophile“. Ist er doch mit seinen 2,4 Quadratkilometern größer als die Wiener Innenstadt und Ruhestätte für mehr Tote als Wien aktuell lebende Einwohner:innen vorzuweisen hat. Für manche ist dieser einzigartige Ort, der es beinahe in jeden Wien-Reiseführer geschafft hat, ein Ort des Friedens und der melancholischen Schönheit zwischen Jugendstil-Bauwerken und künstlerisch gestalteten Gruften. Für andere ist er Pilgerstätte zum verstorbenen Idol – von Mozart und van Beethoven über Falco und Udo Jürgens bis zu Hedy Lamarr und Hans Moser. Und für manche einfach nur ein Ort, um entlang der zwei angelegten Laufstrecken das tägliche Laufpensum zu absolvieren.
Auf jeden Fall trifft hier der Slogan „Wien ist anders“ den Nagel auf den Kopf, denn wo sonst fährt eine eigene Buslinie über das Friedhofsgelände, werden Kräuterspaziergänge angeboten oder können Besucher:innen eine Fiakerfahrt unternehmen?
- Friedhofskirche zum Heiligen Karl Borromäus am Zentralfriedhof in Wien , © ÖAMTC_Canva
- Grab von Österreichs Poplegende Falco, © ÖAMTC_Pixabay
- Grabstein von Udo Jürgens am Zentralfriedhof in Wien , © ÖAMTC_Pixabay
Riegersburg: Der wohl kurioseste Friedhof der Welt
Auf eine Ruhestätte der ganz anderen Art bin ich in der Steiermark gestoßen – auf einen Friedhof der gestorbenen Ideen. Diesen habe ich inmitten der Zotter Schokoerlebniswelt entdeckt, als ich mit vollem Magen von zu viel Schokolade verkosten durch den essbaren Tiergarten geschlendert bin. Hier ruhen all jene Kreationen an Schokosorten, die entweder erst gar nicht umgesetzt worden sind oder die sich nicht allzu lange am Markt halten konnten. Anscheinend haben sie nicht den Geist der Zeit oder den Geschmack der Schokolade-Fans getroffen. Auf den Grabsteinen ist hier von „Erdbeer-Hummer“ über „Salz, Tomaten und Ziegenkäse“ bis zu „Banane Curry“ zu lesen. Ob Willy Wonka diese Schoko-Kreationen auch zu Grabe getragen hätte?
Yvette Polášek ist als Reiseexpertin beim ÖAMTC Reise- und Mobilitätsservice tätig. In Ihrer Freizeit gehört Ihr Herz neben ihrer Familie, Büchern und Kräutern, dem "Koffer packen", um die Welt zu erkunden. Aktuell liegt ihr Länder-Score bei 59 Ländern. Man kann gespannt sein, wohin es sie demnächst zieht.