Blog

A Star is born

Wie wird ein neuer Hubschrauber fit für den Rettungsdienst gemacht? Ein Blick hinter die Kulissen.

ÖAMTC/Wurnig

Es ist noch früh am Morgen, als die Techniker:innen die HeliAir-Werft in Innsbruck betreten. Im Sonnenlicht, das durch die großen Tore in die Halle fällt, steht sie – die H135 Helionix, der jüngste Neuzugang der Christophorus-Flotte der ÖAMTC-Flugrettung. Noch sieht sie aus wie ein gewöhnlicher Hubschrauber, aber das soll sich in den nächsten fünf Wochen ändern. Vier Techniker:innen werden in rund 600 Arbeitsstunden den Helikopter perfekt auf die Anforderungen des Flugrettungsdienstes abstimmen. „Die H135 Helionix ist bereits jetzt ein beeindruckendes Stück Technik“, erklärt mir Guido Graichen, Line and Base Maintenance Manager der HeliAir. „Aber was wir hier tun, ist nicht einfach ein bisschen Kosmetik. Wir statten sie mit allem aus, was gebraucht wird, um in kritischen Situationen Leben zu retten.“

Der erste Schritt

Alles beginnt mit der Installation der Innenraumverkleidung. Hier setzt die ÖAMTC-Flugrettung auf eine Eigenentwicklung der HeliAir, die auf den Namen „Kokon“ hört und die erste selbsttragende Innenraumverkleidung der Luftfahrt ist. Diese maßgeschneiderte Verkleidung wurde speziell für die Anforderungen des Rettungseinsatzes entwickelt und besticht durch die optimale Raumnutzung, die funktionale Arbeitsumgebung sowie die robuste, aber leichte Bauweise, denn gerade in der Luftfahrt zählt jedes Gramm Gewicht, das eingespart werden kann. „Das Besondere an Kokon ist, dass wir die Innenverkleidung relativ einfach an die spezifischen Bedürfnisse jedes Einsatzes anpassen können“, erläutert Guido. Der Einbau ist ein komplexer Prozess, der millimetergenaue Präzision erfordert. Die Verkleidung muss perfekt sitzen, damit alle anderen Systeme, wie die Medizintechnik und die Avionik, ebenfalls optimal eingebaut werden können.

ÖAMTC/Wurnig
- Auch wenn es nicht so ausschaut - jedes Kabel, jeder Stecker, jedes noch so kleinste Teil hat einen genau definierten Platz., © ÖAMTC/Wurnig

Hightech auf engstem Raum

Sobald die Grundausstattung fertiggestellt ist, beginnt die nächste Phase: die Installation der medizintechnischen Ausrüstung. Die Techniker:innen montieren ein Beatmungsgerät, Infusionspumpen und ein komplettes Monitoringsystem, das die Vitalfunktionen der Patient:innen überwacht. Die Anforderungen an Platz, Gewicht und Bedienbarkeit sind streng – alles muss leicht erreichbar, sicher fixiert und sofort einsatzbereit sein. „Jeder Millimeter zählt“, sagt Guido. „Zudem müssen wir sicherstellen, dass die Geräte auch bei starken Bewegungen oder Turbulenzen fest verankert bleiben.“

1ÖAMTC/Wurnig
2ÖAMTC/Wurnig
3ÖAMTC/Wurnig
  •   - Der fertige Innenraum besticht durch Übersicht und Kompaktheit., © ÖAMTC/Wurnig
  •   - Die Außenspiegel werden eigens angefertigt., © ÖAMTC/Wurnig
  •   - Auch in der Werkstatt sind Computer unerlässlich., © ÖAMTC/Wurnig

