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94 Prozent der Autofahrer:innen in Österreich tragen Sicherheitsgurt. Die Geschichte eines Lebensretters.

Orvar Aspholm stieg unverletzt aus. Und das, obwohl sich das Fahrzeug, in dem er eben noch saß, nicht nur ein- oder zweimal, sondern gleich viermal überschlug. Es ist der Startschuss für den Siegeszuges des Sicherheitsgurtes. Aber der Reihe nach.

Die ersten Versuche
Die Geschichte des Sicherheitsgurtes ist eng verwoben mit der Geschichte des Automobils selbst. So wurde laut dem Deutschen Patent- und Markenamt bereits am 11. Mai 1903 das erste Patent auf einen Sicherheitsgurt erteilt. Gustave-Désiré Leveau erhielt es in Frankreich für seinen Vierpunktgurt. Ein Jahr zuvor hat der Sicherheitsgurt seinen ersten prominenten Auftritt: Bei einem Rekordversuch auf Staten Island, New York, mit dem stromlinienförmiger „Baker Torpedo, der übrigens elektrisch angetrieben wurde, kam es zu einem schweren Unfall. Zwei Zuseher starben, doch die beiden Insassen überlebten. Sie trugen Sicherheitsgurte.

Die Geburtsstunde des Gurtes, wie wir ihn kennen
So richtig in Fahrt kam der Sicherheitsgurt (abgesehen vom Motorsport) dann aber mehr als fünf Jahrzehnte nicht – bis zum Unfall von Orvar Aspholm. Wobei Unfall hier vielleicht das falsche Wort ist, eher war es eine Demonstration. Und demonstriert wurde an diesem Tag im Jahr 1959 am Frankfurter Messegelände der Dreipunkt-Sicherheitsgurt. Patentiert wurde der Sicherheitsgurt von Volvo bereits im Vorjahr. Der Erfinder: Der im Jahr 1958 vom schwedischen Autohersteller eingestellte ehemalige Luftfahrtingenieur Nils Bohlin. Serienmäßig eingeführt wurde der Dreipunkt-Sicherheitsgurt erstmals in den Modellen Volvo PV544 ("Buckel-Volvo") und Volvo P120 Amazon.

Anfängliche Skepsis
So richtig überzeugt vom Sicherheitsfeature waren damals aber nicht alle Autofahrer:innen. In einer Sendung der Berliner Abendschau im Jahr 1962 hört man etwa von einem Befragten, dass der Gurt im Stadtverkehr "zwecklos" sei. Dabei kann ein Unfall bereits bei Tempo 30 schwere bis tödliche Folgen für Pkw-Insass:innen haben, falls der Sicherheitsgurt nicht angelegt ist. Immerhin ist ein Unfall mit dieser Geschwindigkeit gleichzusetzen mit dem Fall aus vier Metern Höhe.
Hierzulande wurde der Gurt übrigens am 15. Juli 1976 zur Pflicht. Bis sich diese Maßnahme jedoch auf die Zahl der Todesopfer auswirken sollte, vergingen noch einige Jahre. Erst als mit 1. Juli 1984 begonnen wurde, das Nichtangurten mit einer Organstrafverfügung zu ahnden, verringerte sich die die Anzahl der Verkehrstoten deutlich – von zuvor jährlich rund 1.900 auf 1.524 im Jahr 1985. Übrigens: Die Mindeststrafe lag damals bei 100 Schilling (rund 7 Euro). Mittlerweile kostet das Nichtangurten mindestens 50 Euro.

Die aktuelle Situation
Und wie steht es heute um die Gurtmoral in Österreich? Um eine aktuelle Einschätzung zu erhalten, führte der ÖAMTC im März eine österreichweite Erhebung durch: In allen Landeshauptstädten wurden insgesamt 20.160 Pkw-Insass:innen erfasst. 93,5 Prozent davon waren angeschnallt. Interessant: Besonders hohe Werte wurden in der Steiermark, Tirol und Vorarlberg mit über 97 Prozent verzeichnet. Weniger positiv ist die Situation in Wien, wo nur 86,6 Prozent der Pkw-Insass:innen angeschnallt waren.
David Nosé, Verkehrstechniker beim ÖAMTC, betont die Wichtigkeit des Gurtes: "Wären ausnahmslos alle Pkw-Insass:innen angeschnallt, würde das im Jahr bis zu 40 Leben retten. In den vergangenen zehn Jahren wurden 540 Menschen, die keinen Gurt trugen, bei Verkehrsunfällen getötet. Trotz moderner Sicherheitssysteme, darunter Airbags und Assistenzsysteme, bleibt der Sicherheitsgurt nach wie vor die wichtigste Lebensversicherung im Auto."