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Demo und Party für mehr Toleranz

Im Gespräch mit Andreas Brunner (QWIEN) über die erste Regenbogenparade in Wien und warum sich Party und Demo nicht ausschließen

ÖAMTC auf der Regenbogenparade Matthias Fenzl

Es ist Pride Month, die Stadt strahlt in bunten Farben und die Regenbogenfahnen werden wieder gehisst. Der Pride Month ist ein jährlicher Zeitraum, meist im Juni, in dem die LGBTQIA+-Community weltweit ihre Identitäten feiert und für Gleichberechtigung, Sichtbarkeit und Akzeptanz kämpft. Die Regenbogenparade ist der Höhepunkt der Pride und findet heuer am Samstag, 8. Juni, statt – über 300.000 Menschen tanzen und protestieren unter dem Motto "Pride is a Demonstration" über die Wiener Ringstraße. Auch der ÖAMTC setzt ein Zeichen für Toleranz und Vielfältigkeit und ist mit einem Abschleppwagen und DJ bei der 28. Wiener Regenbogenparade dabei. Aber warum eigentlich? Ich habe mich mit Andreas Brunner, Co-Gründer von QWIEN (Zentrum für queere Geschichte) und Mitbegründer der ersten Regenbogenparade in Wien, getroffen und mit ihm über die Anfänge der Wiener Pride, Verantwortung von Unternehmen, Pinkwashing und die Kritik, an der "Party-Veranstaltung" Regenbogenparade gesprochen.

Andreas Brunner von QWIEN Eberharter Anna
Andreas Brunner von QWIEN, © Eberharter Anna

Von der Christopher Street in New York in die ganze Welt

Am 28. Juni 1969 fand eine Razzia in der Bar Stonewall Inn in der Christopher Street in New York City statt, die als ein Zentrum für queere Personen galt. Anstatt sich kampflos festnehmen zu lassen, wehrten sich die Besucher:innen gegen die Polizeigewalt und das systematische Schikanieren der LGBTQIA+-Community. Diese Widerstandshaltung gipfelte in mehreren Tagen von Unruhen, Demonstrationen und Zusammenstößen mit der Polizei. Der Stonewall-Aufstand markierte einen Wendepunkt und wird als Meilenstein in der queeren Befreiungsbewegung angesehen. Er führte zur Gründung zahlreicher LGBTQIA+ Organisationen, zur verstärkten Sichtbarkeit und zur Mobilisierung für die Forderung nach Gleichberechtigung und Akzeptanz. Der Aufstand legte den Grundstein für den jährlichen Christopher Street Day (CSD) und inspirierte weltweit ähnliche Proteste, wie die Regenbogenparade in Wien.

Erste Regenbogenparade in Wien 1996_1 Harald Schacherhofer_QWIEN
Erste Regenbogenparade in Wien 1996_1, © Harald Schacherhofer_QWIEN
Der politische Inhalt ist, dass die Ringstraße einmal im Jahr uns gehört. Das ist unser Feiertag und diesen feiern wir laut und bunt auf dem prächtigsten Boulevard dieser Republik.
Andreas Brunner

Erste Wiener Regenbogenparade 1996

Während eines Amerikaaufenthalts erlebte Andreas Brunner die Pride in New York mit – inspiriert und euphorisiert von diesem Erlebnis, organisierte er zusammen mit anderen die erste Regebogenparade in Wien 1996.

Wie ist die erste Parade in Wien entstanden?

Andreas Brunner: "Ich war 1994 bei Stonewall 25 – also bei dem 25-jährigen Jubiläum der Stonewall Riots in New York – die Stadt war voll mit schwulen, lesbischen und trans-Personen. Bei der Abschlussfeier der Parade waren 750.000 Personen im Central Park – ich habe seither nie wieder so viele queere Personen auf einem Haufen gesehen. Weil ich so begeistert war, bin ich das Folgejahr wieder rüber geflogen, mit meinem Kollegen Hannes Sulzenbacher. Wir waren beide wieder völlig hin und weg und haben uns gesagt: so was brauchen wir in Wien auch. Gesagt, getan: wir haben uns Verbündete gesucht und im Jahr drauf hat es dann tatsächlich die erste Regenbogenparade gegeben.

Kurz davor hatten wir natürlich sehr viel Bauchweh, ob überhaupt jemand kommen wird. Aber unsere Erwartungen wurden sogar übertroffen und es kamen 20.000 Menschen."

Was hat sich seit der ersten Parade verändert?