In Verbindung bleiben

Neben der medizintechnischen Ausrüstung und der Innenraumverkleidung braucht es aber auch Beleuchtung, Navigation und Kommunikation auf höchstem Niveau. Die Installation der Avionik und der Funkgeräte erfordert spezielles Know-how und absolute Genauigkeit und nimmt rund eine Woche in Anspruch. Jedes Kabel, jede Steckverbindung und jede Antenne müssen perfekt installiert sein, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten. „Kommunikation ist das A und O in der Flugrettung“, so Guido. „Wir müssen sicherstellen, dass unsere Pilot:innen und die Crew unter allen Umständen klare und störungsfreie Verbindungen haben – untereinander, mit den Leitstellen oder mit den Einsatzkräften am Boden.“ Dazu werden die neuesten Funktechnologien eingesetzt, die nicht nur zuverlässig sind, sondern auch in der Lage, auf unterschiedlichen Frequenzen zu senden. Auch die Montage der Antennen ist keine einfache Aufgabe: Sie müssen so angebracht werden, dass sie weder die Aerodynamik des Hubschraubers beeinträchtigen noch bei einem Einsatz von außen beschädigt werden können. Zeitgleich werden noch einige zusätzliche Modifikationen durchgeführt, um die H135 auf ÖAMTC-Standard zu bringen. Dazu zählen etwa die Montage einer Tablet-Halterung, die Installation eines Kollisionswarnsystems, die Modifikation des Außenlastspiegels oder die Anbringung des Lasthakens.

ÖAMTC/Wurnig
- Elegant integrierte Beleuchtung., © ÖAMTC/Wurnig
ÖAMTC/Wurnig
- Wenig Platz für viele Kabel., © ÖAMTC/Wurnig
ÖAMTC/Wurnig
- Die richtige Verkabelung ist aufwendig und braucht Zeit., © ÖAMTC/Wurnig

Finale Hürden

Bevor der neue Hubschrauber aber endgültig in den aktiven Dienst überführt werden kann, gilt es, noch einige administrative Angelegenheiten sicher unter Dach und Fach zu bringen. Auch dafür gibt es in der HeliAir eine eigene Abteilung, die CAMO. Diese kümmert sich nicht nur um die notwendigen Zertifizierungen, sondern auch um die Zulassung des Helikopters bei der nationalen Luftfahrtbehörde, um sämtliche Versicherungsanträge oder Zoll- und Finanzamtsangelegenheiten.

Von entscheidender Bedeutung sind auch die zahlreichen Checks der vorgenommenen Adaptierungen. Jedes Bauteil, jede technische Veränderung wird genau unter die Lupe genommen. Alles in allem ein langwieriger Prozess, der jedoch garantiert, dass der Hubschrauber den höchsten Standards entspricht. „Wir durchlaufen strengste Prüfungen – von der Behörde bis hin zu internen Qualitätskontrollen. Am Ende müssen wir sicherstellen, dass alles einwandfrei funktioniert und den Anforderungen entspricht“, erklärt der dafür Verantwortliche, Hannes Rudig.

Sicherheit hat immer oberste Priorität.
Guido Graichen, Line and Base Maintenance Manager der HeliAir

Letztes Detail

Einer der letzten Arbeitsschritte ist das Anbringen des Christophorus-Schriftzugs und des ÖAMTC-Logos. Dies mag auf den ersten Blick wie ein rein dekorativer Akt erscheinen, aber es ist mehr als das. „Es ist der erfolgreiche Abschluss unserer Arbeit, wenn der Hubschrauber seinen Namen erhält“, sagt Guido.

Nach mehreren Wochen intensiver Arbeit ist die H135 Helionix nun endlich bereit für ihren ersten Einsatz. Aus einem einfachen Helikopter ist ein hochkomplexes Rettungsgerät geworden. Der Umbau in Innsbruck hat eindrucksvoll gezeigt, wie viel Know-how, Präzision und auch Herzblut in jedem einzelnen Hubschrauber der ÖAMTC-Flugrettung stecken. Es ist diese bewährte Teamarbeit, die sicherstellt, dass im Ernstfall alles perfekt funktioniert – von der medizintechnischen Ausrüstung bis zur Kommunikation. Denn am Ende steht immer das eine Ziel: Menschenleben zu retten.

ÖAMTC
, © ÖAMTC
Ralph Schüller ÖAMTC/Postl

Ralph Schüller mag Hubschrauber – zumindest im beruflichen Kontext als Teil des Teams der ÖAMTC-Öffentlichkeitsarbeit. Im privaten Bereich geht er es etwas leiser an, mit dem Rad oder gerne auch per pedes. Laut nur dann, wenn er zur Posaune greift.