AB: "In der Größe wie es heute ist, haben wir uns das damals ja nie vorstellen können. Zudem gab es 1996 auch noch drei Strafrechtparagraphen, die Homosexualität verfolgt haben. Im Grunde hätten wir nach dem damals noch gültigen Paragraphen „der positiven Darstellung – also Werbung – für Gleichgeschlechtliche Unzucht und Unzucht mit Tieren“, so war die Formulierung im Paragraphen, durchaus angezeigt werden können. Es waren also ganz andere Voraussetzungen – von einer Ehe für alle waren wir meilenweit entfernt. Da hat sich seither schon sehr viel gesellschaftlich und politisch verändert. Gleichzeitig spüren wir gerade auch ein Backlash und deshalb ist die Sichtbarkeit von queeren Personen auch heute noch sehr wichtig und ein zentrales Motiv zur Parade zu gehen."

Oft wird die Parade kritisiert, dass sie nur noch eine Party sei – was sagst du dazu?

AB: "Der politische Inhalt ist, dass die Ringstraße einmal im Jahr uns gehört. Das ist unser Feiertag und diesen feiern wir laut und bunt auf dem prächtigsten Boulevard dieser Republik. Dass diese Straße einmal im Jahr uns gehört, ist für mich schon ein politisches Statement. Es ist auch eine Party – so what? Wer hinschaut, sieht ganz klar, dass es jenseits der Party auch ganz viele politische Elemente gibt. Allein, dass die Parade Queerness sichtbar macht, ist an sich auch schon ein politischer Aspekt."

Es wird immer Menschen geben, die mit Homosexualität, Transidentität, Intergeschlechtlichkeit und anderen Genderidentitäten nicht umgehen können. Den Aufruf zur eigenen Sichtbarkeit wird es immer brauchen, insofern wird es auch immer eine Parade geben, heute ist die politische Dringlichkeit natürlich eine andere als vor 28 Jahren.
Andreas Brunner
Erste Regenbogenparade in Wien 1996_2 Harald Schacherhofer_QWIEN
Erste Regenbogenparade in Wien 1996_2, © Harald Schacherhofer_QWIEN

Marketinggag oder gelebte Diversität? Unternehmen auf der Pride

Egal ob Lebensmittel im Supermarkt, Firmenlogos oder Socken – im Juni findet man alles in Regenbogenfarben. Abseits von den Goodies und Marketing-Ideen in bunt, nehmen auch viele Unternehmen an der Regenbogenparade teil – so auch der ÖAMTC.

Wie findest du es, dass Unternehmen an der Regenbogenparade teilnehmen?

AB: "Die Parade hat mittlerweile eine starke Kommerzialisierung erlebt – Diversity ist auch in der Wirtschaft angekommen. Dass Firmen nun auch bei der Parade dabei sind, ist ein Phänomen der 2010er Jahre. Ich bin ehrlich gesagt etwas gespalten. Einerseits ist es wichtig, dass auch in Betrieben und Firmen Diversität gelebt wird und die Wichtigkeit gesehen wird. Aber ich bin auch ein bisschen skeptisch, wenn Diversität zu einem reinen Marketingtool wird – wenn Betriebe im Mai und Juni die Regenbogenfahne hochalten und in den restlichen 10 Monate ist Queerness betriebsintern kein Thema mehr. Ich finde es also nicht gut, wenn die Rainbowflag als Label verwendet wird, nur um bei einer bestimmten Zielgruppe zu punkten. Das Mindeste sollte sein, dass Unternehmen eine Diversitätsabteilung haben, die Diversitätsprogramme implementiert und sich das ganze Jahr für die Belangen der queeren Community und von queeren Mitarbeiter:innen einsetzt."

Was können/sollen Unternehmen abseits der Regenbogenparade tun?

AB: "Sowohl der Umgang mit queeren Mitarbeiter:innen also auch mit queeren Kund:innen ist ausschlaggebend. Wobei mir die interne Seite sogar noch wichtiger erscheint. Betriebsintern sollte Diversity gelebt werden. Das heißt konkret, dass queere Personen einen sicheren Arbeitsplatz haben, sich nicht verleugnen müssen und keine Angst vor Diskriminierung haben müssen. Wir sehen ganz klar an den Zahlen und Statistiken, dass es nach wie vor einen hohen Prozentsatz an Arbeitnehmer:innen gibt, die sich in ihren Betrieben nicht outen – und das sollte sich ändern. Unternehmen tragen hier mit dem Betriebsklima eine hohe Verantwortung. Die Teilnahme an der Parade kann ein Baustein der Diversitätsstrategie sein, aber es ist eben nur ein Teil.

In der Außenwirkung sollten Firmen mehr Diversität wagen, z.B. bei der Bebilderung der Website oder bei Werbungen – sprich, dass nicht nur weiße cis Personen abgebildet werden. So kann in kleinen Schritten mehr Sichtbarkeit erzeugt werden. Also kurz gesagt – einfach mutig sein und Diversität wagen. Und sich natürlich klar gegen Hass und Diskriminierung positionieren – Hass ist keine Meinung, Hass ist immer menschenverachtend."

Pink is the new black – Pinkwashing im Juni

Pinkwashing ist ein kontroverses Phänomen, das sich auf die Praxis bezieht, dass Unternehmen, Organisationen oder auch Regierungen und Parteien sich als Unterstützer:innen der LGBTQIA+-Community darstellen und ihre Produkte, Dienstleistungen oder politischen Ziele mit Regenbogenfarben vermarkten. Auf den ersten Blick: was kann man an der Unterstützung schon aussetzen – ist doch toll, dass damit mehr Sichtbarkeit geschaffen wird. Aber: Wenn dieses Engagement nur oberflächlich genutzt wird, um von eigentlichen Problemen wie Diskriminierung abzulenken oder Produkte besser verkaufen zu können, muss das kritisch betrachtet werden.

ÖAMTC auf der Regenbogenparade Matthias Fenzl
ÖAMTC auf der Regenbogenparade, © Matthias Fenzl

Diversität beim ÖAMTC

Es ist ganz klar: Wer Diversität im Unternehmen leben will, muss sich rund ums Jahr für Vielfalt einsetzen. Die Inklusive Sprache beim ÖAMTC ist dabei ein wichtiger Schritt, dadurch wird sowohl intern als auch extern im Arbeitsalltag Diversität und Inklusion gelebt. Da es Vielen nicht auf Anhieb leichtfällt, inklusiv zu kommunizieren, bekommen alle neuen Mitarbeiter:innen im Zuge des On-Boarding-Prozesses einen Workshop zum Thema Diversität und eine Einführung in die Inklusive Sprache. Wir sind überzeugt, dass Sprache Wirklichkeit schafft und "mitgemeint" ist uns eben zu wenig – aber nur inklusive Sprache allein ist nicht genug. So veranstalten der ÖAMTC u.a. auch zweimal jährlich das Diskussionsforum Diversität – zu einem bestimmten Thema werden Expert:innen eingeladen, die mit Mitarbeiter:innen und externen Besucher:innen über gesellschaftsrelevante Themen diskutieren.

Als größter Verein Österreichs sind nicht nur unsere Mitglieder, sondern vor allem auch unsere Mitarbeitenden divers und vielfältig – das wollen wir auf der Regenbogenparade gemeinsam feiern und die LGBTQIA+-Community unterstützen. Chancengleichheit und Gleichwertigkeit sind übrigens auch in unseren Vereins-Statuten festgelegt.

ÖAMTC auf der Regenbogenparade Matthias Fenzl
ÖAMTC auf der Regenbogenparade, © Matthias Fenzl
ÖAMTC auf der Regenbogenparade Matthias Fenzl
ÖAMTC auf der Regenbogenparade, © Matthias Fenzl
ÖAMTC auf der Regenbogenparade Matthias Fenzl
ÖAMTC auf der Regenbogenparade, © Matthias Fenzl

Drei schnelle Fragen an Andreas Brunner

Welchen Tipp würdest du der jüngeren Generation geben, die jetzt die Regenbogenparade organisieren?

AB: "Habt Spaß – es ist echt eine „scheiß Hacken“ – Pardon – so etwas auf die Beine zu stellen. Da sollte der Spaß auch nicht zu kurz kommen."

Was räts du Unternehmen?

AB: "Seid ehrlich – ich appelliere darauf, dass Diversität im Unternehmen nicht nur als Werbeplattform missbraucht wird, sondern Diversität tatsächlich im Unternehmen gelebt wird."

Und was können Allies* tun?

AB: "Mitgehen – einfach bei der Regenbogenparade mitgehen und unterstützen."

* Ein Ally ist eine nicht-queere Person, die sich mit und für die Rechte und Würde von LGBTQIA+ Personen einsetzt und sich solidarisch mit ihnen verbündet.

Anna Eberharter  Katharina Brunner

Eberharter Anna (she/her) ist seit Jänner 2022 beim ÖAMTC im Team der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Ihre Themenschwerpunkte beim Mobilitätsclub sind Reisen und Tourismus sowie Diversität und Inklusion. In ihrer Freizeit setzt sich Eberharter für Feminismus und Gleichstellung ein. Sie ist kunstinteressiert, mag Bücher und Podcasts und hat ein Faible für Zimmerpflanzen.